Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bildungsforscher über Schulsysteme: „Erhebliche Unterschiede“
> Bildungsforscher Wilfried Bos über vergleichbare Schulsysteme,
> Chancengerechtigkeit und Bildungsföderalismus als Experimentierfeld.
Bild: Im Vordergrund des deutschen Bildungssystems steht zu sehr die Leistung, …
taz: Herr Bos, Sie weisen seit Jahren darauf hin, wie ungerecht das
deutsche Schulsystem ist. Mehr als 10 Jahre nach Pisa gibt nun die
[1][Bertelsmann-Stiftung einen bundesdeutschen Chancenspiegel] in Auftrag.
Wilfried Bos: Für mich ist es ein willkommener Anlass, noch einmal den
Finger in die Wunde zu legen. Chancengerechtigkeit wird im deutschen
Bildungssystem oft ausgeblendet, im Vordergrund steht die Leistung.
Die Chancengerechtigkeit ist also kein Thema für die Kultusminister?
Für einige Ministerien hat sie nicht die höchste Priorität. Manche
Bundesländer waren sehr reserviert bei der Herausgabe von Kennziffern über
ihr Bildungssystem. Sie haben sich nicht gerade darum gerissen, mit uns
zusammenzuarbeiten.
Welche Daten waren denn so geheim?
Wir haben zum Beispiel nicht herausbekommen, welche Abschlüsse Schüler mit
Förderbedarf machen, die inklusiv beschult werden, also Regelschulen
besuchen, im Vergleich zu Schülern in Sonderschulen. Ich bin mir nicht mal
sicher, ob die Länder das selbst so genau wissen wollen.
Was ist das wichtigste Ergebnis der Studie?
Generell ist das deutsche Schulsystem der Chancengleichheit nicht gerade
förderlich. Aber es lassen sich erhebliche Unterschiede zwischen den
Ländern feststellen. Kein Land ist überall top. In Sachsen zum Beispiel
gelingt es, das Schulsystem vergleichsweise durchlässig zu halten und die
Leistung dabei nicht zu vernachlässigen. Daran zeigt sich:
Chancengerechtigkeit und Leistung, das muss kein Widerspruch sein.
Kann man Sachsens Schulsystem wirklich voraussetzungslos mit dem von Bremen
oder Berlin vergleichen, wie Sie das tun? Die beiden Stadtstaaten sind in
keiner der von Ihnen untersuchten Dimensionen Spitze, aber hier ballen sich
auch die sozialen Probleme.
Wir haben uns dafür entschieden, die Ergebnisse ungewichtet
nebeneinanderzustellen. Die Frage ist, ob es gerecht ist, dass in
Metropolen so viele Menschen in prekären Verhältnissen leben oder ob man da
sozialpolitisch nicht viel stärker eingreifen muss. Aber das ist Aufgabe
der Politik.
Chancengerechtigkeit bedeutet gleiche Chancen bei ungleichen
Ausgangsbedingungen. Wieso messen Sie das Schulsystem nicht an der
Chancengleichheit?
Chancengerechtigkeit ist unsere Minimalforderung. Das heißt: Das
Schulsystem soll bestehende Unterschiede wenigstens nicht noch vergrößern.
Das ist aber zurzeit überall der Fall. Natürlich wünschen wir uns als
Pädagogen, dass das Schulsystem dazu beiträgt, soziale Unterschiede
auszugleichen.
Ist eine gesamtstaatliche Strategie da nicht hilfreicher als der bestehende
Föderalismus?
Zunächst ist der Bildungsföderalismus natürlich ein tolles
Experimentierfeld, weil er die Möglichkeit bietet, verschiedene Maßnahmen
auszuprobieren. Und das kann gut funktionieren, wenn die Länder ihre
Programme evaluieren lassen und auch bereit sind, von den besten zu lernen.
Allerdings haben wir zum Beispiel weit über 70 verschiedene Maßnahmen zur
Leseförderung gefunden, von denen kaum eine evaluiert ist. Auf dem Gebiet
der Leseförderung wäre eine grundlegende Strategie sicherlich gut.
12 Mar 2012
## LINKS
[1] /Chancengleichheit-in-Schulen/!89423/
## AUTOREN
Anna Lehmann
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bremen im Bildungsmonitor: Drittmittelboom im Bildungsgetto
Bremen schneidet beim Bildungsmonitor 2012 extrem ab. Die Studie sieht mehr
Akademiker, Abiturienten und Hochtechnologie – und zugleich knapp 30
Prozent Schlechtleser.
Medien und Bildung: Nicht länger ignorieren
Das mehrgliedrige Schulsystem in Deutschland produziert Ungerechtigkeit.
Nun fordern Medienmacher mehr Aufmerksamkeit für die Ungerechtigkeit.
Chancen im deutschen Bildungssystem: „Du und Medizin studieren? Niemals!“
Zwischen den Bundesländern gibt es extreme Unterschiede bei der Förderung
von Kindern. Politiker und Nachwuchsakademiker diskutieren, wie man mehr
Gerechtigkeit schafft.
Chancengleichheit in Schulen: Leistung und Fairness
Eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung entdeckt, dass deutsche Schulen
kreuzungerecht sind. Besonders ungerecht: Bildungserfolg ist von der
Herkunft abhängig.
Kommentar Schulsystem: Gnadenlos ungerecht
Der jüngste Ländervergleich der Bildungsforscher belegt eindrucksvoll, in
wie vielen Dimensionen deutsche Schulen scheitern können.
Probleme bei der Bildung: Gemeinsames Lernen behindert
Die "inklusive Schule" ist noch gar nicht richtig gestartet, da droht die
Idee schon zu scheitern. Die Bildungssenatorin will das Konzept zusammen
mit Eltern und Lehrern überarbeiten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.