# taz.de -- UN arbeitet Libyen-Krieg auf: Nato-Angriffe waren korrekt | |
> Die Nato operierte korrekt, Gaddafis Truppen begingen Massaker. Auch die | |
> herrschenden einstigen Rebellen verüben Verbrechen. Zu diesem Schluss | |
> kommt der UN-Bericht. | |
Bild: Zerstörtes Gebäude in Majer nach einem Nato-Angriff. | |
BERLIN taz | Die Nato führte in Libyen vergangenes Jahr „einen höchst | |
präzisen Einsatz mit der nachweislichen Entschlossenheit, zivile Opfer zu | |
vermeiden“. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchungskommission des | |
UN-Menschenrechtsrats in einem ausführlichen Bericht, der am Freitag im | |
Entwurf vorgelegt wurde. | |
Die unabhängige Kommission unter Leitung des früheren Präsidenten des | |
Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, Philippe Kirsch, | |
wirft der Nato insgesamt den Tod von 60 Zivilisten bei fünf Luftangriffen | |
vor, hauptsächlich bei der Bombardierung des Ortes Majer am 8. August, als | |
34 Menschen starben. | |
Die damalige Gaddafi-Regierung habe viel mehr Nato-Opfer gemeldet, „aber | |
spätere Aussagen früherer Regimemitglieder sowie eigene Interviews an den | |
Schauplätzen bestätigten der Kommission, dass die Regierung das Ausmaß | |
ziviler Opfer wissentlich verfälschte“. | |
Der UN-Bericht wurde bereits im Februar 2011 in Auftrag gegeben, in | |
Reaktion auf Massaker des damaligen Regimes an friedlichen Demonstranten, | |
aber bevor im März der Nato-Luftkrieg gegen das Gaddafi-Regime begann. Ein | |
erster Bericht wurde während des Krieges vorgelegt, im Juni. Im Oktober, | |
nach dem Ende des Gaddafi-Regimes, kehrte die UN-Kommission für zwei Monate | |
nach Libyen zurück. | |
Detailliert wird aufgelistet, wie ab 18. Februar 2011 in Bengasi, Misurata, | |
Tripoli, Sawija und anderen Orten unbewaffnete Demonstranten gezielt von | |
Einheiten des Regimes angegriffen wurden. Allein in Tripoli wurden am 20. | |
und 21. Februar über 200 durch Schüsse Getötete in Leichenhäuser | |
eingeliefert. Es gebe „ausreichende Beweise für verbreitete und | |
systematische Angriffe auf Zivilisten“. | |
Insgesamt sei den Gaddafi-Truppen „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen | |
die Menschlichkeit“ vorzuwerfen. Aus den späteren Kriegsmonaten wird den | |
Gaddafi-Truppen vor allem die Massenhinrichtung von Gefangenen vorgehalten. | |
In zahlreichen Orten hätten vorrückende Rebellen Massengräber gefunden. | |
Gegen die libyschen Rebellen, die heute das Land beherrschen, erhebt der | |
UN-Bericht ebenfalls schwere Vorwürfe. Die „thuwar“ – der Sammelbegriff … | |
Berichts für die Anti-Gaddafi-Kämpfer – hätten ebenfalls „Kriegsverbrech… | |
begangen und würden weiterhin „widerrechtliche Tötungen, wahllose | |
Festnahmen, Folter, Verschwindenlassen, wahllose Angriffe und Plünderung“ | |
begehen. | |
## Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
Hervorzuheben seien die Übergriffe von Milizen aus Misurata, das zuvor | |
besonders schwer unter der Belagerung durch Gaddafis Truppen zu leiden | |
hatte. Ihre Opfer waren tschadische Migranten, Gaddafi-treue Kämpfer sowie | |
die Bewohner des von Libyens schwarzer Minderheit bewohnten Ortes Tawergha, | |
der komplett zerstört worden ist. | |
Ferner hätten Kämpfer aus Sintan die Mashashiya-Gemeinschaft verfolgt, | |
Kämpfer aus Nalut die Bewohner des Ortes Tiji, Kämpfer aus Zuwara die | |
Bewohner des Ortes Abu Kammesh. | |
Die Übergriffe der Misurata-Milizionäre seien aufgrund ihrer „verbreiteten | |
und systematischen Art“ möglicherweise als „Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit“ zu werten. | |
„Während die Übergangsregierung eine Verpflichtung hat erkennen lassen, die | |
Menschenrechtslage in Libyen zu verbessern, wird sie erhebliche | |
Unterstützung durch die Vereinten Nationen und die internationale | |
Gemeinschaft brauchen, um dieses Ziel zu erreichen“, schlussfolgert der | |
Bericht. So müssten Schauplätze von Verbrechen gesichert, Übergriffe | |
verhindert und alle Häftlinge unter staatliche Aufsicht gebracht werden. | |
6 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Libyen und die alten Konfilkte : Wüste der Feindseligkeit | |
Der Arm des Staates reicht nicht mehr bis in den Süden. In Kufra stehen | |
sich arabische Zuweia und schwarzafrikanische Toubou gegenüber. | |
Revolutionäre versuchen zu vermitteln. | |
Nach der Revolution in Libyen: Bengasi will Autonomie | |
Im Süden des Landes droht die Abspaltung, bei Kämpfen gab es Dutzende | |
Verletzte. Der Osten um Bengasi will indes mehr Eigenständigkeit. | |
Frauenrechte in Libyen: "Wir müssen nicht ihre Hände küssen" | |
Die libysche Revolution hat den Frauen im Land neue Freiheiten gebracht. | |
Asma und Magdoulin kämpfen dagegen, dass man sie ihnen wieder nimmt. | |
Kommentar Libyen: Neue Stabilität erblüht nicht spontan | |
Der Bericht des UN-Menschenrechtsrats ist eine gute Grundlage für die | |
Libyer, um Aufarbeitung, Aufklärung und Versöhnung ihrer Geschichte zu | |
unterstützen. | |
Libyen nach der Revolution: Erste freie Wahl in Misrata | |
In der schwer vom Krieg getroffenen libyschen Hafenstadt wird ein neuer | |
Stadtrat gewählt. Der Chef des Übergangsrats gibt Fehler zu und kritisiert | |
die Milizen. | |
Jahrestag des Revolutionsbeginns in Libyen: Sie wollen den Erfolg der Revolution | |
In Tripolis herrscht gute Stimmung bei den Feiern zu Beginn der Revolution | |
vor einem Jahr. Trotz aller Schwierigkeiten überwiegt die Zuversicht auf | |
eine bessere Zukunft. | |
Jahrestag Revolutionsbeginn in Libyen: Hormone und Waffen | |
Es herrscht eine zerbrechliche Machtbalance in Libyen, Ehre geht bisweilen | |
vor Gesetz. Und Macht hat, wer am meisten Feuerkraft besitzt. | |
Schrecken der Diktatur in Libyen: Gaddafi wollte Rache bis ins Jenseits | |
Seinen Feinden gönnte Gaddafi nicht mal die Totenruhe. In der Leichenhalle | |
des Zentralkrankenhauses von Tripolis verwalten Beamte den Horror von | |
einst. | |
Ägyptischer Regisseur über Libyen: "Die Frauen kämpfen für ihre Kinder" | |
Der junge ägyptische Dokumentarfilmer Osama El-Wardani hat ein | |
revolutionäres Roadmovie über Libyen gedreht. Mit der taz sprach er über | |
Identifikation und Frauen in Kairo. |