# taz.de -- Saar-Pirat Andreas Augustin: „Ich bin kein Neuling“ | |
> Der 31-Jährige Systemadministrator Andreas Augustin über den Einzug | |
> seiner Partei in den Saarbrücker Landtag, das Ärgernis Grüne und warum er | |
> ein „Politiker aus Notwehr“ ist. | |
Bild: Ein Button für jeden Sitz im saarländischen Landtag? Dafür sind es dan… | |
Wer sind eigentlich die Saar-Piraten? | |
Die Piraten sind eine sozialliberale Partei. Man muss aber die Abgrenzung | |
zum Neolioberalismus beachten: Wir sind vor allem geselschaftspolitisch | |
liberal, weniger wirtschaftspolitisch. Konkret sind wir im Saarland rund | |
400 Menschen aus allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten, die | |
gemeinsam Politik machen wollen. | |
Sie selbst ziehen nun in den Landtag ein, sind aber ein Politikneuling. Wie | |
wollen Sie sich auf die parlamentarische Arbeit vorbereiten? | |
Ich bin kein Neuling, ich bin seit über zwei Jahren als Schatzmeister im | |
Vorstand der Saar-Piraten, da konnte ich schon politische Erfahrung | |
sammeln. Ich habe auch keine Angst vor Paragraphen. | |
Die Saar-Piraten haben erst vor gut zwei Wochen im Eiltempo ihr | |
Wahlprogramm aufgestellt. Sind die Inhalte wirklich überdacht? | |
Ja. Es gab vorher schon Positionspapiere, die dann im Wahlprogramm | |
bestätigt wurden. Außerdem wurden von den 190 Anträge für das Wahlprogramm | |
nur 90 angenommen. Viele wurden also nicht aufgenommen, oder sogar von den | |
Antragstellern zurückgezogen, weil sie nicht durchdacht waren. Aber | |
diejenigen, die es ins Wahlprogramm geschafft haben, sind gut durchdacht. | |
Sie bekennen sich in Ihrem Wahlprogramm zur Schuldenbremse. Spart sich das | |
Saarland damit kaputt? | |
Nein. Das Saarland macht sich kaputt, wenn es die Bremse nicht durchsetzt, | |
denn dann sind wir am Ende bankrott und es gibt eine Zusammenlegung mit | |
anderen Bundesländern. | |
Soll in allen Bereichen gespart werden? | |
Nein, zum Beispiel den Bereich Bildung wollen wir ausnehmen. Aber | |
grundsätzlich gilt: Man kann kein Geld ausgeben, das man nicht hat. Sparen | |
kann man etwa bei der öffentlichen Verwaltung. Und ich persönlich plädiere | |
für eine Zusammenlegung der Landkreise, auch das spart Geld ein. | |
Sind sie stolz drauf, doppelt so viele Abgeordnete zu entsenden wie die | |
Grünen? | |
Ich bin nicht froh, dass die Grünen überhaupt noch im Landtag sind. | |
Auf der Wahlparty am Sonntag war der Jubel über das Scheitern der FDP fast | |
genauso groß wie über den Erfolg der Piraten. Warum arbeiten sich die | |
Piraten so sehr an Grünen und FDP ab? | |
Bei der FDP ist das ein bundesweites Phänomen, die Partei bezeichnet sich | |
als liberal, sie sind es aber nicht mehr – und wenn, dann nur noch | |
wirtschaftspolitisch. Die müssen aus allen Parlamenten raus und wir müssen | |
in alle Parlamente rein. Denn wir sind die neuen Liberalen. Bei den Grünen | |
ist das spezifisch für das Saarland. Sie sind bundesweit im Aufwärtstrend, | |
aber im Saarland geht es für sie bergab. Das liegt vor allem an der Person | |
Hubert Ulrich, der die Schuld daran trägt, dass es 2009 kein rot-rot-grünes | |
Bündnis gab. Das hat viele Grünen-Wähler enttäuscht. Es war ein Fehler, ihn | |
für diese Wahl wieder aufzustellen, und das musste abgestraft werden. | |
Nun ist quasi klar, dass es eine große Koalition geben wird. Werden sich | |
die Piraten trotzdem als Koalitionspartner anbieten, um das zu verhindern? | |
Es wird rechnerisch sehr schwierig, eine andere Mehrheit herzustellen. Aber | |
prinzipiell sind wir an einer Regierungsbeteiligung interessiert, denn dort | |
kann man am meisten gestalten. | |
Viele Protestwähler haben die Piraten gewählt. Fliegt die Partei deshalb in | |
fünf Jahren wieder aus dem Landtag? | |
Es ist nicht ganz richtig, dass wir so viele Protestwähler haben, wir | |
konnten auch etliche Nichtwähler mobilisieren. Das sind keine | |
Protestwähler, sondern Leute, die auf eine Partei, bei der sie sich | |
einbringen können, gewartet haben. | |
Die erst 2009 gegründeten Saar-Piraten ziehen nun in den Landtag ein. Dafür | |
wird sich die Partei professionalisieren müssen. Führt das bei einer | |
basisdemokratischen Partei nicht zwangsläufig zu Spannungen? | |
Spannungen gibt es immer, aber wir sind schon Basisdemokratie gewohnt und | |
können damit umgehen. Auch bei Entscheidungen mit kurzen Fristen konnten | |
wir unsere Mitglieder stets einbeziehen. | |
Wie wollen Sie verhindern, dass Trittbrettfahrer, etwa Nazis, wie in | |
anderen Landesverbänden nun auf den Piratenzug aufspringen? | |
Im Saarland ist die Situation besonders, hier kennt jeder jeden. Wenn | |
jemand Neues ankommt, gibt es zumindest irgendein Mitglied, das Bescheid | |
weiß und gegebenenfalls die Partei warnen kann. | |
Gibt das Ergebnis Rückenwind für die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen | |
und Schleswig-Holstein? | |
Ja. Dass wir hier in den Landtag einziehen, war sehr wichtig. In Berlin war | |
das klar, aber hier, im eher konservativ geprägten Saarland, ist das ein | |
deutliches Signal. Das gibt den anderen Landesverbänden nun Rückenwind. | |
26 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Timo Reuter | |
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