# taz.de -- Kommentar Ikea: Wohnst du noch oder streikst du schon? | |
> Der nächste Einkauf bei Ikea könnte schöner werden. Wenn die weltweite | |
> gewerkschaftliche Organisierung der Ikea-Angestellten gelingt und Schule | |
> macht. | |
Ikea goes global. Doch dieses Mal gründet der Elch nicht eine weitere | |
Filiale weit weg von Schweden, sondern jetzt tun es die Beschäftigten dem | |
Konzern gleich. Zwanzig Gewerkschaften aus 14 Ländern haben sich am | |
Donnerstag zu einer globalen Allianz zusammengeschlossen, um zu erreichen, | |
dass alle rund 100.000 MitarbeiterInnen des Konzerns zu gleichen | |
Bedingungen arbeiten. | |
Denn während in Nordeuropa die Sozialpartnerschaft funktioniert, wird in | |
Südeuropa, Asien und Südamerika geheuert und gefeuert, wie es den dortigen | |
Chefs passt. | |
Das ist selbstverständlich nicht nur bei Ikea so. Alle global tätigen | |
Konzerne nutzen gnadenlos die niedrigen arbeitsrechtlichen Standards in | |
vielen Schwellen- und Drittweltländern aus, um ihre Produkte dort zu | |
Billigstlöhnen und unter oft katastrophalen Arbeitsbedingungen anfertigen | |
zu lassen. | |
Egal ob Apple, Ikea oder Daimler-Benz, die Sonntagsreden über angeblich | |
hohe ethische Standards im Konzern sind sofort vergessen in Gegenden, wo | |
niemand mehr hinschaut. Deshalb ist es so wichtig, dass Konzerne, die | |
weltweit operieren, auch mit einer global organisierten Arbeitnehmerschaft | |
konfrontiert sind. | |
Das zu erreichen, ist für Gewerkschaften natürlich ungleich schwieriger als | |
für Konzerne. Zu den rechtlichen und kulturellen Unterschieden in Ost und | |
West, Nord und Süd kommen finanzielle Probleme und Konzerntaktiken, | |
Belegschaften gegeneinander auszuspielen. | |
Doch die Konzerne haben eine Achillesferse. Sie verkaufen ihr Ware auch mit | |
ihrem guten Image. Möbel, iPads oder Autos sind Wohlfühlgegenstände, und | |
ihre Käufer in den reicheren Weltgegenden wollen nicht damit belastet | |
werden, dass sie von Arbeitssklaven hergestellt oder vertrieben werden. | |
Wenn auf diese Arbeitsbedingungen hingewiesen wird, wenn gar Gewerkschafter | |
in Deutschland, Schweden oder Frankreich ihre Kollegen in Brasilien, | |
Malaysia oder der Türkei mit Proteststreiks unterstützen, sind solche | |
Konzerne schon aus Imagegründen oft bereit, auch an der Peripherie | |
menschenwürdige Arbeitsbedingungen herzustellen. | |
Das Wissen um diese Möglichkeit ist nicht neu, doch die Umsetzung für die | |
Gewerkschaften ist eben nicht so einfach. Deshalb sind Beispiele wie die | |
Organisierung jetzt bei Ikea so wichtig, weil sie, wenn sie Erfolg haben, | |
Schule machen werden. Der nächste Einkauf bei Ikea wird dann noch schöner. | |
8 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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