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# taz.de -- Retrospektive: Das dunkler werdende Licht der Popart
> Katharina Fritsch ist durch ihre riesigen, knallig verfremdeten
> Plastikskulpturen bekannt geworden. Die waren ironische Spots auf
> Gesellschaft. Inzwischen kombiniert die Künstlerin ihre Skulpturen schlau
> mit Fotos und Siebdruck-Bildern - und wirkt dabei seltsam stagnativ. Das
> zeigt die Fritsch-Schau in den Hamburger Deichtorhallen
Bild: Subtiles Grauen: Koch vor dem Restaurant "Schwarzwaldhaus"
Katharina Fritsch: Das ist die mit dem riesigen Kunststoff-Elefanten. Mit
der "Tischgesellschaft", in der sich 32-mal derselbe Mann wiederholt, in
einer DDR- Werkskantine oder, dem Tischtuch nach zu urteilen, irgendwo in
Bulgarien. Katharina Fritsch, das ist jene Künstlerin, die in den
Achtzigern durch das bekannt wurde, was die Hamburger Deichtorhallen
derzeit präsentieren: großformatige Skulpturen, die sie 1995 zur Venezianer
Biennale und 2001 in die Londoner Tate Gallery führten.
Diese riesigen Plastikmenschen, tiere, gegenstände zogen so gut, dass
Fritsch sie zum Markenzeichen erhob. Die Verfremdung funktioniert dabei im
Wesentlichen durch Farbe und Neu-Kontextualisierung: Der anatomisch völlig
korrekte Elefant ist blaugrün und steht auf einem Podest, das sein echtes
Pendant nie erklimmen könnte. Und die Madonnenfiguren sind winzig,
zahlreich und wie Cola-Dosen zu einer Warensäule aufgetürmt.
Das erinnert recht deutlich an Andy Warhol, und tatsächlich ist Fritsch mit
solchen Arbeiten - wenn auch ein paar Dekaden verspätet - mitten in der
Pop-Art angekommen, mit der sie eine Menge verbindet. Das gilt nicht nur
für ihre Arbeiten aus den 80er Jahren, sondern auch für die aktuellen
Werke, die sie für die Deichtorhallen schuf: Riesige Siebdrucke - auch
dieser Technik hatten sich die Pop-Artisten bemächtigt - hängen da an den
Wänden. Zum Beispiel eine blass bonbonrosa "Kirmes", aufgenommen in den
70er Jahren. Oder die hellgelbe, 16 Meter lange "Flusslandschaft" - ein
Bild zum Abwandern.
Das zentrale Thema dabei ist immer die Farbe - allerdings nicht, wie bei
Konstruktivisten, um ihrer selbst willen. Fritsch verknüpft ihre Farben
sehr gezielt mit Inhalten: In blutleeres Dunkelgrün ist etwa die große
abfotografierte Landschaftspostkarte getaucht, düster das Bild des Gasthofs
im Bergischen Land. Es sind Bilder jener End-Sechziger und Siebziger, die
verzweifelt versuchten, Idyll zu inszenieren, obwohl es innen- und
außenpolitisch brodelte. Der Fake misslang, und die vorgebliche
Harmlosigkeit gleicht einem klebrigen Film, den die bürgerliche
Gesellschaft über die Realität zu ziehen versuchte.
Fritsch kommentiert solch gutbürgerlich-hausbackene Reiseandenken, indem
sie etwa süffisant einen lebensgroßen Neandertaler vor dem Bild platziert -
als Reminiszenz an die real existierende Skulptur im Mettmanner
Neantertal-Museum einerseits, andererseits als gezielte Verunheimlichung
dessen, was als urtümlich und "teutonisch" galt und gilt.
Kaum weniger zynisch ist der zitronengelbe Plastikkellner vor dem
Restaurant-Foto. Ist dies nicht genau jenes Gelb, das der so künstlich
schmeckenden Zitronencreme von Dr. Oetker anhaftete, die man in den
Siebzigern aß? Das Gelb der siebgedruckten Flusslandschaft dagegen erinnert
an engagierte Dritte-Welt-Bücher, ebenfalls aus den Siebzigern. Und so
erwandert sich der Besucher an der Deichtorhallen-Wand quasi
revolutionär-engagiert nochmals den Amazonas.
Zugleich ist der Siebdruck in seinem Kommunikationsverhalten recht perfide:
Er verleitet zum näher Treten, doch offenbart die Nähe nicht mehr Details,
sondern weniger. Ein Trompe l'oeil, eine doppelte Verweigerung - und Signet
einer Epoche, die weder aus der Nähe noch aus der Ferne zu erfassen ist,
sich der Fokussierung permanent entzieht.
Genau genommen beleuchtet also Fritsch die 70er Jahre mit Methoden, die in
den 50er und 60er Jahren entstanden sind. Das klingt revolutionärer, als es
ist - eine kleine, postmoderne Zeitverzerrung, weiter nichts. Der einzige
persönliche Kommentar ist, dass die Farben deutlich blasser als damals
wirken, was dem inzwischen leicht gelangweilten Blick auf den Muff der
Siebziger geschuldet sein mag.
So wirkt die Ausstellung ein bisschen abgestanden, an anderer Stelle
dagegen recht plakativ: Brav seriell hat die Künstlerin schwarze, violette
und grüne Plastikschirme an die Decke der Deichtorhallen gehängt, garniert
mit Paris-Fotos und einer aus Kunststoffmuscheln gefertigten Frau. Eine
Anspielung auf die Muschel als tradiertes Symbol der Frau, mehr aber auch
nicht. Die Arbeit bleibt plakativ-karnevalistisch und entwickelt keine
provokativen oder gar emanzipatorischen Qualitäten. Auch die "mutig" an die
Wand gepappten Pin-Ups von 2007 verweisen auf keinerlei Gender-Diskurs oder
vergleichbar Politisches.
So drohen Fritschs Arbeiten zum - auch chronologischen - Ende des Parcours
hin flach zu werden, verlieren jene Konsum- und Moderne-Kritik, die sie
einst transportiert haben mögen. Fritsch scheint in den letzten Jahren kein
neues Thema gefunden und sich stattdessen auf die Wiederholung des
Bekannten verlegt zu haben. Im Kontext des immer noch virulenten
Siebziger-Jahre-Revivals ist diese Schau aber durchaus aktuell. Gerade auch
in den Selbstzitaten.
16 Nov 2009
## AUTOREN
Petra Schellen
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