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# taz.de -- Parlamentswahl in Iran: Das grüne Scheitern
> Heute wird im Iran ein neues Parlament gewählt. Von der Grünen Bewegung,
> die 2009 vier Monate lang demonstrierte, ist nicht mehr viel zu sehen.
Bild: 2009 hatte die Grüne Bewegung große Hoffnung auf Veränderungen im Iran.
BERLIN taz | Um die Grüne Bewegung im Iran ist es still geworden. Sie, die
als Vorläufer der Rebellionen in den arabischen Staaten gilt, hatte sich
2009 zur Präsidentschaftswahl formiert. Zur [1][Parlamentswahl am Freitag]
ruft die Opposition zum Boykott auf, Proteste wie 2009 gibt es nicht.
Millionen Menschen, insbesondere Jugendliche, hatten die Wahl damals als
Chance für eine freiere und offenere Gesellschaft wahrgenommen und sich
aktiv und fantasievoll am Wahlkampf für die Kandidaten der Reformer Mir
Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi beteiligt.
Alles deutete auf Sieg. Doch durch eklatanten Wahlbetrug setzte sich nicht
der Wille der Mehrheit, sondern der der konservativen Machthaber durch.
Das Volk reagierte mit landesweiten Massenprotesten. „Gebt mir meine Stimme
zurück“, riefen die Demonstranten. Die ultrakonservativen Machthaber
reagierten mit aller Härte. Tausende Oppositionelle wurden verhaftet. Viele
wurden mit Folter zu Geständnissen gezwungen und in Schauprozessen zu
langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Vier Monate lang leisteten die Protestierenden Widerstand. Doch am Ende
gelang es dem Regime, sie enttäuscht und resigniert von den Straßen zu
vertreiben.
## Zu wenig Unterstützung
Das brutale Vorgehen gegen Andersdenkende erinnerte an die ersten Jahren
der Revolution, als es den neuen Machthabern darum ging, sämtliche
Oppositionelle, Linke, Liberale, Nationalisten zu liquidieren. Warum die
Opposition im Sommer 2009 nicht länger Widerstand leisten konnte, auch
trotz der massiven Gewalt, bleibt die Frage.
Zum einen lag es wohl daran, dass die Bewegung wenig Unterstützung aus dem
Ausland erhielt. Zwar machten die Proteste über Wochen weltweit
Schlagzeilen. Aber es gab, abgesehen von verbalen Protesten einiger
Regierungen, keinen Versuch, das Regime in Teheran unter Druck zu setzen.
Im Gegenteil, als die Bewegung im September 2009 einen Höhepunkt erreicht
hatte, lenkten die westlichen Staaten die Aufmerksamkeit wieder auf den
Streit über das iranische Atomprogramm.
Die wichtigeren Gründe für das Scheitern lagen jedoch bei der Opposition
selbst. Sie war heterogen. Es gab keine gemeinsamen Ziele, kein
einheitliches Programm. Linke, Laizisten, Demokraten strebten einen
Regimewechsel an. Das islamische Lager hatte jedoch eine Liberalisierung
des bestehenden islamischen Staats zum Ziel. Die beiden führenden Politiker
Mussawi und Karrubi betonten immer wieder ihre Treue zu der Verfassung der
Islamischen Republik.
Ein großer Teil der Bewegung bestand aber auch aus Jugendlichen, die ohne
bestimmte politische Vorstellungen einfach eine andere Gesellschaft
verlangten, in der sie sich frei entfalten konnten. Es war wohl
vorauszusehen, dass allein die gemeinsame Forderung nach der Annullierung
der Wahl für einen längeren Zusammenhalt nicht ausreichen würde.
## Bewegung der Städter
Ein weiterer Mangel der Bewegung bestand darin, die benachteiligten
Schichten der Gesellschaft nicht zu erreichen. Dazu hätten ökonomische und
soziale Forderungen gestellt werden müssen. So blieb die Bewegung auf
bestimmte Schichten der Stadtbevölkerung beschränkt. Es gab kaum Streiks in
den Fabriken, kaum Proteste bei der Landbevölkerung, ohne die eine Bewegung
nicht von langer Dauer sein kann.
Ermuntert von den Rebellionen in der arabischen Welt, versuchte die Grüne
Bewegung im vergangenen Jahr sich noch einmal zu Wort zu melden. Doch die
Teilnahme an der angekündigten Solidaritätsdemonstration mit den arabischen
Völkern entsprach nicht den Erwartungen. Seitdem befinden sich Mussawi und
Karrubi in Hausarrest und haben keine Verbindung zur Außenwelt.
Hunderte namhafte Aktivisten sind immer noch im Gefängnis, einige sind ins
Ausland geflüchtet. Die Enttäuschung über das Scheitern der Bewegung ist,
insbesondere bei Jugendlichen, sehr groß.
Das Scheitern bedeutet jedoch nicht, dass keine Opposition mehr im Land
existiert. Die weit verbreitete Unzufriedenheit und der passive Widerstand
können angesichts der katastrophalen Lage der Politik und Wirtschaft des
Landes jederzeit wieder zu einer landesweiten Rebellion führen.
2 Mar 2012
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-im-Iran/!88762/
## AUTOREN
Bahman Nirumand
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