# taz.de -- Regierung strebt Langzeit-Arbeitskonten an: Für die Rente vorarbei… | |
> Langzeit-Arbeitskonten sollen Angestellten künftig helfen, flexibler in | |
> die Rente zu gehen. Doch die meisten Menschen haben ohnehin unfreiwillig | |
> früh keinen Job mehr. | |
Bild: Die Freiheit, selbstbestimmt nichts zu tun, haben die wenigsten älteren … | |
BERLIN taz | Immer mehr ältere Menschen arbeiten noch bis kurz vor dem | |
Renteneintritt. Das belegen neue Zahlen, die Bundesarbeitsministerin Ursula | |
von der Leyen (CDU) am Dienstag präsentierte. Danach waren 2010 bereits | |
40,8 Prozent der 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig. Die Verdoppelung dieser | |
Quote innerhalb von zehn Jahren sei "ein beachtlicher Erfolg", sagte von | |
der Leyen. | |
Die Ministerin hatte in Berlin gemeinsam mit dem DGB-Vorsitzenden Michael | |
Sommer und dem Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, | |
Otto Kentzler, einen Fortschrittsreport "Altersgerechtes Arbeiten" | |
präsentiert. Er soll künftig alle halbe Jahre beschreiben, wie viele Ältere | |
kurz vor dem Renteneinritt in Jobs vertreten sind, auf welche Probleme sie | |
stoßen und was dagegen getan werden kann. | |
Die Regierung will dabei zunächst mit den Tarifpartnern diskutieren, wie | |
man psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz besser vorbeugen und | |
flexiblere Ausstiege aus dem Berufsleben über Langzeitarbeitskonten fördern | |
kann. Mit solchen Konten sollen Beschäftigte während ihres Berufslebens | |
mehr arbeiten und Guthaben ansparen können. Wollen sie dann vor dem | |
offiziellen Rentenalter aus dem Job aussteigen, soll das Abschläge mindern. | |
Sommer erklärte sich bereit, über den Ausbau solcher Konten mit | |
Arbeitgebern zu verhandeln. Die Regierung müsse aber auch über neue Gesetze | |
nachdenken. Denn gerade in kleinen und mittleren Betrieben seien ältere | |
Beschäftigte "deutlich schlechter gestellt", sagte Sommer. | |
Zwar ermöglichen 13 Prozent aller großen Betriebe mit mehr als 500 | |
Beschäftigten solche Konten. Doch schaut man auf alle Betriebe, bieten nur | |
2 Prozent oder 40.000 Unternehmen solche Möglichkeiten an. Führend ist die | |
Chemiebranche. Sommer wandte sich erneut gegen die Rente mit 67. "Die | |
Beschäftigungssituation Älterer hat sich verbessert, aber sie ist nicht | |
gut", sagte er. | |
## Tausende Minijobber | |
Hinter der Kritik steckt auch ein Streit über Begriffe: So spricht die | |
Regierung am liebsten von der Erwerbstätigenquote. Die umfasst jedoch auch | |
Ältere, die nur einen Minijob haben, der ihnen keine auskömmliche Rente | |
beschert. "Wir haben allein in der Altersgruppe zwischen 55 und 64 800.000 | |
Menschen, die nur Minijobber sind", sagte Sommer. | |
Aussagekräftiger sind deswegen die Zahlen der | |
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, zumal der | |
Vollzeitbeschäftigten. Ende März 2011 lag diese Beschäftigungsquote für die | |
60- bis 64-Jährigen bei 18,7 Prozent. Für die 64-Jährigen schrumpft sie auf | |
9,3 Prozent. | |
Trotzdem sieht der Forscher Martin Brussig vom Institut Arbeit und | |
Qualifikation eine Trendwende: "Wir erleben mit der Verlängerung der | |
Erwerbsbiografien gegenwärtig eine der stärksten Veränderungen in der | |
Sozialstruktur. Das liegt nicht nur daran, dass die Babyboomer älter werden | |
oder geringfügige Beschäftigung zunimmt." | |
Brussig verweist aber auch auf die fortwährenden Probleme: Ältere blieben | |
heute zwar länger im Job. "Aber an der Einstellungspraxis der Betriebe hat | |
sich nichts Erkennbares geändert." Würden Ältere arbeitslos, sei es nach | |
wie vor viel schwerer für sie als für Jüngere, wieder eine Stelle zu | |
bekommen. | |
Ein Drittel bis ein Viertel der Beschäftigten habe erhebliche Probleme | |
damit, dass die Altersgrenze "davonlaufe", so Brussig. Seit Beginn des | |
Jahres wird das Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre | |
angehoben. | |
21 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rente für Selbständige: Leyen will zur Vorsorge zwingen | |
Familienministern von der Leyen will Selbständige zur Altersvorsorge | |
zwingen. Wer nicht ausreichend vorsorgt, soll in die Rentenversicherung | |
einbezogen werden. | |
Gewerkschaftsbund will Minijobs abschaffen: Wege aus der „Minijobfalle“ | |
Der DGB präsentiert eine Idee, wie 400-Euro-Jobs zu regulärer | |
Teilzeitarbeit werden könnten. Aktuell arbeiten 7,4 Millionen Personen auf | |
400-Euro-Basis. | |
Expertin über Rentenvorsorge: "Frauen sollten genau rechnen" | |
Eine Expertin rät Müttern, die wegen der Kinder zu Hause bleiben, zu einer | |
eigenen privaten Rentenversicherung. Auf ihren Partner sollten sie lieber | |
nicht setzen. | |
Arbeiten gegen Altersarmut: Hausfrauen leben gefährlich | |
Viel mehr ältere Frauen als früher arbeiten heute in Vollzeitjobs. Das ist | |
gut für ihre Rente, denn wer sich nur auf den Ehemann verlässt, geht ein | |
hohes Risiko ein. | |
Kommentar Altersarmut: Unsitte Altersdiskriminierung | |
Solange es Altersdiskriminierung gibt, werden viele Ältere weiterhin in | |
Rente gehen, bevor sie 67 sind. Die finanziellen Einbußen werden sie | |
zähneknirschend hinnehmen. |