# taz.de -- Europas Umweltpolitik: Doppeltes Debakel | |
> Die EU-Umweltminister können sich nicht auf Regeln zur Gentechnik | |
> einigen. Und Polen verhindert wieder mal die Anhebung des Klimaziels auf | |
> 25 Prozent, die 26 Staaten wollen. | |
Bild: Gentechnisch veränderte Lebensmittel, wie hier die BASF-Superkartoffel �… | |
Die Europäische Union kommt gleich bei zwei wichtigen Umweltthemen nicht | |
voran. Das Treffen der Umweltminister am Freitag endete am späten Abend mit | |
einem doppelten Debakel: Weder eine gemeinsame Regelung für den Umgang mit | |
gentechnisch veränderten Pflanzen wurde gefunden, noch konnten sich die 27 | |
EU-Mitgliedsländer auf höhere Klimaschutzziele bis 2050 einigen. | |
Dementsprechend sauer war die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard, und sie | |
machte daraus auch keinen Hehl: „Die EU kann so nicht arbeiten. Es kann | |
nicht sein, dass ein einziges Land alle anderen blockiert und ihnen die | |
Politik diktiert“, sagte Hedegaard. | |
Sie meinte damit Polen. Denn bei den Klimazielen stellte sich nur Warschau | |
quer. Alle anderen waren bereit, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu | |
1990 bis 2020 um 25 statt wie bisher beschlossen nur um 20 Prozent zu | |
senken. So wollen die 26 Mitgliedstaaten die Weichen stellen für das | |
Gesamtziel für 2050. Bis dahin sollen die Emissionen nämlich um 80 bis 95 | |
Prozent sinken. | |
Aber Polen hält das für unrealistisch. 95 Prozent des polnischen Stroms | |
wird in Kohlekraftwerken produziert. Und – so schrieb der polnische | |
Umweltminister Marcin Korolec in einem Brief vor dem Treffen – in der | |
aktuellen wirtschaftlichen Krise sei es unverantwortlich, schärfere Ziele | |
zu vereinbaren. | |
## „Die Uneinigkeit war zu groß“ | |
Von diesem Standpunkt ließ er sich nicht abbringen, und der dänische | |
Umweltminister, der die Verhandlungen in Brüssel führte, glaubt nicht, dass | |
sich das so schnell ändern wird: „Ein längerer Dialog hätte sich zumindest | |
heute nicht gelohnt. Die Uneinigkeit war einfach zu groß“, sagte Martin | |
Lidegaard. Jetzt sollen die Staats- und Regierungschefs beim nächsten | |
EU-Gipfel im Juni über die Klimaziele beraten. | |
Umweltschützer fordern mehr Einsatz der deutschen Bundesregierung, um die | |
Polen zu überzeugen: „Die Bundeskanzlerin sollte klar machen, wie wichtig | |
höhere Klimaziele und ein verlässlicher Klimaschutzpfad sind. Ein | |
Sonderbotschafter sollte einen Kompromiss ausloten“, erklärte Christoph | |
Bals von Germanwatch. | |
Beim Streit über den Umgang mit Genpflanzen waren es dagegen sieben Länder, | |
die den dänischen Kompromissvorschlag ablehnten, darunter auch Deutschland. | |
„Ich bin sehr enttäuscht, vor allem weil die aktuelle Situation niemanden | |
zufriedenstellt. Aber Europa ist offenbar nicht bereit für eine neue | |
Regelung“, sagte die zuständige dänische Ministerin Ida Auken. | |
## Diskussion um genmanipulierte Pflanzen | |
Sie wollte es den EU-Staaten einfacher machen, regionale Anbauverbote für | |
Genpflanzen zu verhängen. Bisher entscheidet die Europäische Kommission | |
über die Zulassung genmanipulierter Pflanzen. Einzelne Länder können den | |
Anbau bislang nur verbieten, wenn sie eine Gefahr für Umwelt oder | |
Gesundheit wissenschaftlich nachweisen können. Die Dänen wollten, dass die | |
Staaten schon vor der EU-weiten Zulassung mit den Saatgutfirmen Ausnahmen | |
für regionale Verbote aushandeln können. | |
Die deutsche Bundesregierung befürchtet, dass das zu Streitfällen im Rahmen | |
der Welthandelsorganisation führen könnte. Ein solches Puzzle widerspreche | |
den Grundsätzen des europäischen Binnenmarktes, so die deutsche Position. | |
Ob dieser Vorschlag – wie die Klimaziele – im Juni noch einmal auf den | |
Tisch kommt, ist unsicher. Die dänische Ministerin sagte, dafür bräuchte es | |
klare Signale der Blockierer, dass sie bereit seien, ihre Meinung zu | |
ändern. Sonst lohne sich eine erneute Diskussion nicht. | |
11 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
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