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# taz.de -- BR-Intendant im App-Streit: Der Verlegerflüsterer
> Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayrischen Rundfunks, beruhigt die
> Verleger. Dabei vertritt er wirksam die Interessen der ARD im Streit um
> mobile Apps.
Bild: Ulrich Wilhelm - Außenminister der ARD mit einem Hauch von Robert Redfor…
Die Gespräche mit den Verlegern sind wieder einmal konstruktiv gelaufen,
wie könnte es auch anders sein. Schließlich ist er dabei: Ulrich Wilhelm,
der Intendant des Bayerischen Rundfunks. Der Mann, von dem die Frankfurter
Allgemeine Zeitung mit höchster Anerkennung schrieb, er verstehe "verbürgt
den Eindruck zu vermitteln, Berater im Binnenbetrieb der Macht zu sein".
Der Mann, der von 2005 bis Sommer 2010 für die Bundesregierung sprach und
dem selbst die Süddeutsche neben vielen anderen Nettigkeiten mehr als nur
einen Hauch Robert Redford attestierte. Als Berater im Binnenbetrieb der
ARD funktioniert der 50-Jährige auch jetzt prächtig. Der BR-Intendant gilt
als einer der Hauptarchitekten der neuen Aussöhnungsstrategie mit den
Verlegern.
"Zeitnah" soll jetzt die Vereinbarung über die neuen Spielregeln im
Internet zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern mit dem Bundesverband
Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) zum Abschluss gebracht werden, die
jüngste Verhandlungsrunde sei wieder einmal "sehr konstruktiv verlaufen",
teilte die ARD-Pressestelle mit.
## Die ARD springt über ihren Schatten
Selbst wenn am genauen Wortlaut der Erklärung noch mal geschraubt wird: Vor
allem die ARD springt über ihren Schatten und geht gemeinsam mit dem stets
etwas anpassungsfähigeren ZDF weit auf die Verleger zu. Dass das so sein
muss, daran hat schon vor der jüngsten Verhandlungsrunde am Dienstag in
Köln Ulrich Wilhelm im heimischen München keinen Zweifel gelassen.
"In einer komplexer werdenden Welt dürfen die Qualitätsmedien die Menschen
nicht im Stich lassen", sagt der Intendant. "Das Forum dafür schaffen bis
auf Weiteres vor allem die Medien. Soziale Netzwerke werden in Zukunft mit
dazu beitragen, reichen allein aber nicht aus", analysiert Wilhelm
treffend.
Warum aber nun Zugeständnisse an eine Branche, die wesentliche
Entwicklungen schlicht verschlief? Und die deshalb in ihrer lieben Pein und
Not die "tagesschau"-App als Quell allen Übels ausgemacht hat und mit
kreuzzugtauglich-gläubiger Verve dagegen zu Felde zieht?
## Themen an Millionen Menschen herantragen
"Medien haben unterschiedliche Stärken: Zeitungen, Zeitschriften und
Magazine können bekanntlich exzellent Hintergründe vermitteln und
Sachverhalte kontrovers aufbereiten", sagt Wilhelm, und natürlich sei er
"leidenschaftlicher Zeitungsleser". Nur sei auch "umgekehrt Print nicht in
der Lage, allein als Massenmedium zu wirken. Themen an Millionen Menschen
herantragen, sie informieren, sie auch emotional aufrütteln und sagen: ,Wir
müssen uns jetzt mit diesem Thema beschäftigen!', das leisten Fernsehen und
Hörfunk in besonderem Maße."
Und weil er "an der Nahtstelle von Politik und Journalismus erlebt" hat,
"wie Redaktionen ausgedünnt wurden und wie sich dies auf die Qualität
auswirkt", sagt er auch: "In einer Zeit radikaler, medialer Umbrüche geht
es darum, die Existenzgrundlagen der jeweils anderen Seite stärker als
bisher zu berücksichtigen."
## Es geht um die Schwerpunkte
Gerade weil es die Sender am Ende wenig kostet - ein Umsortieren und
Schwerpunktsetzen bei ihren Kernkompetenzen Audio und Video. Doch das sehen
viele in der ARD anders, vor allem die, die auf der Arbeitsebene jeden Tag
mit der schönen neuen digitalen Welt und ihrer Angebotsvielfalt zu tun
haben: Die aktuelle journalistische Arbeit für die Online-Angebote der ARD
könne nicht auf eine eigenständige redaktionelle Berichterstattung in
Textform verzichten oder diese - wie von den Verlegern gewünscht - zur
Ausnahme machen, heißt es im "Fachlichen Votum" der ARD-Onliner zu den
Verhandlungen.
Wilhelm gibt hier den Spezialisten für aufgewühlte Wogen, und er macht das
gut: "Selbstverständlich werden die Öffentlich-Rechtlichen im Netz nie
textfrei sein - keine Frage: Das Internet ist ein textbasiertes Medium",
sagt er also und wiederholt noch mal: "Es geht um die Schwerpunkte." Wer
wollte dagegen etwas sagen?
## Meister der interessengeleiteten Analyse
Sich mit Ulrich Wilhelm zu streiten, ist schwierig. Er scheine "zu jenen
Menschen zu gehören, die keine persönlichen Gegner haben, die womöglich
nicht einmal dazu in der Lage sind, Feindschaften gegen sich aufzubauen",
hatte ihm Günter Bannas, der oberste FAZ-Politiker in Berlin, zum Abschied
aus der Hauptstadtpolitik hinterhergeschrieben. Diese Stärken sind ihm
geblieben, auch als BR-Intendant ist Wilhelm ein Meister der
interessengeleiteten Analyse, die so herrlich neutral daherkommt.
Im aktuellen Tauziehen gibt er nach innen in die ARD, aber vor allem für
die Verleger den "Pferdeflüsterer", der ihnen die Bockigkeiten und das
Auskeilen vertreiben soll. Wilhelm sei damit quasi so etwas wie der
"Außenminister" der ARD, schlussfolgerte die Süddeutsche.
Außenminister allein reicht dabei natürlich nicht: Wilhelm ist zuallererst
mal BR-Intendant, den er in der ARD wieder sichtbarer machen will, vor
allem auch in Sachen Information. "Unsere Korrespondenten berichten von den
Brennpunkten der Weltpolitik, zum Beispiel aus Teheran, Tel Aviv und Athen.
Der BR leistet täglich Beachtliches in der ARD", sagt er, und dass auch in
der Fiktion demnächst noch mehr los sein soll als ein neuer Regionalkrimi
fürs Erste.
Allein: "Den Rahmen setzen immer die finanziellen Möglichkeiten. Auch der
BR kann nicht locker Zusätzliches anbieten. Unsere Haushalte sind seit 2009
und absehbar bis 2014 eingefroren - bei steigenden Kosten", sagt der
ehemalige Regierungssprecher.
Die Aufregung, dass der Verkäufer der Bundesregierung fast übergangslos den
Intendantenposten übernahm, war nie besonders heftig. Und von der großen
Bühne fast unbemerkt hat der CSU-Mann Wilhelm schon Ende letzten Jahres die
brutalstmöglichste Absolution bekommen: vom "Bayerischen Rot-Grün-Funk", zu
dem vor allem der Hörfunk des BR verkommen sei, schrieb da ausgerechnet -
der Bayernkurier.
22 Feb 2012
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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