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# taz.de -- Flüchtlingsboot aus Libyen: Notrufe einfach ignoriert
> Der Europarat wirft Italien, der Nato und Libyen vor, ein Flüchtlingsboot
> im Stich gelassen zu haben. Trotz Notrufen sind 60 Menschen im Mittelmeer
> ertrunken.
Bild: Ein Flüchtling aus Libyen wird im April 2011 in Lampedusa in Empfang gen…
BRÜSSEL taz | Der Bericht des Europarats ist vernichtend: Die Nato, Italien
und Libyen haben vor rund einem Jahr über 60 Flüchtlinge im Mittelmeer
ertrinken lassen, obwohl sie mehrere Notrufe erreicht hatten.
Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der niederländischen Senatorin
Tineke Strik. Sie hat im Auftrag des Europarats neun Monate lang versucht
zu rekonstruieren, was Ende März 2011 zwischen der libyschen und
italienischen Küste passiert ist. Die Ergebnisse lesen sich wie ein
schlechter Krimi.
Ein Boot mit 72 Flüchtlingen war am 26. März in Tripolis gestartet mit dem
Ziel Lampedusa. Dort kamen die Menschen aus Eritrea, Äthiopien und anderen
afrikanischen Ländern aber nie an. Als sie rund 18 Stunden nach ihrer
Abfahrt in schlechtes Wetter gerieten, nahmen sie über Satellitentelefon
Kontakt zu einem eritreischen Priester in Rom auf.
Der gab ihr Hilfsgesuch mehrfach an den italienischen Grenzschutz weiter.
„Die Behörden haben das Boot lokalisiert und das Hilfsgesuch an alle
Schiffe – darunter auch Nato-Boote – weitergegeben. Aber niemand hat den
Flüchtlingen geholfen“, so Strik.
Besonders grausam ist der Verdacht, dass kurz nach dem ersten Hilfsgesuch
ein Militärhubschrauber Nahrung und Wasser über dem Boot abgeworfen haben
soll. „Alle Überlebenden erzählen, dass dieser Hubschrauber da war, aber
nicht wiedergekommen ist.“
15 Tage dauerte die Irrfahrt des Flüchtlingsbootes im Mittelmeer.
Mindestens zwei Fischerboote und ein Nato-Schiff sollen nach Angaben der
Flüchtlinge in dieser Zeit auf Sichtweite herangekommen sein. „Den Militärs
haben die Flüchtlinge sogar die toten Babys gezeigt“, sagt Strik. Geholfen
hat trotzdem niemand. Schließlich wurde das Boot an die libysche Küste
zurückgetrieben. An Bord waren 9 Überlebende und 61 Leichen.
„Wir konnten nicht klären, welches Nato-Schiff in der Nähe war. Auch den
Hubschrauber will niemand geschickt haben.“ Einsicht in die militärischen
Datenbanken habe sie nicht bekommen. „Von einem spanischen Nato-Schiff, das
nur 11 Seemeilen entfernt war, haben wir die Auskunft bekommen, es hätte
keinen Notruf erhalten. Die Nato-Zentrale behaupte, sie habe die Meldung an
alle Schiffe verschickt. Da stimmt etwas nicht“, sagt Strik.
29 Mar 2012
## AUTOREN
Ruth Reichstein
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
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