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# taz.de -- Kommentar Griechenland: Die Angst vor dem Abstieg
> Egal, was nun kommt in Griechenland – für die meisten wird es weiter
> abwärts gehen. Für die Demokratie ist das gefährlich.
Athen brennt. Die Bilder, die wir aus Griechenland erhalten, vermitteln den
Eindruck einer in den Grundfesten erschütterten Gesellschaft. Da werden
abtrünnige Parlamentarier reihenweise aus ihren Fraktionen ausgeschlossen.
Über 100.000 Menschen demonstrieren in der City. Läden, Kinos, ja ganze
Gebäude gehen in Flammen auf, in Brand gesetzt von wütenden Menschen.
Tatsächlich mögen die Brände die Tat einer kleinen Minderheit sein. Die
Mehrheit der Bevölkerung wirft keine Molotowcocktails, aber sie sieht sich
in einem nicht auflösbaren Dilemma. Für den Fall eines Staatsbankrotts
fürchtet man die Wiedereinführung der Drachme, weil jeder weiß, dass damit
eine extreme Verarmung verbunden wäre. Viele Menschen ängstigt aber genauso
die nun beschlossene Erfüllung der Direktiven aus Brüssel, weil auch diese
mit einem Wohlstandsverlust verbunden sind. So oder so - es geht weiter
abwärts. Diese Alternativlosigkeit trägt nicht zur Stärkung von Demokratie
und Zivilgesellschaft bei.
Zugleich steht das bisherige Parteiensystem vor dem Bankrott. Konservative
wie Sozialdemokraten schufen über Jahrzehnte hinweg einen Klientelismus, um
die eigenen Anhänger mit Wohltaten zu versorgen. Das waren vor allem Posten
im öffentlichen Dienst. Jetzt, wo dieses Selbstbedienungssystem nicht mehr
aufgebläht werden kann, sondern endlich abgebaut wird, es also nichts mehr
zu verteilen gibt, entfallen auch wesentliche Gründe für die Wahl dieser
Parteien.
Im anstehenden Wahlkampf werden sich diese Parteien wohl dennoch wieder
gegenseitig mit Versprechungen übertrumpfen. Nur stoßen diese bei vielen
Griechen auf taube Ohren. Und die Leute haben damit recht. Das kann eine
Chance für alternative Gruppierungen werden, die mit dem Klientelsystem
endgültig brechen wollen. Doch auch sie wissen keinen einfachen Weg aus der
Wirtschaftskrise - weil es keine einfachen Lösungen mehr gibt.
Nicht zu unterschätzen ist die Gefahr, dass nun Rattenfänger vom Kollaps
des Vertrauens profitieren, seien es die altstalinistischen Kommunisten
oder die rechten Nationalisten. Mit ihrer rigiden Sparpolitik, die auf
Investitionshilfen gänzlich verzichtet, helfen europäische Politiker diesen
Kräften erst recht auf die Beine.
Nein, es besteht keine Gefahr, dass in Griechenland eine Diktatur entsteht.
Aber gute Zeiten für die Demokratie sind das wirklich nicht.
13 Feb 2012
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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