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# taz.de -- Probleme bei der Bildung: Gemeinsames Lernen behindert
> Die "inklusive Schule" ist noch gar nicht richtig gestartet, da droht die
> Idee schon zu scheitern. Die Bildungssenatorin will das Konzept zusammen
> mit Eltern und Lehrern überarbeiten.
Bild: Gemeinsames Lernen macht Spaß - und ist eine Erfahrung fürs Leben.
Die inklusive Schule sollte der Königsweg zu mehr Gerechtigkeit und
Teilhabe für Kinder mit Behinderungen werden. "Aber inzwischen steigt die
Frustration bei allen Beteiligten", erzählt Stephanie Loos vom Verein
Elternzentrum Berlin, der Angehörige autistischer und entwicklungsgestörter
Kinder berät. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte zwar vor
wenigen Tagen im taz-Interview eine Überarbeitung des umstrittenen
Inklusionskonzepts versprochen. "Bis dahin befinden wir uns aber in einem
schrecklichen Übergangszeitraum, in dem die Idee zu scheitern droht", so
Loos.
Seit Mai 2009 gilt in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention, die
behinderten Kindern unter dem Stichwort "inklusive Schule" das Recht auf
gemeinsamen Unterricht mit nichtbehinderten Kindern einräumt. Im Berliner
Schulgesetz gilt dieser Grundsatz auf dem Papier schon seit 2004. Vor allem
dank engagierter Eltern und Lehrer nimmt die Stadt auch in der Praxis einen
bundesweiten Spitzenplatz ein: Fast 50 Prozent der Kinder mit
diagnostiziertem Förderbedarf besuchen eine integrative Schule. Dabei hat
sich die Zahl der integrierten Schüler in den vergangenen zehn Jahren auf
mehr als 10.000 fast verdoppelt.
"Aber unter welchen Bedingungen?!", schimpft Sabine Dübbers,
Bildungsreferentin bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Die vom Senat finanzierten Lehrerstellen für Integration stagnierten seit
Jahren - trotz der verdoppelten Schülerzahlen. "Einem Kind mit
Förderschwerpunkt Lernen standen vor zehn Jahren noch 4,5 Wochenstunden für
sonderpädagogische Förderung zu", so Dübbers. Inzwischen seien es 1,5 bis
2,5 Stunden. Viel zu wenig, sagen die Vertreter von Eltern und Lehrer.
Nicht einmal die an den Sonderschulen durch sinkende Schülerzahlen frei
werdenden Mittel fließen in die integrativen Schulen, bemängelt Dübbers.
Entsprechend groß war auch die Empörung, als der damalige Bildungssenator
Jürgen Zöllner (SPD) Anfang 2011 sein Konzept zur inklusiven Schule
präsentierte, das eine "kostenneutrale Umsetzung" vorsieht. Seine
Nachfolgerin Sandra Scheeres versprach nun, das Konzept zusammen mit
Eltern- und Lehrervertretern in einem Gremium zu überarbeiten. Auch
zusätzliches Geld müsse fließen.
Loos vom Elternzentrum begrüßt die Einschätzung der Bildungssenatorin:
"Niemand sagt, es muss jetzt sofort losgehen, nicht unter diesen
Bedingungen und nicht mit diesem Konzept." Sie hat selbst einen
autistischen Sohn, der in die vierte Klasse einer integrativen Schule geht.
## Schulhelfer fehlen
Nicht nur die wenigen Stellen für zusätzliche Lehrer, auch die fehlenden
Schulhelfer seien ein Dauerproblem. Die Mittel für diese Assistenten der
Schüler würden nach Budget und nicht nach tatsächlichem Bedarf vergeben,
die Beantragung sei sehr restriktiv. Häufig sei ein einziger Schulhelfer
für mehrere Schüler zuständig. "Die Kinder laufen ins offene Messer",
beschreibt Loos den Alltag vieler integrativer Schüler. Aus den Erfahrungen
anderer Bundesländer wie Hamburg oder Bremen wisse man, was passiert, wenn
die inklusive Schule unter solchen Bedingungen durchgesetzt wird: Die
Eltern der nichtbehinderten Kinder gingen auf die Barrikaden, und die Zahl
der Kinder, die zurück ins Sonderschulsystem geschickt werden, steige
deutlich. "Wir brauchen auch für den Übergangszeitraum Lösungen", fordert
daher Sabine Dübbers von der GEW.
Erst bei den Haushaltsplanungen für die Jahre 2014/15 könne über
zusätzliche Mittel verhandelt werden, sagt dagegen Senatorin Scheeres. Laut
Koalitionsvertrag sollen in Zukunft zumindest die an den Sonderschulen frei
werdenden Mittel den integrativen Schulen zugutekommen. Über Details werde
noch beraten, heißt es aus der Bildungsverwaltung.
20 Feb 2012
## AUTOREN
Manuela Heim
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