# taz.de -- Bestrafung von Gymnasiasten?: Keine Flucht vorm Turbo-Abi | |
> Schwächere Gymnasiasten dürfen nicht mehr in dreijährige Oberstufe der | |
> Stadtteilschule wechseln, sondern müssen gleich in Klasse 12. | |
> Elternkammer moniert das. | |
Bild: Rätselhaft: Die Wege zum Abitur | |
HAMBURG taz | In den 10. Klassen der Hamburger Gymnasien wurden Anfang | |
Februar wieder die zentralen Prüfungen für den Realschulabschluss | |
geschrieben. Sie sind schwerer als die Realschulprüfung an den | |
Stadtteilschulen und lassen manche Schüler bezweifeln, dass sie der | |
zweijährigen Turbo-Oberstufe gewachsen sind. Doch anders als bisher soll | |
der Wechsel auf die dreijährige Oberstufe der Stadtteilschule für | |
schwächere Schüler nicht mehr möglich sein. | |
Das geht aus der neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Grundschulen, | |
Stadtteilschulen und Gymnasien hervor, die SPD-Schulsenator Ties Rabe im | |
Sommer 2011 verabschieden ließ. Möglich ist demnach nur noch der direkte | |
Übergang von Klasse 10 des Gymnasiums in die Klasse 12 der Stadtteilschule, | |
nicht aber in Klasse 11. | |
Der Übergang in die Oberstufe ist auch mit verhältnismäßig schlechten Noten | |
noch möglich. Die Schulbehörde argumentiert formal: Sofern dieser geschafft | |
ist, handelt es sich beim Besuch der 11. Klasse einer Stadtteilschule um | |
eine "Wiederholung" dieses Schuljahres. "Dies wäre eine Umgehung des | |
Wiederholungsverbotes", sagt Behörden-Sprecher Peter Albrecht. Für eine | |
solche Besserstellung der Gymnasiasten an den Stadtteilschulen bestehe | |
"kein sachlicher Grund". | |
Tatsächlich haben Gymnasiasten am Ende von Klasse 10 mehr Unterricht | |
gehabt, aber nicht mehr private Lernzeit. Die Elternkammer hat bereits im | |
Sommer vor dieser Regelung gewarnt. Die 10. Klasse des Gymnasiums nehme | |
eine "Zwitterstellung" ein und sei kein Ersatz für die weggefallene 11. | |
Klasse. Die Möglichkeit eines Übergangs in Klasse 11 der Stadtteilschule | |
sei für Gymnasiasten "zur Vermeidung von Versagenserlebnissen" zwingend | |
geboten. | |
Hinzu komme, dass laut der 2009 erhobenen Schulstudie "Kess 11" etwa 14 | |
Prozent der gymnasialen Oberstufenschüler keine ausreichenden Kompetenzen | |
für die zweijährige Turbo-Oberstufe haben. Sie wären in der dreijährigen | |
Oberstufe besser aufgehoben. | |
Die Elternkammer hat Rabe am Dienstagabend nochmals aufgefordert, die | |
Verordnung zu ändern. "Es gibt hier zwei Sichtweisen", sagt der Vorsitzende | |
Michael Hartwig. "Ich verstehe die Stadtteilschulen, die sagen, die Eltern | |
mögen ihre Kinder bitte gleich dort anmelden." Es gehe aber um das Wohl der | |
Kinder. | |
Der CDU-Abgeordnete Walter Scheuerl spricht gar von einer "Bestrafung" der | |
Gymnasiasten, da sie eine härtere Realschulprüfung hätten. "Rabes | |
Schulpolitik geht zu Lasten vom Gymnasiasten", erklärt auch seine | |
Mitstreiterin Marielle Kirsch. | |
Scheuerl vermutet neben einer geplanten "Abschreckung vom Gymnasium" auch | |
Spar-Gedanken hinter der Senats-Politik. Ein Jahr mehr Schule kostet Geld. | |
22 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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