# taz.de -- Neuer Nationalpark im Schwarzwald: Mit Urängsten gegen die Natur | |
> Mit einem weiteren Anlauf für den „Nationalpark Nordschwarzwald“ | |
> provoziert Grün-Rot empörte Reaktionen. Der Park sei doch nur ein | |
> „Selbstzweck für die Naturschutzideologie“. | |
Bild: Ländliches Idyll: der Nordschwarzwald am Aussichtspunkt Wildseeblick. | |
STUTTGART taz | Die Menschen müssen lernen, dass sie nicht alles steuern | |
können - davon ist Thomas Fritz überzeugt. „Dazu gehört eben auch das | |
Sterben eines Baumes“, sagt er. | |
Fritz ist Lehrer und Waldpädagoge - und für einen Nationalpark in | |
Baden-Württemberg. Eine Idee, die es schon seit 20 Jahren gibt, doch | |
bislang am Widerstand vor Ort gescheitert ist. Nun hat Grün-Rot mit dem | |
Regierungswechsel das Thema neu auf die Tagesordnung gesetzt - und versucht | |
erst einmal, die Diskussion vor Ort zu versachlichen. | |
„Ich erlebe, dass hier Ängste vorhanden sind, Urängste“, sagt Fritz, der | |
die Diskussion vor Ort verfolgt. Er macht sich mit dem „Freundeskreis | |
Nationalpark Schwarzwald“ für die Einrichtung stark. Ihnen gegenüber steht | |
die Interessensgemeinschaft „Unser Nordschwarzwald“, die die Ängste | |
aufgreift und gegen einen Nationalpark mobil macht. Die Argumente der | |
Gegner-Initiative lassen sich in drei Stichworte fassen: Holzindustrie, | |
Borkenkäfer, Betretungsverbot. | |
Bei dem Nationalpark geht es um eine zehn mal zehn Kilometer große Fläche | |
im Nordschwarzwald, aus der sich der Mensch nach und nach zurückziehen | |
würde und die Natur sich selbst überlassen würde. Besucher dürften den Wald | |
weiterhin betreten, aber nur auf vorgesehenen Wegen. | |
Entsprechend warnen die Gegner im Internet vor einem „großflächigen | |
Versuchslabor aus Selbstzweck für die Naturschutzideologie“ - öffentlich | |
äußert sich kaum einer. Den nachwachsenden Rohstoff Holz nicht zu nutzen, | |
sei wirtschaftlicher Selbstmord, und Verbote und Nutzungseinschränkungen | |
für Waldbesucher seien programmiert. | |
## Bildung, Kultur, Tourismus | |
Andre Baumann vom Naturschutzbund (Nabu) wünscht sich ein wenig mehr | |
Gelassenheit in der Diskussion. „Man möchte die Menschen in die Kernzonen | |
lassen. Ein Nationalpark ist ein Instrument, um Menschen an die natürlichen | |
Prozesse und an die Wildnis heranzuführen“, sagt er. | |
Es könnten Bildungseinrichtungen entstehen und kulturelle Events | |
veranstaltet werden. „Das ist auch touristisch interessant“. Schließlich | |
sei ein Nationalpark auch ein kulturelles Projekt. „Wenn der Mensch nicht | |
mehr eingreifen darf, darf er auch nicht mehr beurteilen, was gut und was | |
schlecht ist.“ Wenn Tierarten aussterben würden, sei das so. Und wenn sich | |
der Borkenkäfer ausbreiten würde, sei das eben auch so. | |
Allerdings würde der Wald in einer Übergangszeit von 30 Jahren nur ganz | |
allmählich auf die Wildnis vorbereitet. Dieses Konzept des | |
Entwicklungsnationalparks würde es ermöglichen, dass der Wald erst umgebaut | |
und früh gegen Borkenkäfer vorgegangen werden könnte. | |
Und während die einen den Untergang der Holzindustrie fürchten, setzen | |
andere auf einen großen Gewinn für den Tourismus - der inzwischen | |
wichtigste Wirtschaftszweig in der Region. “Ein Nationalpark wäre ein | |
wichtiger Impuls für die Region - nicht nur aus der Sicht des | |
Naturschutzes, sondern auch in Bezug auf den Tourismus und die Wirtschaft“, | |
sagte Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) der taz. | |
## Wenn du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis | |
Überprüft werden soll diese Einschätzung durch ein unabhängiges Gutachten, | |
das die Landesregierung aktuell ausgeschrieben hat. Es soll die Chancen und | |
Risiken aufzeigen und damit zur Versachlichung beitragen. Geplant sind | |
zudem Arbeitskreise, in denen sich Experten vor Ort und die Gutachter | |
austauschen sollen. | |
„Vor Ort gibt es sehr viel Sachverstand, den wir über regionale | |
Arbeitskreise mit einbinden“, so Bonde. Damit ein Nationalpark seine | |
positive Wirkung voll entfalten kann, müsse er aus der Region mitgetragen | |
werden. | |
„Ich kann mir kein anderes Verfahren vorstellen, das demokratischer und | |
näher am Bürger sein kann“, sagt Befürworter Thomas Fritz. „Die | |
Landesregierung hätte das Gesetzesvorhaben schließlich auch innerhalb von | |
wenigen Wochen durchpeitschen können.“ | |
Das Gutachten soll Ende des Jahres fertig gestellt sein, um mit den | |
Ergebnissen den Diskussionsprozess im Laufe des nächsten Jahres | |
fortzuführen. Erst dann soll eine endgültige Entscheidung fallen. | |
5 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Nadine Michel | |
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