# taz.de -- Juden, Muslime und Christen diskutieren: Religionen gegen rechts | |
> Muslime, Juden und Christen diskutieren mit Polizei und Verfassungsschutz | |
> über Strategien gegen rechte Gewalt. Fazit: Man muss sich erst mal besser | |
> kennenlernen. | |
Bild: Berliner Muslime, Juden und Christen wollen sich besser austauschen. | |
„Dieser Brief war für uns zunächst reine Routine. Es war nicht der erste, | |
und es wird nicht der letzte sein“, sagt Pinar Çetin von Ditib. Zwei | |
Moscheen des türkisch-islamischen Verbands, aber auch die Berliner Jüdische | |
Gemeinde hatten den Drohbrief im Februar erhalten. Darin drohten Unbekannte | |
mit Gewalt. Auch für Maya Zehden von der Jüdischen Gemeinde, die neben | |
Çetin auf dem Podium sitzt, war es ein Brief unter vielen. „Wir fühlen uns | |
angegriffen – nicht als Juden, sondern als Deutsche.“ | |
Die Drohbriefe, aber auch die Mordserie des „NSU“ waren Anlass für die | |
Diskussion, zu der mehrere Religionsvertreter am Montag in den ehemaligen | |
Flughafen Tempelhof eingeladen hatten. Außer Vertretern von Juden, Muslimen | |
und Christen berieten auch die amtierende Polizeipräsidentin Margarete | |
Koppers und ein Verfassungsschützer darüber, was man gemeinsam gegen die | |
rechtsextreme Bedrohung unternehmen könnte. | |
Wer hinter dem Brief steckt, ist weiterhin ungeklärt. „Diese Gruppe will | |
einfach ein Klima der Angst schaffen“, so Stephan Schlange-Schöning vom | |
Berliner Verfassungsschutz. Damit ihr das nicht gelingt, wollen sich die | |
Jüdische Gemeinde zu Berlin, der Ditib-Verband, das katholische Erzbistum | |
und die evangelische Landeskirche im Verein „Treffpunkt Religion und | |
Gesellschaft“ organisieren. Offiziell gegründet ist der Verein noch nicht, | |
obwohl das seit 2009 angestrebt wird. Im Mai soll es endlich so weit sein – | |
ein Hinweis darauf, wie schwierig der Dialog zwischen den Religionen immer | |
noch ist. | |
Das wird auch daran deutlich, dass die Vertreter der Glaubensgruppen immer | |
wieder betonen, wie wichtig das Reden miteinander sei. „Wir müssen | |
Konflikte offen ansprechen“, fordert Maya Zehden. Mitreden soll aber nicht | |
jeder, zumindest nicht im Verein: Roma und Sinti zum Beispiel sollen | |
draußen bleiben, weil sie sich, so Zehden, nicht als religiöse Gruppe | |
definierten. | |
Der Dialog zwischen den Religionen ist das eine Thema, der Dialog mit der | |
Gesellschaft das andere. „Wir müssen auch an den Alltagsrassismus denken“, | |
mahnt ein Redner aus dem Publikum. Schnell fällt der Fokus auf die Polizei | |
– was tut sie, um Rassismus zu bekämpfen? „Schulungen und die Kollegen vor | |
Ort sensibilisieren“, beteuert Polizeichefin Koppers, „oft entsteht | |
Rassismus nicht durch bösen Willen, sondern durch Unkenntnis.“ Dass die | |
Probleme auch struktureller Natur sind, findet sie nicht. Es seien | |
bedauerliche Einzelfälle. Trotzdem gibt Koppers zu, dass bislang nicht | |
alles optimal gelaufen ist. Seit Mai 2011 gibt es das Büro für Integration | |
und Migration, das sich um die Bekämpfung von Rassismus in der Polizei | |
kümmern soll. „Leider ist dabei bisher nicht viel rumgekommen.“ Eine | |
Umstrukturierung soll nun helfen. | |
## Niemand ist gefeit | |
Dass niemand vor Alltagsrassismus gefeit ist, gibt abschließend Elisabeth | |
Kruse zu bedenken, die für die evangelische Kirche in der Runde sitzt: „Wir | |
müssen uns gegenseitig darauf aufmerksam machen, wenn wir selbst latent | |
fremdenfeindlich werden“, fordert sie. Und ergänzt: „Auch mir passiert das | |
manchmal.“ | |
6 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaas-Wilhelm Brandenburg | |
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