# taz.de -- Sahra Wagenknecht über den Wahlkampf: „Gegen Merkels üble Polit… | |
> Sahra Wagenknecht, Vizechefin der Linkspartei, über „Druck von links“, | |
> neoliberale Politik und die Frage, wie schlimm eine Niederlage in | |
> Schleswig-Holstein wäre. | |
Bild: Die politischen Gegner sind vereint in der Neoliberalität, findet Wagenk… | |
taz: Frau Wagenknecht, warum geht es der Linkspartei im Westen so mies? | |
Sahra Wagenknecht: Ganz so ist es nicht. Im Saarland liegen wir in | |
Umfragen, wie vor der Wahl 2009, bei 16 Prozent. Ich gebe zu, in anderen | |
Bundesländern könnten die Werte besser sein. | |
Haben Sie Fehler gemacht? | |
Wir haben uns zwei Jahre lang viele überflüssige Debatten geleistet, uns | |
übers Personal rumgestritten, so verspielt man Vertrauen. Aber seit wir | |
wieder stärker auf politische Inhalte setzen, ist auch die Zustimmung | |
wieder gestiegen. | |
In Schleswig-Holstein und NRW kann die Linkspartei erst mal wieder aus den | |
Parlamenten fliegen. | |
Ich gehe fest davon aus, dass wir in NRW wieder in den Landtag kommen. Das | |
wollen wir auch in Schleswig-Holstein erreichen. Ohne Druck von links wird | |
die Politik hemmungslos unsozial, selbst wenn SPD und Grüne die Regierung | |
stellen. | |
Wie schlimm wäre eine Niederlage in Kiel? | |
Die Grünen waren im Osten lange Zeit in kaum einem Landtag vertreten – sie | |
sind deshalb nicht untergegangen. Aber wir wollen natürlich den | |
Wiedereinzug in Kiel und werden alles dafür tun, denn die Linke wird dort | |
dringend gebraucht. | |
Also weiter so? | |
Nein, nicht so wie in den letzten zwei Jahren. Wir müssen wie vor 2009 | |
pointiert auf die soziale Frage setzen. | |
Der Aufstieg der Linkspartei bis 2009 war aber gekoppelt an die SPD in der | |
großen Koalition. Damals hat die Abgrenzung zur SPD funktioniert, jetzt, | |
mit der SPD in der Opposition, nicht mehr. | |
Die SPD hat sich doch bis heute nicht von der Agenda 2010 gelöst. Das hat | |
sie mit der Nominierung Gaucks erneut bewiesen. Das kann man nicht durch | |
gutes Zureden ändern, sondern nur dadurch, dass die SPD den Druck von links | |
wieder stärker spürt. | |
Überzeugt es, wenn sich die Linke von einer anderen Oppositionspartei | |
abgrenzt? | |
Die SPD ist leider in wichtigen Fragen keine Oppositionspartei. Sie steht | |
zur Schuldenbremse und zu einer unsozialen Sparpolitik und trägt Merkels | |
üble Europapolitik im Kern mit. Es ist kein Zufall, dass es immer mehr | |
große Koalitionen gibt. Selbst im Saarland, wo die SPD 2009 noch offen für | |
Rot-Rot-Grün war, will sie jetzt mit der CDU ins Bett. | |
Ist die SPD Hauptgegner der Linkspartei in NRW? | |
Unser Gegner ist die neoliberale Politik, die von FDP, CDU, SPD und Grünen | |
vertreten wird. Unser Gegner ist, wer öffentliche Leistungen kleinsparen | |
will. Wir sagen, leider als einzige: Wer Schulden reduzieren will, muss die | |
Einnahmen erhöhen, etwa mit einer Vermögenssteuer für Millionäre. | |
Bedauerlicherweise tragen ja alle Parteien außer uns die als „Eurorettung“ | |
getarnte Rettung der Banken, Hedgefonds und Spekulanten mit. Ebenso wie das | |
Totsparen Griechenlands und anderer Länder. | |
Also: die Linkspartei allein gegen alle? | |
Gegen eine falsche, neoliberale Politik. Auch Hannelore Kraft wollte die | |
Vermögenssteuer im Bundesrat nicht auf die Tagesordnung setzen. | |
In NRW hat die Linkspartei mit Rot-Grün teilweise kooperiert. War das | |
richtig? | |
Ja, wir haben so erreicht, dass die Studiengebühren abgeschafft wurden. | |
Leider hat die SPD dann aber auf die FDP gesetzt, so hatten unsere | |
Forderungen nach einem Sozialticket und mehr Geld für Kommunen keine Chance | |
mehr. | |
Sehen Sie nach dem Scheitern dieser Kooperation in NRW nicht die Gefahr, | |
dass die Linkspartei weiter isoliert wird? | |
Wenn auch Die Linke Sozialabbau mittragen würde, dann wären wir nicht | |
isoliert, sondern überflüssig. | |
Müsste die Linkspartei, gerade weil viel auf eine große Koalition 2013 im | |
Bund hinweist, Rot-Grün nicht ein Angebot machen? | |
Machen wir doch ständig. Ein Sozialticket für Einkommensschwache in NRW ist | |
doch keine revolutionäre Forderung. Aber wir werden keine Politik stützen, | |
die dafür sorgt, dass Gering- und Normalverdiener noch weniger Geld in der | |
Tasche haben. Unsere Umfragewerte sind nicht wegen unserer Forderungen | |
gesunken. Unser Hauptproblem ist, dass viele, denen es dreckig geht, gar | |
nicht mehr wählen gehen. Diese Menschen erreichen wir erst recht nicht, | |
wenn wir auch eine Kungelpartei werden, die ihre Inhalte in den Wind | |
schreibt, wenn Ministerposten winken. | |
Also dauerhaft Opposition? | |
Regieren kann man nur mit Partnern. Die Chance, dass sich die SPD ändert, | |
gibt es nur, wenn wir stärker werden. Zwischen 2005 und 2009 haben wir die | |
SPD in vielen Fragen vor uns hergetrieben. Aber mit einer SPD, die | |
unverändert zu Bankenrettung, Hartz IV, Leiharbeit und Hungerrenten steht, | |
verbindet uns nicht viel mehr als mit der CDU. | |
20 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
## TAGS | |
tazlab 2012: „Das gute Leben“ | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
NRW-Wahlkampf der Linkspartei: Durchhalteparolen vor dem Abgrund | |
Ohne Leidenschaft und Selbstvertrauen torkelt die Linke in Richtung | |
Landtagswahl. Die verbliebenen Hoffnungen richten sich auf die | |
Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen. | |
Ergebnisse „Schwarzbuch Leiharbeit“: „Hinter den Hartz-IV-Beziehern“ | |
Leiharbeiter fühlen sich als Endglied der Gesellschaft. Die IG-Metall | |
veröffentlicht die Ergebnisse einer Befragung Betroffener und fordert mehr | |
Regulierung vom Gesetzgeber. | |
Landtagswahl im Saarland: Lieber sonnen als wählen | |
Die Beteiligung bei der vorgezogenen Landtagswahl im Saarland ist bis dato | |
äußert überschaubar. Das liegt wohl nicht nur an dem guten Wetter, sondern | |
auch an der Zeitumstellung. | |
Für die Linke in NRW steht viel auf dem Spiel: „Absolut unverzichtbar“ | |
NRW war ein wichtiger westdeutscher Landtag, in den die Linke einzog. Dass | |
ihr das erneut gelingt, ist nicht sicher. Bei den Blitz-Umfragen liegt sie | |
zwischen vier und fünf Prozent. | |
Lothar Bisky zieht sich zurück: "Ich bin kein Lehrer der Linkspartei" | |
Lothar Bisky tritt als Chef der Linken-Fraktion im EU-Parlament zurück. Er | |
will einen Generationswechsel – und warnt seine Partei vor antieuropäischem | |
Populismus. | |
Interview mit Sarah Wagenknecht: "Gutes Leben ist stressfreies Leben" | |
Freiheit von sozialer Angst gehört zentral zu einem guten Leben, sagt Sahra | |
Wagenknecht. Die Vizeparteichefin der Linken diskutiert auf dem tazlab über | |
das Thema. |