Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ex-Profi über Homophobie im Fussball: „Es wird bald das erste Ou…
> Im Fußball gilt allein das Leistungsprinzip, sagt Bastian Reinhardt. Der
> Ex-Profi hat deshalb nur wenig Bedenken, falls ein schwuler Profi
> öffentlich seine Orientierung preisgibt.
Bild: Machte für den Hamburger SV 132 Bundesligaspiele: Bastian Reinhardt.
taz: Herr Reinhardt, Sie haben bis vor zwei Jahren in der Bundesliga
gespielt, waren dann Sportchef beim Hamburger Sportverein und sind jetzt
Leiter der Jugendabteilung. Sie engagieren sich für Kinder, die beim Kicken
auffällig aggressiv werden, und setzen sich auch dafür ein, dass
Homosexualität im Fußball enttabuisiert wird.
Bastian Reinhardt: Ich war zu einem Schwulen-Fußballturnier in Hamburg
eingeladen, um auf der Siegerehrung die Grußworte des HSV-Vorstands zu
überbringen. Dort habe ich mich dafür ausgesprochen, Homosexualität im
Leistungssport und im Fußball nicht mehr totzuschweigen.
Warum machen Sie das? Was treibt Sie an?
Menschen, die wie ich auch in der Öffentlichkeit stehen, haben eine gewisse
Vorbildfunktion. Indem Sie vorangehen, Initiative und Zivilcourage zeigen,
können sie etwas bewegen. Diese Möglichkeit habe ich auch. Mir ist in
meinem Leben viel Gutes widerfahren, und ich möchte jetzt etwas
zurückgeben.
Viele Prominente sind homosexuell und akzeptiert, Politiker, Journalisten
und Wissenschaftler. Warum ist dieses Thema für den Leistungssport und
gerade für den Fußball so schwierig?
Sie sind im Fußball das ganze Jahr in einer Gruppe von Männern zusammen.
Der Sport hat viel mit Körperkontakt zu tun. In einer Mannschaft ist man
aufeinander angewiesen. Es gibt eine starke Gruppendynamik. Und sich unter
diesen Rahmenbedingungen zu outen, ist bestimmt enorm schwierig. Nehmen wir
einmal an, ein Fußballprofi würde sich zur Homosexualität bekennen, dann
würde es schon Mitspieler geben, die damit ein Problem hätten. Die Angst,
von Fans abgelehnt zu werden, wäre sehr groß. Hinzu kommen die heftigen
Reaktionen der Medien und der Druck der Öffentlichkeit. Derjenige würde
sich ja selbst ins Rampenlicht zerren und freiwillig sein Privatleben
preisgeben. Alles, was auf diesen Profi dann niederprasselt, wäre extrem.
Irgendwann wird es aber diesen Fußballprofi geben, und dann müssen wir uns
alle damit auseinandersetzen. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit,
bis es so weit sein wird.
Spieler mit anderer Hautfarbe oder besonderem Charakter müssen doch auch um
Anerkennung kämpfen und haben Angst vor Ausgrenzung.
Es gab irgendwann auch den ersten farbigen Spieler in der Bundesliga. Ich
bin nicht sicher, war es Samy Sané? Jedenfalls interessiert es heute
niemanden mehr, welche Hautfarbe ein Spieler hat.
Weil Sportler doch nur an ihrer Leistung gemessen werden?
Genau. Den Verantwortlichen geht es zuerst um die Leistung, aber eben auch
darum, wie ein Spieler sich in die Mannschaft einfügen kann.
Könnte ein schwuler Fußballprofi nicht allein durch Leistung überzeugen?
Natürlich, aber auch wenn seine Leistung überzeugend ist, wäre solch ein
Tabubruch ein Riesenthema. Dieser Profi würde vielleicht jahrelang nicht
aus den Schlagzeilen kommen. Ein Outing würde vermutlich hohe Wellen
schlagen und ein normales Leben behindern.
Ein Fußballer, der sich outet, würde doch als Pionier viel Bewunderung
ernten, ähnlich wie ein Sebastian Deisler, der sich als Erster zur
Depression bekannte.
Der Mut würde honoriert werden. Er würde Bewunderung bekommen, ganz klar.
Doch die Angst vor Ausgrenzung ist wahrscheinlich größer. Ich glaube aber,
irgendwann wird es den Ersten geben, der sich traut.
Wird dieses Tabuthema nicht intern diskutiert? Mannschaftskameraden sind
doch auch Freunde.
In einer Gruppe von Männern geht es selten um private Dinge. Man unterhält
sich über den Sport und anderes. Ihr Privatleben behalten Männer gern für
sich. Jedem normal denkenden Menschen sollte dennoch klar sein, dass es
Homosexualität auch unter Profifußballern gibt. Für mich wäre es kein
Problem gewesen, einen schwulen Mitspieler zu haben.
Was glauben Sie, wie lange die Tabuisierung im Profifußball noch anhält?
Wenn man bedenkt, wie die allgemeine Akzeptanz von Homosexualität in den
letzten Jahren zugenommen hat, wird es bald auch den ersten schwulen Profi
geben, der sich dazu bekennt.
3 Mar 2012
## AUTOREN
Christian Gehrke
## TAGS
Tribüne
## ARTIKEL ZUM THEMA
Stehplätze in Fußballstadien: Steh auf, wenn du nen Sitzplatz hast!
Aus Fans, die auf den billigen Plätzen stehen, werden Verbrecher gemacht.
Doch die Gefahr lauert in den Stadien anderswo: auf den gemütlichen Sitzen.
Schwules Schützenkönigspaar: Diskriminierung rechtswidrig
Die deutsche Schützenbruderschaft darf einen homosexuellen Schützenkönig
nicht benachteiligen. Das fordert die Antidiskriminierungsstelle des
Bundes.
Fußball-Bundesliga: Motorpsycho in der Kurve
Köln spielte 1:0 gegen Hertha BSC. Dabei gab es Rote Karten, frei drehende
Funktionäre und einen Trainer als Derwisch: Am Rhein regiert endlich wieder
der Wahnsinn.
Kolumne American Pie: „Bountygate“ – Kopfgeld im US-Football
Die New Orleans Saints und andere NFL-Teams haben Prämien für die
Eliminierung gegnerischer Spieler bezahlt. Footballikone Brett Favre
nimmt's gelassen: „Das ist eben Football.“
Ehemaliger NBA-Profi über Homophobie: "Wörter sind nicht das Problem"
John Amaechi musste als Basketballprofi sein Schwulsein verheimlichen.
Heute kämpft er gegen Diskriminierung und spricht über die Ignoranz von
Institutionen und Fans.
Pöbeleien gegen Toleranzprojekt: Homophobie in der Fankurve
Fußballfans beziehen in deutschen Stadien mit einem Banner Stellung gegen
Homophobie. Die Aktion ist selbstorganisiert - und kommt nicht überall gut
an.
Homophobie-Vorwurf gegen BVB-Keeper: "Besonders widerwärtig"
Roman Weidenfeller beklagt, dass ihn Joachim Löw nicht ins DFB-Team
einlädt. Vielleicht solle er "zierlicher" werden, so der Torwart. Nun gilt
er als schwulenfeindlich.
Der Hamburger SV: Eine Bilanz: Saison zu Ende, HSV streitet weiter
Die Hamburger wissen nicht, was sie im Profifußball wollen, und tragen ihre
Konflikte mit Indiskretionen aus. Ein Teil der Medien spielt Vorstand und
Trainer. Die Mannschaft spiegelt das Drama auf dem Rasen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.