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# taz.de -- Gesetzliche Zivilklausel: Die Farben des Friedens
> Rot-Grün lehnt ab, Hochschulen auf rüstungsferne Forschung zu
> verpflichten - bevor es die Grünen ausdiskutiert haben und strikt gegen
> SPD-Parteitagsbeschluss.
Bild: Eine Zeit voller Überraschungen für FriedensaktivistInnen: Der Akademis…
Die Debatte um eine Zivilklausel im Bremischen Hochschulgesetz ist nicht
beendet: Zwar hatte am Mittwoch das Bürgerschaftsplenum einen
entsprechenden Antrag von Die Linke glatt abgelehnt, sowohl Grüne als auch
SPD stimmten geschlossen dagegen. Aber das sorgt jetzt in den Parteien erst
recht für Diskussionen. Denn deren Willen blieb von den Abgeordneten
unberücksichtigt.
Zumal die SPD-Fraktion bewegt sich im Widerspruch zu ihrer Basis: „Die
Hochschulen wirken für eine friedliche und zivile
Gesellschaftsentwicklung“, sollte künftig nach dem Willen des
Landesparteitag im Hochschulgesetz stehen. Und „die ihnen zur Verfügung
stehenden finanziellen Mittel“ – zum Großteil Steuergelder – „dürfen
ausschließlich für Vorhaben verwendet werden, die friedlichen Zwecken
dienen“, auch das ist Beschlusslage des höchsten Bremer SPD-Gremiums
gewesen. Wörtlich dasselbe hatte die Linksfraktion beantragt. Trotzdem
lehnte die SPD ihn ab.
Die früher friedensbewegten Grünen wiederum hatte das Thema überhaupt noch
nicht erreicht: Zwar hatte sich die Fraktion noch kurz vor der
Landesmitgliederversammlung Anfang März gegen den verordneten
Akademiker-Pazifismus positioniert. Die Grüne Jugend hatte sich davon
öffentlich distanziert. Doch auf der Versammlung war das kein Thema.
Stattdessen lauschte man Europapolitikerin Rebecca Harms. Die ließ mit
Erinnerungen an ihre Japanreise das Bremer Parteivolk noch einmal teilhaben
am identitätsstiftenden Fukushima-Effekt. Beschlossen wurde, „den
Atomausstieg europaweit voranzubringen“. Kontrovers war das nicht.
Die Debatte sei nur vertagt, versichert Partei-Chefin Henrike Müller, „die
Meinungsbildung findet noch statt“. Änderungen des Hochschulgesetzes stehen
im Spätsommer an.
Zuvor will man in den Kreisverbänden fürs Problem sensibilisieren – um bei
der nächsten LMV die Debatte ernsthaft führen zu können. Tatsächlich geht
in der Frage der Riss quer durch die Partei – schon in der Spitze: Müller
befürwortet eine gesetzliche Zivilklausel. Hermann Kuhn, neben ihr Sprecher
des Landesvorstands, hatte bereits Verständnis für die Interessen des
Satelliten-Konzerns OHB signalisiert, als der sein Angebot, eine
Stiftungsprofessur zu finanzieren, davon abhängig machte, dass die Uni ihre
traditionelle Zivilklausel abschafft (taz berichtete).
An der Uni hatten sich am Ende die Zivilklausel-Anhänger durchgesetzt.
„Aber das kann jedes Mal anders ausgehen“, warnt Asta-Mitarbeiter Max
Forster. Der wirtschaftliche Druck auf die Hochschulen sei schließlich
immens. Forster gehört zu den Campus Grün Aktiven – die vom Verhalten der
Fraktion bitter enttäuscht sind.
Dass die finanzielle Versuchung für die Wissenschaftseinrichtung groß ist,
lässt sich gut an der Hochschule beobachten: Die hat für den
Rüstungskonzern Rheinmetall Defence an Drohnen geforscht, ein Projekt, das
obendrein vom klammen Bremen mit 1,6 Millionen Euro subventioniert wurde
(taz berichtete). In der Bürgerschaftsdebatte bestimmte die grüne
Wissenschaftspolitikerin Silvia Schön die Annahme, der Rüstungskonzern
verfolge mit dieser Kooperation Rüstungsinteressen, als reine „Mutmaßung“.
Dagegen betonte Kristina Vogt (Linke), dass gerade ein friedlicher
Charakter dieser Forschung hier „zu beweisen“ wäre. Denn Rheinmetall habe
einen Rüstungsanteil von 100 Prozent selbst eingeräumt. Wenn das
Unternehmen also Forschungsaufträge vergebe und Kooperationen mit
Hochschulen anstrebe, liege nahe, „dass dort Forschung für Rüstung
passiert“, so Vogt. Zudem handele es sich nach ihrer Einschätzung
keineswegs um einen einmaligen Ausrutscher.
So bezuschusse die Wirtschaftsförderung (WFB) auch Marissa, ein weiteres
Programm eines von RDE angeführten Konsortiums. Bei dem geht es darum,
Produkte „zur Abwehr von Eindringlingen“, afrikanischen Flüchtlingen etwa,
zu entwickeln und zwar, laut WFB, „fallweise unter Einbindung der
Hochschulen“. Dazu passt, dass die University of Applied Sciences ihre
Erstsemester mit einer Broschüre begrüßt, in der auf Seite zwei, noch vor
jedem eigenen Inhalt, RDE per Anzeige auf die tollen Karriere-Chancen in
der Kriegsindustrie hinweist. Dass die Hochschule angeblich an einer
eigenen Zivilklausel herumdoktert, stand der Akquise nicht im Wege.
Trotzdem will die Grünenfraktion dem Blog ihres Vorsitzenden Matthias
Güldner zufolge weiterhin auf freiwillige Selbstverpflichtung der
Akademiker setzen. Alle Bremer Hochschulen würden derzeit die Frage
diskutieren. Er wünsche sich, dass „am Ende gleiche oder ähnliche
Ergebnisse herauskommen, wie an der Bremer Uni“. Dazu bedürfe es aber
„keiner von oben aufgedrückten Direktive“.
22 Mar 2012
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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