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# taz.de -- Zum Tod von Dennis Hopper: Jeder Augenblick ein Selbstversuch
> Mit "Easy Rider" hat er die Sechziger Jahre geprägt. Aber das war längst
> nicht alles – zum Tod des Fotografen, Malers, Schauspielers und Enfant
> terrible Dennis Hopper.
Bild: "Kreativ sein oder sterben" war Hoppers Lebensphilosophie.
Heute kann man sich kaum mehr vorstellen, dass Dennis Hopper jemals als
Jungstar gehandelt wurde. Erst jetzt, mit seinem Tod von 74 Jahren, rückt
wieder in den Blick, dass seine Hollywood-Karriere fast sechs Dekaden
zurückreicht.
Mitte der Fünfzigerjahre saß ein damals blutjunger Dennis Hopper dem
legendären Studioboss Harry Cohn gegenüber. Hollywood befand sich in einem
Jugendwahn; die Erfolge von "Der Wilde" und "Jenseits von Eden" hatten ihre
Stars Marlon Brando und James Dean über Nacht zu Teenie-Idolen gemacht, und
der gerade aufkeimende Rock'n Roll lieferte den passenden Soundtrack.
Frische Gesichter waren gefragt, aber die eher bürgerliche
Theaterausbildung Hoppers in Shakespeare-Ensembles passte nicht so recht
zum Rebellenimage, das Cohn vorgeschwebt haben mag. Der wollte Hopper erst
mal zurück zur Schauspielschule schicken, um ihm die Theater-Marotten
auszutreiben. Hoppers entschiedenes "Fuck you!" hätte Cohn als Antwort
eigentlich gefallen müssen, stattdessen landeten er und sein Manager im
hohen Bogen auf der Straße.
Drei Jahre später geriet er beim Dreh von "From Hell to Texas" erneut mit
einem von Hollywoods Old Boys, dem Regieveteranen Henry Hathaway,
aneinander. Hopper ging schließlich entnervt nach New York, um bei Lee
Strasberg zu studieren. Strasbergs Method Acting sollte sich für Hoppers
unberechenbares Temperament als richtige Schule erweisen.
Nach seiner Rückkehr an die Westküste kam Hopper noch ein paarmal mit
Vertretern der alten Hollywood-Garde in Berührung (John Wayne machte sich
schon damals über Hoppers liberale Anwandlungen lustig), aber seine
Arbeiten mit den B-Movie-Autoren Curtis Harrington und Roger Corman ließen
bereits erahnen, wohin für ihn die Reise gehen würde.
## Härteste Exzesse kriegten ihn nicht kaputt
Hopper wird uns nicht als Jugendidol in Erinnerung bleiben. James Dean, der
so etwas wie ein Mentor des jungen Hopper wurde, machte sich durch seinen
frühen Tod unsterblich. Hopper erlangte einen Ruf von Unsterblichkeit
allenfalls, weil er in all den Jahren härtester Exzesse einfach nicht
kaputtzukriegen war.
Das hat er mit Marlon Brando gemein, dessen Privatleben und berufliche
Laufbahn ähnliche Extreme durchlitten. Auch wenn der Vergleich vermessen
erscheint, sind Brando und Hopper die großen Versehrten, Ikonen ihrer Ära.
Beide haben für ihre künstlerische Überzeugung ihre Karrieren aufs Spiel
gesetzt und sind nach deren grandiosem Scheitern (Brando 1961 mit "Der
Besessene", Hopper zehn Jahre später mit "The Last Movie") von Hollywood
mit Liebesentzug bestraft worden.
Auf der Leinwand kreuzten sich ihre Wege nur einmal, doch wie nicht anders
zu erwarten, wenn zwei solche Naturgewalten aufeinandertreffen, waren die
Umstände entsprechend katastrophal. Ihre gemeinsame Szene in Coppolas
Chaos-Produktion "Apocalypse Now!" klärte ganz nebenbei auch das Verhältnis
der beiden gefallenen Stars: im Halbdunkel der kahlköpfige, schwitzende
Brando, durch Mythos und Statur ein Gigant, in eine andere Ecke gekauert
der zugedröhnte Hopper.
Sie wechseln kein Wort miteinander, Hopper fungiert eher als Sprachrohr des
irre gewordenen Kurtz/Brando, der ihn schließlich wie einen Hund aus seiner
Höhle scheucht. Brando spielte in einer anderen Liga als Hopper. Niemand
spielte mit Hopper in einer Liga.
## "Easy Rider" begründete die Ära New Hollywood
Sein Alleinstellungsmerkmal war nicht zuletzt eine selbst für
Hollywood-Verhältnisse schillernde Lebensgeschichte. Hopper verschlug es
immer wieder zur rechten Zeit an die richtigen Orte. Er erlebte James Deans
kurze, intensive Sternstunde aus unmittelbarer Nähe (die Nebenrollen in
"Denn sie wissen nicht was sie tun" und "Giganten" hatte Dean ihm
persönlich verschafft).
Anfang der Sechziger war er dabei, als die amerikanische Pop-Art-Szene um
Warhol, Rauschenberg und Ruscha ihre Geburtsstunde feierte. Und mit "Easy
Rider" begründete er maßgeblich die Ära New Hollywood. Wäre er damals
gestorben – und eine Zeit lang sah es ganz danach aus –, welches Bild
hätten wir heute wohl von Dennis Hopper? Vielleicht würde man sich an ihn
als eine Schlüsselfigur der Sechzigerjahre erinnern.
Seine Fotos von Martin Luther King, Warhol, Jane Fonda als Amazone mit
Pfeil und Bogen und unzähligen Alltagsgesichtern sind Dokumente eines
anderen Amerika, dessen Ausfalllinien in der Biografie Hoppers
zusammenliefen.
Er hat uns diesen Gefallen nicht getan. Zum Dank erinnern wir uns an Dennis
Hopper nun als diesen (größen)wahnsinnigen Schauspieler, der er auch – aber
eben nicht nur – gewesen ist. Denn im Grunde war Hopper der letzte
Renaissance-Mann Hollywoods: Fotograf, Maler, Schauspieler, Regisseur,
Kunstexperte, Sammler, Enfant terrible.
## Genie war für ihn der schiere Instinkt
Joanne Woodward, die Frau seines langjährigen Freundes Paul Newman, soll
über den jungen Hopper gesagt haben: "Dennis ist ein Genie. Ich bin nicht
sicher, in was, und ich bin nicht mal sicher, ob Dennis es genau weiß."
Genie ist für Hopper nie eine Frage von Können oder Virtuosität gewesen,
sondern von schierem Instinkt; etwas, das der Amerikaner als "gut feeling"
bezeichnet.
Bei Hopper kam alles aus den Eingeweiden, seinem Innersten. Auch deswegen
waren seine besten Figuren manchmal so schwer erträglich. Denn Hopper war
in all ihnen gegenwärtig.
Dieses Genie hat sich im Laufe der Zeit in einem Nebel illegaler Substanzen
verloren (die Siebzigerjahre waren die große Leerstelle in seiner
Karriere), aber etwas von dem frühen Hopper hat in seinen späteren großen
und kleinen Paraderollen überlebt: dem australischen Outlaw Mad Dog Morgan
in Philippe Moras gleichnamigem Western, dem Psychopathen Frank Booth in
David Lynchs alptraumhaften "Blue Velvet" und den vielen Alkoholikern und
Drogenfreaks aus "Out of the Blue", "Rumble Fish", "White Star" oder "Das
Messer am Ufer".
Alle diese Figuren führen auf Umwegen zurück zu "Easy Rider", Hoppers
Vermächtnis, und damit auch zu seinem verkannten Meisterwerk "The Last
Movie", mit dem er seine Amerika-Kritik und die romantische Sehnsucht nach
einem Leben außerhalb zivilisatorischer Grenzen auf die Spitze trieb.
## Er verkörperte das dunkle, unkontrollierbare Amerika
Hopper verkörperte das dunkle, unkontrollierbare Amerika, das (wie er
selbst) aus den turbulenten Siebzigerjahren hervorgegangen war. Das machte
ihn zu einem Archetyp des postklassischen Kinos. Vielleicht haben seine
europäischen Verehrer – Wim Wenders in "Der amerikanische Freund", Roland
Klick in "White Star" – ihn auch darum gerne als Typus des "Amerikaners"
besetzt.
Diese rohe, selbstzerstörerische Energie zog sich durch fast alle seine
Figuren und Regiearbeiten. Gewalt war seit dem Todesschuss am Ende von
"Easy Rider" ein zentrales Motiv seiner Filme. Er schien von ihr geradezu
angezogen: ob in der amerikanischen Provinz ("Blue Velvet", "Das Messer am
Ufer"), in den Innenstädten ("Colors - Farben der Gewalt"), selbst die
individuelle Freiheit gründete sich bei ihm auf Gewalt.
Besonders deutlich zeigte sich das in "Out of the Blue" (1980), seinem
fulminanten Regie-Comeback über eine hochgradig dysfunktionale Familie,
sexuellen Missbrauch und das Ende von Rock'n Roll, das ständig auf diesem
für ihn so charakteristischen, schmalen Grat zwischen schmerzlicher
Melancholie und explosiver Wut balancierte.
Der deutsche Verleihtitel brachte diesen Hopper-Zustand auf unnachahmlich
plakative Weise auf den Punkt: "Dynamit Punk". Ein paar Jahre später
versuchte Hopper dann tatsächlich, sich für eine Kunst-Performance mit
Dynamit in die Luft zu jagen. (Zu sehen in der Installation "Life After on
Canvas").
## Profanes Ende für eine exzessive Existenz
Aber Hopper hat jede Phase seines an einen Selbstversuch erinnernden Lebens
heil überstanden. Darum entbehrte es nicht einer gewissen Ironie, als
letztes Jahr bei ihm Prostatakrebs diagnostiziert wurde. Profaner hätte
diese exzessive Existenz gar nicht ausklingen können.
Hopper war in den letzten zwanzig Jahren allerdings auch ruhiger geworden.
Durch "Speed" kam er in den Neunzigern sogar noch einmal zu
Blockbuster-Ehren. Mit Hollywood ist er dennoch nicht mehr warm geworden.
Eine Skepsis, die auf Gegenseitigkeit beruhte: Ein Vierteljahrhundert lagen
zwischen seiner letzten Oscar-Nominierung für das Basketball-Drama
"Hoosiers (1986) und seinem Stern auf dem Walk of Fame.
Sein Engagement für Ronald Reagan und die Republikaner hat man ihm, dem
einstigen Posterboy der Gegenkultur, wohl nie richtig verziehen. Diesen
politischen Wandel korrigierte Hopper erst spät, aus Enttäuschung über die
Politik Bushs; seine Karikatur eines Protokapitalisten in der Zombie-Satire
"Land of the Dead" widmete er Dick Cheney.
## In einer seiner letzten Rollen war er ein Engel
Dass er in einer seiner letzten Rollen, in Wenders "Palermo Shooting",
einen Engel spielte, fügt sich perfekt in die Hopper-Folklore aus
Hollywood-Gossip, Selbstmystifizierung und Todespoetik.
Dennis Hoppers Nachlass ist gewaltig. Er wollte zeit seines Lebens
schaffen, Produktivität ging ihm stets über Qualität. Er wusste, am Ende
würde genug herumkommen, das vor der Nachwelt Bestand hat. Sein Gesamtwerk
bezeichnete er kurz vor seinem Tod einmal als Fluss aus Scheiße, aus dem er
ein paar Krümel Gold gewinnen konnte.
"Kreativ sein oder sterben", das war seine Lebensphilosophie. Hopper hat
sich bis zum Schluss daran gehalten. Er hat sich seine Ruhe verdient.
Dennis Hopper erlag am Samstag, nur zwei Wochen nach seinem 74. Geburtstag,
seinem Krebsleiden.
31 May 2010
## AUTOREN
Andreas Busche
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