# taz.de -- HYGIENE-SKANDAL: Aufnahmestopp wegen ESBL | |
> Drei Frühchen am Klinikum Bremen-Mitte weisen erneut den | |
> antibiotika-resistenten ESBL-Erreger auf. Ein neuer Aufnahmstopp wurde | |
> verhängt. | |
Bild: Klebsiellen misst man in Mikrometer - das ist das Maß für 0,001 Millime… | |
Auf der Neonatologie-Station des Klinikums Bremen-Mitte (KBM) wurden am | |
Donnerstag bei zwei Frühchen, am Freitag bei einem weiteren ESBL-erregende | |
Klebsiellen nachgewiesen. Die Station war nach dem Tod von drei Frühchen | |
erst am 9. Januar wiedereröffnet und zuvor grundlegend saniert worden, um | |
die Hygiene zu verbessern. Die Geschäftsführung der Gesundheit Nord (Geno) | |
hat in Absprache mit Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) am | |
Freitag wieder einen Aufnahmestopp verhängt. | |
Keines der drei Frühchen ist bislang an den Keimen erkrankt. "Sie sind vor | |
gut einer Woche geboren worden", so eine Geno-Sprecherin zu taz. Sie seien | |
mit über 2.000 Gramm schon etwas größer, eine Infektion sei | |
"unwahrscheinlicher". Das dritte Kind wiege nur 600 Gramm, ihm gehe es | |
gesundheitlich nicht gut. Die drei Kinder seien von den sieben weiteren | |
PatientInnen auf der Frühchen-Station getrennt worden. Bei diesen waren | |
keine ESBL-Erreger festgestellt worden. | |
"Wir sind erschrocken und betroffen", sagte die Sprecherin der | |
Gesundheitssenatorin, Karla Götz. Anders als bei dem vorangegangenen | |
Ausbruch beeilten sich diesmal alle Stellen, bei der höheren Behörde | |
Meldung zu machen. Gleich am Donnerstag kamen MitarbeiterInnen des | |
Gesundheitsamtes in die Klinik, am Freitagmorgen rief die | |
Gesundheitssenatorin das Robert-Koch-Institut zu Hilfe: "Noch am | |
Freitagabend wird ein 5-köpfiges Team eintreffen, um systematisch zu | |
untersuchen, wie es zu einem erneuten Auftreten von ESBL-Klebsiellen auf | |
dieser neonatologischen Station kommen konnte", so die Sprecherin des | |
Gesundheitsressorts. Seit Donnerstag seien die Senatorin, Vertreter der | |
Geno, sowie hinzugezogene Experten des Deutschen Beratungszentrums für | |
Hygiene mehrfach zu Krisensitzungen zusammen gekommen. | |
Der Aufnahmestopp in der Neonatologie des KBM gelte bis auf weiteres, sagte | |
Ressortsprecherin Götz. Für eine genaue Identifizierung des Keims muss eine | |
DNA-Analyse abgewartet werden. Ein Zwischenergebnis wird Anfang nächster | |
Woche erwartet. Was mit der Station passiert, wenn es sich tatsächlich um | |
den gleichen ESBL-Keim wie im Vorjahr handelt, steht in Frage. Woher der | |
Keim stammt ist laut Geno bislang völlig unklar. Gesundheitssenatorin | |
Jürgens-Pieper ordnete am Freitag ein Screening des Stations-Personals an. | |
"Das betrifft etwa 50 Personen, die auf der Station arbeiten", so Götz. | |
Zwei Mal werden Abstriche genommen. | |
Die antibiotika-resistenten Keime wurden bei einer wöchentlichen | |
Routineuntersuchungen gefunden, die als Konsequenz aus dem Hygiene-Skandal | |
des letzten Jahres auf der Frühchen-Station eingeführt wurde. Seit April | |
2011 war bei insgesamt 23 Frühchen der Krankenhauskeim nachgewiesen worden, | |
drei waren daran gestorben. Der Chefarzt der Neonatolgie, Hans-Iko | |
Huppertz, wurde nach Bekanntwerden im November fristlos entlassen, die | |
Staatsanwaltschaft ermittelt. Bislang, sagt Huppertz, habe er keine | |
schriftliche Begründung für seine Entlassung erhalten. Ein | |
parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Bremischen Bürgerschaft | |
befasst sich seitdem mit den Vorfällen. | |
Klaus-Dieter Zastrow, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für | |
Krankenhaushygiene, sagte am Freitag zu taz, es sei "ganz klar ein neuer | |
Ausbruch", von dem er "überhaupt nicht überrascht" sei. "Auf jeden Fall | |
handelt es sich hier um einen Hygiene-Fehler, gar keine Frage". Seines | |
Wissens seien die Keime bei den Müttern nicht nachgewiesen worden, "also | |
kann es nur vom Personal kommen". Der Keim werde durch einfache | |
Hände-Desinfektion abgetötet. "Man muss die Arbeitsabläufe, den | |
Hygiene-Plan und den Pflegestandard knallhart überprüfen". Zastrow hatte | |
bereits im Januar vor dem Untersuchungsausschuss gewarnt, dass bei einer | |
Neueröffnung der Station vermutlich die gleichen Fehler gemacht werden | |
würden. | |
Dirk Olbertz, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Neonatologie und | |
pädiatrische Intensivmedizin, sagte, grundsätzlich sei keine Station | |
keimfrei. Bei Erwachsenen sei eine ESBL-Erkrankung meist nicht so | |
schwerwiegend, Frühchen aber "stark infekt-anfällig": "Bei ihnen ist das | |
Risiko, dass ESBL-Erreger schwerste Erkrankungen verursachen sehr hoch", so | |
Olbertz zur taz. "Das größte Problem ist die Übertragung, die muss | |
unbedingt vermieden werden." Etwa 20 Prozent aller Frühgeborenen hätten mit | |
Infektionen zu tun, nicht immer auf Grund multi-resistenter Erreger: "Die | |
Hauptursache für Frühgeburten ist ja, weil es zu einer Infektion in der | |
Fruchthöhle gekommen ist." Deshalb würden Frühchen auch sehr frühzeitig mit | |
Antibiotika behandelt, wodurch die Entwicklung von resistenten Erregern | |
gefördert wird. Das Problem der Resistenzen liege jedoch auch am Einsatz | |
von Antibiotika in der Tierzucht. "Die Medizin allein kann das Problem | |
nicht lösen", so Olbertz. | |
Für den gesundheitspolitischen Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, | |
Rainer Bensch, stellt sich die Frage, ob die Wiedereröffnung der | |
Frühgeborenen-Station voreilig war. "Dass nach wie vor kein Facharzt als | |
Krankenhaus-Hygieniker am Klinikum Bremen-Mitte tätig ist, stimmt | |
nachdenklich". Der zuständiger Krankenhaushygieniker ist dort ein | |
Diplom-Biologe. Laut Hygiene-Experte Zastrow muss diese Stelle jedoch von | |
einem Arzt besetzt sein. Für den gesundheitspolitischen Sprecher der | |
Linkspartei, Peter Erlanson, liegt das Problem weiterhin in der personellen | |
Unterbesetzung. "Seit der Zusammenziehung der Frühgeborenen-Behandlung am | |
KBM hat es laufend Probleme gegeben", so Erlanson. | |
24 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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