# taz.de -- Warhol-Doku auf Arte: Drella oder wie er die Welt sah | |
> Arte widmet Andy Warhol zum 25. Todestag ein sehr persönliches Porträt - | |
> eine lobhudelnde Explosion ästhetisch-schnipselartiger Momentaufnahmen. | |
Bild: Voyeur mit Perücke, verehrt und verhasst - Andy Warhol. | |
Wer Interviews mit Andy Warhol führte, biss sich an ihm die Zähne aus. Die | |
große Arte-Doku "Andy Warhol - Godfather of Pop" beginnt mit einer | |
schwarz-weißen Gesprächssequenz. Eine Journalistin konfrontiert den | |
Künstler mit folgender Aussage: "Ihre Kunst kann nicht als originelle | |
Skulptur verstanden werden. Würden Sie zustimmen?", "Ja", antwortet ein | |
apathisch wirkender Wahrhol. Die Journalistin hakt nach "Warum?" - "Weil | |
sie nicht originell ist." Die Journalistin gibt immer noch nicht auf. | |
"Warum kreieren Sie nichts Neues?" - Antwort: "Weil es so einfacher ist." | |
In vier Stunden versucht der Dokumentarfilmer Ric Burns, sich Andy Warhol | |
zu nähern. Die Reise beginnt im August 1928 in Pittsburgh, der Geburtsstadt | |
von Andy Warhola, Kind einer Bauernfamilie mit lemko-ruthenischen Wurzeln. | |
Burns Film unterscheidet sich von anderen Dokumentationen über Warhol: Er | |
will den Menschen Warhol porträtieren und hinter die Fassade schauen. | |
Der junge Andy Warhola war ein Außenseiter, ein Muttersöhnchen, unfähig | |
soziale Kontakte zu knüpfen. Schon früh wollte Warhol nur eins: Erfolg. Im | |
Jahr 1949 zog er nach New York mit 200 Dollar und seinem Portfolio unter | |
dem Arm. Im selben Jahr widmete das Time-Magazin dem Künstler Jackson | |
Pollock eine ganze Seite. | |
Zwei Jahre später hatte Warhol sich einen Namen als Illustrator gemacht und | |
bezog ein eigenes Apartment. Mit 25 Jahren, 1953, hatte Warhol dann seine | |
erste sexuelle Erfahrung - mit einem Mann. Die Beziehung ging in die | |
Brüche. Warhol der Einzelgänger mit der Knollennase litt extrem unter | |
Minderwertigkeitskomplexen. Um diesen entgegenzuwirken, kaufte er sich auch | |
seine erste Perücke, die später zum Markenzeichen wurde. | |
## Verloren in reiner Lobhudelei | |
1962 hatte Warhol in Kalifornien schließlich mit den "Campbells Soup"-Dosen | |
die erste Einzelausstellung. Es hagelte negative Kritiken und auch Time | |
schrieb einen verhöhnenden Artikel über Pop-Art, mit einem Foto von Warhol. | |
Es war der persönliche und berufliche Wendepunkt. | |
In "Andy Warhol - Godfather" führt Ric Burns Interviews mit Weggefährten | |
wie Billy Name, Irving Blum oder Warhols Bruder Paul, zudem zeigt er bisher | |
unveröffentlichtes Bild- und Filmmaterial. Herausgekommen ist eine | |
Explosion ästhetisch-schnipselartiger Momentaufnahmen, die manchmal ein | |
wenig verblassen, weil die Doku sich in einer reinen Lobhudelei verliert. | |
Nur selten kommen kritische Stimmen auf: Warhols Freunde hassten und | |
liebten ihn zugleich. Sie bewunderten ihn, aber gleichzeitig saugte er | |
ihnen die Energie aus, daher auch der Spitzname "Drella" - nach Cinderella | |
und Dracula. Auch in seiner berühmten "Factory" änderte sich das nie. Der | |
Künstler hielt immer die Kamera drauf und entzog sich komplett der | |
Verantwortung - er war Voyeur. | |
Studio 54, inter/VIEW Magazine, seine B-Movies mit Joe Dallesandro - all | |
das kommt zu kurz oder gar nicht vor. Stattdessen widmet sich Burns | |
Kunstfilmen wie "Sleep", "Haircut" oder "Empire" umso detaillierter. Burns | |
will damit zeigen, wie Warhol die Welt sah. Und er schafft es, Warhols | |
inneren Konflikt herauszustellen, zwischen dem privaten und dem | |
öffentlichen Selbst. Um diesen Kontrast zu verdeutlichen, endet "Andy | |
Warhol - Godfather of Pop" ebenfalls mit einer Interviewszene, in welcher | |
Warhol fast gar nichts von sich gibt. | |
26 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Enrico Ippolito | |
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