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# taz.de -- Jugendhilfe: Hinter allen Gittern ist Ruh
> Tagung zu Niedersachsens geschlossenem Heim für straffällige Kinder. Lage
> offenbar normalisiert. Opposition stößt sich weiter am Wegsperren von
> Zehnjährigen.
Bild: In Frage gestellt: Eine fünf Meter hohe Mauer umgibt den Hof des Heims i…
HANNOVER taz | Verhalten ist die Zwischenbilanz, die Wissenschaftler zu
Niedersachsens erstem geschlossenen Kinderheim in Lohne (Landkreis Vechta)
ziehen: Bislang seien nur bei einzelnen Jungen Erfolge zu beobachten,
erklärte Nina Oelkers, Professorin für Soziale Arbeit, am Freitag bei einer
Tagung in Vechta. Laut Oelkers, die die Einrichtung im Auftrag des
niedersächsischen Sozialministeriums seit anderthalb Jahren mit einem
Forschungsprojekt an der Uni Vechta begleitet, fehlen aber vor allem
angemessene Anschlussangebote für die Zeit nach der Entlassung aus dem Heim
in Lohne.
Unter großem Protest war der sogenannte Kinderknast im Mai 2010 in einer
ehemaligen Kaserne eröffnet worden: Wohnbereich, zwei Klassenzimmer, ein
Fitnessraum, bruchsichere Fensterscheiben, der 260 Quadratmeter große Hof
ist von einer fünf Meter hohen Mauer umzäunt. Sieben Plätze für sogenannte
hochdelinquente und dissoziale Jungen ab dem Alter von zehn Jahren gibt es
in der "Geschlossenen intensivthearpeutischen Wohngruppe" (GITW).
Finanziert wird sie je zur Hälfte von Niedersachsens schwarz-gelber
Landesregierung und dem Träger Caritas. Jungen aus ganz Deutschland werden
darin auf Beschluss des Familiengerichts untergebracht.
Ein Stufenplan regelt, wie viel Ausgang die Kinder haben: Während der
ersten beiden Wochen dürfen sie sich nur innerhalb der Einrichtung bewegen,
danach gibt es begleiteten Ausgang auf dem Gelände der GITW, später auch
außer Haus, etwa zum Einkaufen mit Erziehern. Alleine dürfen die Jungen die
GITW frühestens nach 15 Wochen verlassen. Verstoßen sie gegen Regeln,
fallen sie eine Stufe zurück.
Probleme in Lohne waren vor allem nach dem Start bekannt geworden: Von 15
meldepflichtigen Ereignissen - darunter Fluchtversuche, Übergriffe auf
Betreuer und Bewohner sowie eine hohe Personalfluktuation - berichtete das
niedersächsische Sozialministerium im Januar 2011 auf Anfrage der
Landtagsgrünen. Im September 2011 gab das Ministerium 21 meldepflichtige
Ereignisse und elf Polizeieinsätze seit Eröffnung bekannt.
Mittlerweile hat sich die Situation den Verantwortlichen zufolge beruhigt:
Die Caritas nennt die Personallage derzeit stabil. Laut Sozialministerium
ist die Einrichtung "belegt und somit nachgefragt". Alle sieben Jungen
seien im Stufenplan so weit, dass sie alleine Ausflüge machen dürfen, sagt
Wissenschaftlerin Oelkers. Inzwischen fragen sich die Verantwortlichen gar,
ob es die Mauer um den Hof braucht.
An der Kritik ändert das nichts. "Wir freuen uns, wenn sich die Situation
vor Ort stabilisiert", sagt etwa Grünen-Vize-Fraktionschefin Miriam
Staudte. "Die geschlossene Unterbringung von Kindern lehnen wir aber nach
wie vor ab." Die Pädagogen täten "ihr Bestmöglichstes", so Patrick Humke
(Linkfraktion), "die Rahmenbedingung macht aber die Politik".
Für Schwarz-Gelb in Niedersachsen war die Einrichtung ein zentrales
Vorhaben: Während 2008 in Hamburg das Heim in der Feuerbergstraße mit
ähnlichem Konzept wie die GITW wegen skandalöser Zustände geschlossen
wurde, schrieben CDU und FDP in Hannover die geschlossene Heimunterbringung
für Kinder und Jugendliche in ihre Koalitionsvereinbarungen. Für
Grünen-Politikerin Staudte ein Versuch, "den Grundsatz der Strafmündigkeit
gezielt zu unterlaufen": Nicht als Jugendhilfe unter Soziales hat
Schwarz-Gelb den Kinderknast aufgeführt, sondern im Abschnitt Justiz.
23 Mar 2012
## AUTOREN
Teresa Havlicek
## TAGS
Schwerpunkt Haasenburg Heime
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