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# taz.de -- Kolumne Unbeliebt: Die Indianerfrage
> Am Montag will die Linkspartei entscheiden, wer gegen Gauck antritt. Wird
> es Luc Jochimsen? Und was sagt sie dazu?
Die Sozialistin Lukrezia Jochimsen trifft seit Jahrzehnten auf Kälte. In
den Siebzigern bekam sie als Redakteurin beim TV-Magazin "Panorama" zu
spüren, wie frostig Mächtige und Meinungsmehrheit Gesellschaftskritik
begegnen. In den Achtzigern war sie als Chefredakteurin beim Hessischen
Rundfunk selbst einigen ARD-Linken zu rot.
Als sie für die PDS 2005 in den Bundestag kam, kriegte sie mit, was es
heißt, zu einer isolierten Fraktion zu gehören. 2009 band sie sich einen
Schal um und ging zur Einweihung des Ehrenmals der Bundeswehr, auf dem
Schal stand "Raus aus dem Krieg", Soldaten brachten sie zur Polizei.
Eisig wurde es für sie, als sie 2010 gegen Gauck und Wulff antrat. Als es
hieß, sie sei nur ein taktisches Objekt ihrer Partei; sie habe sich als
Reporterin in der DDR von der Stasi reinlegen lassen; sie habe wirre Haare;
sie spalte die eigene Partei. Immerhin bekam Luc Jochimsen alle 124 Stimmen
der Linken, bevor Wulff der Präsident Deutschlands wurde.
Und Gauck der von Besserland. Seit Sonntag nimmt er ein schönes, warmes
Konsensvollbad, es duftet, der Schaum türmt sich auf, Politiker und
Journalisten sind ganz betört und sogar solche, die Gauck nicht leiden
können, müssen mit rein.
## Die Indianer? Der Fluss?
Zeit für ein Telefonat mit seiner unbeliebten Gegenkandidatin, mit Luc
Jochimsen. Ich rufe sie am Dienstag an. Treten Sie noch mal an? "Es gibt
ein Indianersprichwort: Du sollst nie an der selben Stelle zum zweiten Mal
in den Fluss steigen. Sonst entsteht der Eindruck, man kommt nicht voran."
Was sagt sie zu Gauck? "Wenn die Gerechtigkeit fehlt, können sich ganz
viele die Freiheit nicht leisten." "Die Kriegseinsätze hat er verteidigt."
"Reaktionäres Gesellschaftsbild." "Ratzfatzverfahren." Protokolliert klingt
sie empört. Aber so redet sie nicht, sie hat eine gute Fernsehstimme, ihr
Sprechrhythmus vermittelt Besonnenheit.
2010 hat sie bei ihrer Kandidatur viele gegen sich aufgebracht, weil sie
sagte, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Ist sie SED-Fan? "Ich finde,
dass es in der DDR schreckliche Seiten gegeben hat. Aber auch respektable,
vor allem am Anfang." Am Anfang? "Am Anfang hat die DDR sehr akzeptabel
versucht, mit der Vergangenheit zu brechen, und dann hat es eine mit nichts
zu entschuldigende Entwicklung gegeben."
Am Mittwoch wird sie auf [1][stern.de] wieder gefragt, ob sie noch mal
antritt. Sie sagt: "Das entscheiden andere." Ich wundere mich. Und die
Indianer? Der Fluss?
Am Donnerstag diskutiert die Linke bei einer Sitzung in Berlin.
Boykottieren? Auf stern.de war Jochimsen dafür. Es wird aber beschlossen,
jemanden zu nominieren. Wen? Wird am Montag entschieden, verkündet die
Parteispitze. Die Nazijägerin Beate Klarsfeld, die den Kanzler Kiesinger
wegen seiner NSDAP-Vergangenheit geohrfeigt hat, würde mitmachen. Der
Armutsforscher Christoph Butterwege ist auch dabei. Und noch jemand. Luc
Jochimsen.
##
Ich hatte sie auch gefragt, ob sie es auskostet, sich zur Außenseiterin zu
machen? Feine, kleine Kälteschocks? "Emotional kann man das nicht genießen.
Man kann sich nur sagen, dass die Ablehnung, die schmerzt, rationale
Ursachen hat."
Nun, sie hat ja noch den Sommer in Venedig. Im Viertel Cannaregio besitzt
sie mit Freunden ein kleines Haus, schon seit 1979 haben sie es, es gibt
sogar ein Gärtchen, das mit einer Mauer umgrenzt ist.
24 Feb 2012
## LINKS
[1] http://www.stern.de/politik/deutschland/ex-bundespraesidenten-kandidatin-jo…
## AUTOREN
Georg Löwisch
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