# taz.de -- Ermittlungen zur Neonazi-Terrorzelle: Die Waffe kam von zwei NPDlern | |
> Der ehemalige NPDler Carsten S. hat eingeräumt, die Mordwaffe der | |
> Neonaziterrorzelle NSU besorgt zu haben. Die Ermittler waren nah dran, | |
> bemerkten aber nichts. | |
Bild: Inzwischen geständig: Carsten S. bei seiner Verhaftung (m.). | |
BERLIN taz | NPD-Bundesvorstand Patrick Wieschke wiegelt auch am Freitag | |
ab. Eine Verknüpfung seiner Partei mit dem rechtsterroristischen | |
Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) oder dessen Unterstützern sehe er | |
"nach wie vor nicht". Allenfalls handle es sich um "kriminelle Handlungen | |
von Einzeltätern", die die NPD selbstredend verurteile. | |
Doch es wird schwieriger für die rechtsextreme Partei, eine Distanz zu dem | |
Mördertrio zu wahren. Der Anfang Februar festgenommene mutmaßliche | |
NSU-Helfer Carsten S. hat nun eingeräumt, zwischen Ende 1999 und Anfang | |
2000 dem NSU die Waffe übergeben zu haben, mit der offenbar neun | |
eingewanderte Kleingewerbler erschossen wurden. | |
"Hierbei handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um | |
besagte Ceska 83, welche wohl bei den später begangenen Tötungsdelikten zum | |
Einsatz kam", heißt es in einer Mitteilung von Carsten S. Anwalt. Das habe | |
eine jetzt erfolgte "Waffenidentifikation" ergeben. S. habe aber weder bei | |
der Übergabe noch später von den Morden gewusst. | |
Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigt, dass Carsten S. | |
eingeräumt habe, "die besagte Ceska beschafft zu haben". Schon bei seiner | |
Festnahme war ihm die Übergabe einer Waffe vorgeworfen worden. Damals war | |
aber noch offen, ob diese auch tatsächlich eingesetzt wurde. Das ist nun | |
geklärt. | |
Die Nachricht ist doppelt brisant. Für die NPD, bei der S. 1999 Chef des | |
Jenaer Kreisverbands und der Thüringer NPD-Parteijugend war. Und für die | |
Sicherheitsbehörden, die seit Anfang 1999 wussten, dass S. zwischenzeitlich | |
die einzige direkte Kontaktperson der untergetauchten Uwe Mundlos, Uwe | |
Böhnhardt und Beate Zschäpe war. | |
## Alleinige Kontaktperson | |
Wie aus einem als geheim eingestuften Verfassungsschutzdossier hervorgeht, | |
das der taz vorliegt, bildete Carsten S. damals ein enges Gespann mit dem | |
ebenfalls inhaftierten damaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. Beide seien | |
ab dem Frühjahr 1999 "die maßgebliche Kontaktpersonen zu den Flüchtigen | |
gewesen", heißt es in dem Dossier. | |
Da sich Wohlleben "ständig beschattet und verwanzt" gefühlt habe, habe S. | |
den direkten Kontakt zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe übernommen - mit | |
Telefonaten, im April 1999 auch mit einer Überweisung von "Spendengeldern". | |
Ab Ende 1999 habe S. "alleine den Kontakt zu den Flüchtigen gehalten", | |
notiert der Thüringer Verfassungsschutz. Über einen Mittelsmann habe er | |
auch den Kontakt zu "einer der Familien der Untergetauchten" gesucht. | |
Laut Spiegel hat Carsten S. die Waffe Ende 1999 in Chemnitz an Böhnhardt | |
überreicht, samt 50 Schuss Munition. Laut Bundesanwaltschaft war Wohlleben | |
an der Ceska-Beschaffung beteiligt. | |
Verfassungsschutz und Polizei bemerkten von der Übergabe offenbar nichts - | |
obwohl sie über einen V-Mann, den Anführer des Thüringer Heimatschutzes | |
Tino Brandt, über das Treiben von S. im Bilde war. Noch im September | |
wussten sie, dass der Jungkader nach Auslandskontakten für die | |
Untergetauchten suchte. | |
## NPD unter Druck | |
Im März 1999 sowie von Mai bis August 2000 ließen die Ermittler S. auch | |
direkt observieren. Für Ende April 2000 wird dann der Abbruch der Kontakte | |
von Carsten S. zu den Untergetauchten notiert: Der NPD-Mann bereite seinen | |
Szeneausstieg vor. 2003 zog er nach Düsseldorf, wo er zuletzt für die | |
Aidshilfe arbeitete. | |
Die NPD bringt das Geständnis weiter unter Druck. Denn auch Wohlleben war | |
lange Jahre NPD-Funktionär. Bereits kurz nach dem Untertauchen von | |
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe 1998 suchte zudem der Jenaer | |
Kameradschaftler und NPDler André K. "Unterschlupfadressen" in Berlin - | |
beim damaligen NPD-Vorstand Frank Schwerdt. | |
Wohlleben bat später seinen Thüringer Parteikollegen Thorsten Heise um | |
Hilfe - ebenso erfolglos. 1999 soll Wohlleben versucht haben, den damaligen | |
NPD-Bundesvize und Anwalt Günter Eisenecker als | |
"Vertretungsbevollmächtigten" für die untergetauchte Zschäpe zu gewinnen. | |
24 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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