# taz.de -- Kommentar Bundespräsidentenwahl: Der Bewerbungsunfall droht | |
> Die Linke hätte vieles richtig machen können bei dieser | |
> Bundespräsidentenwahl. Doch nun sieht es wieder einmal so aus, als ob da | |
> einiges falsch läuft. | |
Eine große Runde hat sich am Donnerstag nicht auf einen Kandidaten für das | |
höchste Staatsamt einigen können. Neben der Antifaschistin Beate Klarsfeld, | |
die schon seit Tagen im Gespräch ist, stehen jetzt auch der | |
Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge und abermals die Abgeordnete | |
Luc Jochimsen auf dem linken Bewerber-Zettel. | |
Eine Entscheidung soll nun erst am Montag darüber fallen, wer am 18. März | |
gegen Joachim Gauck ins Rennen geschickt wird - in dem es für die Partei | |
nicht um Sieg geht, sondern um die öffentliche Wirkung. Doch wie sieht die | |
jetzt aus? Linken-Chefin Gesine Lötzsch hat die innerparteiliche Qual der | |
Wahl gestern als „komfortable Situation“ gedeutet - wovon aber keine Rede | |
sein kann. | |
Was als politisches Signal gegen das große Gauck-Bündnis gedacht war, die | |
Nominierung eines alternativen Bewerbers, droht stattdessen zum medialen | |
Unfall zu werden. Die Linke mache erneut keine gute Figur in der | |
Kandidatenfrage, heißt es nun überall - und das liegt nicht nur daran, dass | |
es die Partei, zumal in Sachen Gauck, ohnehin schwer hat, auf ein | |
freundlicheres Echo zu stoßen. | |
Allzu offenbar sieht es bei ihrer Bewerberkür nach Kommunikationspanne und | |
Flügelstreit aus. Es werden jetzt Stimmen laut, die es einen demokratischen | |
Vorteil nennen, wenn die Linke sogar mehrere Namen in petto hat und über | |
die eigene Auswahl transparent befindet: Nicht nur eine Alternative, sogar | |
mehrere gegen Gauck! Doch es lässt sich schwerlich ein politischer Gewinn | |
daraus erzielen, nun in einem quasi öffentlichen Verfahren zwei der drei | |
Anwärter wieder auszusortieren. | |
Welche Nachricht will man da am Montag denn verbreiten: dass die Linke | |
einer politischen Grand Dame wie Beate Klarsfeld die Tür in letzter Minute | |
vor dem Kopf zuschlägt? Dass sie sich doch gegen Christoph Butterwegge, | |
einen ausgewiesenen Kenner der bundesdeutschen Sozialpolitik entschieden | |
habe? Dass man die auch jenseits der Linken angesehene Luc Jochimsen, die | |
sich schon einmal den aussichtslosen Wahlkampf ums Präsidentenamt antat, | |
leider nicht berücksichtigen könne? | |
Was eine kritische Intervention in die Gauck-Debatte werden sollte, gerät | |
zur reinen Linkspartei-Diskussion. Scheidet Klarsfeld aus, werden das viele | |
auf die Israeldebatten in der Linken schieben oder darauf, dass die | |
Bewerberin ihre Bereitschaft sogleich mit kritischen Anmerkungen über die | |
Genossen versah. Bei einer Entscheidung gegen Butterwege wird man sagen, | |
hier habe sich eine aus dem Geist der Hartz-Proteste geborene Partei aus | |
taktischen Gründen gegen jene Person entschieden, welche am ehesten unter | |
den drei die Kritik gegen die Arbeitsmarktreformen vertritt. | |
Und würde es am Ende Luc Jochimsen noch einmal versuchen, stünde die Frage | |
im Raum, warum ausgerechnet die Bewerberin sich durchgesetzt hat, die ihrer | |
Partei empfahl, die Bundesversammlung lieber ganz zu boykottieren. Dort | |
wird der Bundespräsident, so steht es im Grundgesetz, „ohne Aussprache“ | |
gewählt. | |
Parlamentsjuristen haben den Sinn dieser Formulierung vor allem als Absage | |
an einen Wahlkampf um das höchste Staatsamt verstanden - der viel zitierten | |
Würde wegen. Eine Alternative ist aber gerade dann umso wichtiger, wenn | |
sich eine übergroße Parteien-Koalition schon vorher auf den Sieger | |
verständigt hat. Der Linken ist dabei eine große Verantwortung zugefallen - | |
kaum zu glauben, dass sie dieser jetzt noch gerecht werden kann. | |
24 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Strohschneider | |
## TAGS | |
Beate Klarsfeld | |
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