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# taz.de -- Streit um den Berliner Mauerpark: Wider den Vorgarten
> Heute soll der Bezirk Mitte entscheiden, ob der Mauerpark zum Preis
> seiner teilweisen Bebauung erweitert wird. Eine Ortsbegehung.
Bild: Meistens ist er voller: Mauerpark in Berlin, an der Grenze zwischen Prenz…
Es ist noch früh im Frühling, am Mauerpark blühen trotzdem schon die
japanischen Kirschbäume. Auch zu diesen Bäumen weiß Heiner Funken eine
Geschichte. Die Bäume sind nicht die originalen. Als vor einigen Jahren am
Schwedter Steg ein Aldi entstand, da wurden die alten Bäume im Rahmen der
Straßenbauarbeiten gefällt. Und Heiner Funken gehörte zu jenen, die die
Neupflanzung der Bäume erzwangen.
Heiner Funken ist Vorstandssprecher der Mauerpark Stiftung Welt-Bürger-Park
und kennt fast jede Geschichte von jedem Baum und von jedem Stein in dieser
Ecke – und er weiß sie gut zu erzählen. Damit ist er ein gefragter Mann an
Tagen wie diesen, wo sich der seit Jahren währende Streit über die
Fertigstellung und Bebauung des Mauerparks zuspitzt. Denn was könnte besser
wirken als viele kleine Geschichten, aber auch die große Geschichte eines
historischen Ortes, um die Bebauung einer Fläche zu verhindern, die zu
einem Park werden könnte?
## Rückzahlung droht
Der Streit über den Mauerpark und seine Erweiterung dauert schon über zwei
Jahrzehnte, aber nun sieht es trotz Flächennutzungsplan, der Grün vorsieht,
so aus, als könnte er entschieden werden. Christian Gaebler (SPD),
Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, hat den Bezirk
Mitte vor zwei Alternativen gestellt: Entweder der Park wird nicht
erweitert. In diesem Fall würde das Land Berlin eine Förderung von 2,25
Millionen Euro an die Allianz-Umweltentwicklung zahlen müssen, da der Park
nicht die vereinbarte Größe von 10 Hektar erreicht hat. Oder: Der Park wird
erweitert, dann dürfen die Grundstückseigentümer CA Immobilien Anlagen AG
aus Wien im Gegenzug sowohl nördlich als auch südlich des Gleimtunnels
bauen.
Heiner Funken bittet nonchalant plaudernd über die große Treppe nördlich
des Gleimtunnels in den Park. Über einen niedrigen Zaun schlägt er sich in
die Brache durch, die hoffentlich einmal Park werden wird. Der Weg führt
zunächst südlich, Richtung Bernauer Straße. Rechts steht ein junges
Wäldchen – kleine Bäume, die Funken vor Jahren mit Stiftungsmitgliedern,
Anwohnern und Politprominenz in einer Nacht-und-Nebel-Aktion pflanzte.
„Landnahme“ nennt er die Aktion und erzählt von den Leuten, die Schmiere
standen, von der Polizei, die nicht mitbekam, dass bei jeder Kontrolle ein
paar Bäume mehr da waren, und von den Kompressoren, die es brauchte, um den
verdichteten Schotter im ehemaligen Bahngelände aufzubrechen. Heiner Funken
ist ein Kämpfer – und das schon sehr lange. Doch nun zeigt er zunächst nach
links – auf den Teil des Mauerparks rund ums Amphitheater. Hier verwandelt
sich der Park an Sonnentagen in eine Partymeile, wo sonntags bis zu 50.000
Besucher aus aller Welt grillen und chillen, Musik hören und trinken – und
jede Menge Müll hinterlassen. „Das ist eine Belastung für die Anwohner“,
gibt Heiner Funken zu, „es ist aber auch ein einmaliges, schönes und
friedliches Fest für die, die da sind“, fügt er an. Für ihn sind die
Partygänger ein weiterer Beweis dafür, dass der Park gebraucht wird, dass
er größer werden muss, um die Party zu entzerren. Sie sind aber auch ein
Grund, gegen die Bebauung am südlichen Ende des Parks auf die Barrikaden zu
gehen. Denn hier, rund um den Flohmarkt, sollen vor allem Hotels,
Restaurants und Bars entstehen. Die Party würde nicht heruntergefahren,
meint Funken, sondern würde zum Ballermann hochgeschraubt.
## Ausgegrenzte Beteiligung
Die Bauten an der Bernauer Straße wären aber auch ein Riegel, der den Blick
und den Zugang am wichtigsten Einfallstor zum Park verstellen würde. „Es
geht nicht darum, dass hier eine zweite, institutionalisierte Gedenkstätte
entstehen soll“, sagt Funken.
„Hier soll es um Aneignung gehen und nicht um blanken Kommerz und um
Flatrate-Saufen.“ Das, meint er, kann in niemandes Interesse liegen. In
tausenden Gesprächen im und um den Park, sagt er, habe er keine Bürger und
kaum Politiker getroffen, die das für sinnvoll gehalten hätten. Es geht
also – wieder mal – um die Ausgrenzung von Beteiligung.
10 Millionen Euro, die es bräuchte, das Gelände zu kaufen, sind ein Haufen
Geld – und sie zu sammeln, wie es die Mauerpark Stiftung Welt-Bürger-Park
vorhat, setzt für die meisten Sponsoren den festen politischen Willen zur
Grünfläche voraus. Und: Was sind 10 Millionen im Vergleich zu dem, was das
Berliner Stadtschloss verschlingen wird? Was sind 10 Millionen, wenn es um
ein Projekt geht, von dem noch Generationen profitieren werden – um ein
Projekt also, das in den Geschichtsbüchern Aufnahme finden wird?
Weiter geht der Weg Richtung Norden. Die Gänseblümchen blühen schon, und im
Moritzhof, dem beliebten Kinderbauernhof im Norden des Parks, werden gerade
die Pferde gefüttert. Zwei junge Mütter mit Kopftüchern schlendern vorbei,
ein Paar führt riesige Doggen aus. Heiner Funken erzählt, dass hier, mitten
im Park, einmal ein Wohngebäude mit zehn Stockwerken entstehen sollte.
Jetzt sind die geplanten Bauten niedriger geworden. Und doch: Im Gelände,
wo sie entstehen sollen, werden seit Jahren immer wieder klammheimlich
große, alte Bäume gefällt. Tante Käthe, der Club mit dem
Rudi-Völler-Schrein, wo es zur WM 2006 Public Viewing gab, gibt es noch.
Eine Pommesbude ist verschwunden. Ein Zaun wird wiederholt von Passanten
aufgehebelt, die das Gelände als Durchgang nutzen. Die Eigentümer des
Grundstücks verriegeln ihn dann regelmäßig wieder.
Überall hier sollen Häuser entstehen, 60.000 Quadratmeter Wohnfläche, bis
zu 600 Wohnungen, und zwar mit der Begründung, der Wohnraum im Bezirk sei
knapp. Heiner Funken befürchtet, es wird auf Luxus, auf Wohlstandsgettos,
womöglich sogar auf eine Guarded Community hinauslaufen, die sich nicht nur
vom angrenzenden Wedding, sondern früher oder später vom Park abschotten
wird. Spätestens, wenn die Besserverdiener dann am Sonntagnachmittag ihren
Kaffee auf der Terrasse trinken wollen, meint er, ist es mit der Party im
Mauerpark vorbei. „Unsere öffentliche Grünfläche“, sagt er, „wird zum
Vorgarten degradiert.“
Heiner Funken ist davon überzeugt, dass die öffentliche Sitzung des
Stadtentwicklungsausschusses der Bezirksverordnetenversammlung am heutigen
Freitag gut ausgehen wird. Gut im Sinne von grün, natürlich. Er glaubt
nicht daran, dass die „Basta-Politik“ des Senats, der dem Bezirk die
Pistole auf die Brust setzen will, zu etwas führen wird. Und wenn doch?
Am Kletterfelsen hinterm Moritzhof, der Blick geht auf die S-Bahn-Gleise,
die Parkführung geht zu Ende. Heiner Funken zuckt mit den Schultern. Er
kennt seinen Kiez. Jeder Vierte, der hier spazieren geht, grüßt ihn. Er,
seine Nachbarn und Mitstreiter werden keine Ruhe geben. Und wenn sie jedes
Wochenende Demos organisieren oder tausend Unterschriften sammeln müssen.
30 Mar 2012
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Mieten
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