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# taz.de -- Debatte Energiewende: Ohne Sparen geht es nicht
> Bislang fehlt jede Strategie für eine wirklich nachhaltige
> Energieversorgung. Es geht weiterhin um große Systeme fürs große Geschäft
Bild: Die EU will Energie einsparen: Auch Wärmedämmung soll dabei helfen.
Das Schöne an einfachen Antworten ist, dass sie einfach sind. Die Skeptiker
des menschenverursachten Klimawandels trösten sich – jenseits ihrer
politischen Ziele – mit der Antwort, dass sie und ihre Lebensweise in der
Industriegesellschaft für eine etwaige Klimaveränderung nicht
verantwortlich seien.
Ja, es sei nicht einmal sicher, dass sich das Klima überhaupt verändere;
und wenn es doch einen Klimawandel gibt – war es die Sonne.
Ewiggestrige sollte man nicht aus dem Blick verlieren. Aber zu viel Zeit
und Energie muss man auch nicht verschwenden, schließlich ist die Aufgabe
enorm. Denn ob der Klimawandel nun eindeutig wissenschaftlich belegt ist
oder nur annähernd, spielt bei der Bewerkstelligung der anstehenden Aufgabe
hierzulande gar keine Rolle: die Energieversorgung der viertgrößten
Industriegesellschaft der Welt so zu gestalten, dass sie Rohstoffe
effizient einsetzt und einspart, dass sie natur- und umweltverträglich
arbeitet und durch diesen sparsamen und nachhaltigen Energieeinsatz den
Wohlstand erhält.
Völlig unabhängig vom Klimawandel und dem daraus folgenden Gebot, CO2 und
andere Klimagase einzusparen: Von Washington bis Peking lebt der
industrielle Mensch über seine Verhältnisse.
## Dringend gebotene Neugestaltung
Welche desaströsen Auswirkungen das Leben auf Kredit hat, zeigt sich seit
der geplatzten Immobilienblase und der daraus folgenden Finanz-, Banken-
und Eurokrise deutlich. Dabei geht es in der Finanzkrise nur um Geld. An
die dringend gebotene Neugestaltung der Energieversorgung hat sich jedoch
hierzulande bislang niemand herangewagt.
Was uns bislang als „die Energiewende“ präsentiert wird, ist nichts anderes
als die Fortsetzung des Systems mit anderem Antrieb. Eine einfache Antwort,
sozusagen. Wo früher Kohle verbrannt wurde, sollen Bäume und andere zur
Biomasse degradierten Pflanzen verheizt werden. Benzin wird nicht länger
aus Rohöl raffiniert, sondern aus Zuckerrohr, Diesel kommt vom Rapsfeld,
Erdgas wird mit Gas aus Biomasse-Hochleistungskompostern ersetzt.
Kam der Strom bislang aus dem AKW, soll er in Zukunft aus den Windparks zu
Wasser und zu Lande fließen, von Solarkraftwerken unterstützt. Riesige
Kraftwerke produzieren weiter Strom, den neue Hochspannungstrassen quer
durchs Land leiten.
Das Einzige, was bislang in der Energiewende gewandelt wurde, sind die
Energieträger. Immerhin – doch das genügt nicht. Zur Lösung der
Energiefrage des 21. Jahrhunderts werden bislang dieselben Konzepte
herangezogen, die im 20. Jahrhundert das Industrieland Deutschland an die
Weltspitze gebracht haben: große Systeme für großes Business.
## Ziele allein reichen nicht
Für die Energiewende wurde bislang keine umfassende Strategie entwickelt,
die alle Aspekte von Bildungspolitik, Biodiversitätsschutz, Demografie und
wirtschaftliche Entwicklung miteinbezieht. Es wurden auch keine taktischen
Schritte benannt, mit der eine Energiewende erreicht werden soll. Bislang
wurden lediglich Ziele formuliert, wie etwa das Ziel, dass bis 2020 rund 35
Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen sollen.
Um dieses politische Ziel zu erreichen, greift die Bundesregierung tief in
die Fördertöpfe und subventioniert den Ausbau neuer Anlagen und den Strom
aus Wind, Sonne und Biomasse mit Milliarden Euros.
Die politischen Ziele sind dank dieser Subventionen in Einklang mit den
Renditezielen von Private Equity Fonds, Kapitalanlagegesellschaften und
einiger US-Konzerne gekommen, die daher in Deutschland kräftig in die
Herstellungsunternehmen von Solarmodulen und in den Bau von Windparkanlagen
und Fotovoltaikkraftwerken investieren.
Ein paar Beispiele: Der amerikanische Finanzinvestor Blackstone steckt 2,5
Milliarden Euro in Offshore-Windparks und erwartet eine Rendite von 20
Prozent. Dünnschichtzellenhersteller Nanosolar ist finanziell
amerikanischen Hedgefonds oder dem Investmentfonds aeris Capital
verpflichtet, den eine deutsche Stiftung aus Steuerspargünden in der
Schweiz unterhält. Und der Hersteller von Cadmiumtelluriddünnschichtzellen
First Solar ist eine Unternehmensgründung des US-Handelskonzerns Wal Mart.
Diese neuen großen Player der Energiewende wie die Risikokapital- und
Private-Equity-Ausgründungen sind ebenso wenig grün alternative Unternehmen
für einen ökologisch-nachhaltigen Wirtschaftsstil wie die alten Riesen der
Energiekonzerne, die einst mit den Atomkraftsubventionen reich wurden. Die
Fondsmanager haben einfach Renditechancen in einem neuen und hoch
subventionierten Markt gewittert und unternehmerisch gehandelt.
Das ist ihr Job, doch sie ziehen den Großteil der Subventionsmilliarden aus
den Töpfen der Erneuerbare-Energien-Förderung ab und beeilen sich, dass sie
das enge Zeitfenster der Förderung bestmöglich nutzen und so viel wie
irgend möglich der Subventionen auf ihre Konten lenken. So kommt zu der
mangelnden politischen Strategie der schwarz-gelben Bundesregierung, dass
auch die wirtschaftlichen Akteure keine Strategie verfolgen, die nachhaltig
eine effiziente, ressourcenschonende Energieversorgung aufbaut.
## Welche Subventionen?
In den kommenden politischen Auseinandersetzungen über die Ausgestaltung
der Subventionen ist daher nicht die Frage entscheidend, wie hoch die
Subventionen sind, sondern wie das Geld im Sinne einer ökologisch
verträglichen und ökonomisch sinnvollen Energieversorgung eingesetzt wird.
Der einfache Teil der Antwort lautet: Energie sparen.
Beruhigend ist sie aber erst dann, wenn Bundesregierung und Opposition samt
ihren wirtschaftlichen Freunde mit Einsparung und Effizienzsteigerung für
die Energiewende beginnen. Und nicht das Feld den Fondsmanagern überlassen,
die große Renditechancen in einem hoch subventionierten Markt gewittert
haben.
Ein Energieministerium übrigens würde die Hedgefonds auch nicht davon
abhalten, die Staatskassen zu plündern. Sie müssten dann lediglich nicht
mehr in Wirtschafts- und Umweltministerium die Klinken putzen, sondern
hätten einen einzigen Ansprechpartner.
16 Mar 2012
## AUTOREN
Ulrike Fokken
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