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# taz.de -- Atomkraftwerke in Schweden: Sauger entlarvt Sicherheitsmängel
> Ein Vattenfall-Reaktor in Schweden steht seit einem Jahr still – wegen
> eines vergessenen Staubsaugers. In der Zwischenzeit zeigten sich weitere
> Mängel.
Bild: Untaugliche Testmethoden: Im schwedischen AKW Ringhals wurde Abfall im K�…
STOCKHOLM taz | Seit dem 1. April steht Reaktor 2 des schwedischen
Vattenfall-AKW’s Ringhals genau ein Jahr still. Abgestellt hat ihn ein
Staubsauger.
Trotz des Datums ist das kein Aprilscherz, sondern ein Symptom für
grundsätzliche Sicherheitsprobleme der schwedischen Atomkraftwerke. Die die
Aufsichtsbehörde nun veranlasst hat, allen AKW-Betreibern neue
Sicherheitstests abzuverlangen. Und die Drohung des Entzugs von
Betriebserlaubnissen steht im Raum.
Einige Stunden Stillstand einsparen und damit ein paar Stunden zusätzliche
Stromproduktion herausholen wollte die Ringhals-Betriebsleitung. Bevor der
am 1. April 2011 für eine routinemässige Revision abgestellte Reaktor 2
wieder ans Netz gehen durfte, musste eine Druckprobe des Reaktorbehälters
stattfinden.
Die wurde außerplanmässig vorgezogen, und dabei wurde etwas vergesen: ein
Staubsauger. Als der Druck erhöht wurde, schloss der kurz, fing Feuer und
fackelte dann noch alles brennbare Plastik in seiner Umgebung ab.
Kleine Ursache, viel klebriger Ruß: Die danach notwendige Sanierung des
Reaktorbehälters mit Reinigung von mehr als Zehntausend rußgeschwärzten
Einzelteilen dauerte mehrere Monate. Und dürfte dem Ringhals-Betreiber
zusammen mit dem Stillstand bislang rund 300 Millionen Euro gekostet haben.
## Dreißig Jahre lang unentdeckter Müll im Kühlsystem
Außerdem entdeckte man bei den Reinigungsarbeiten in Rohren des
Notkühlsystems Dichtungen und anderen Müll, der offenbar bei
Schweißarbeiten Anfang der 1980er Jahre dort vergessen worden war. Dieser
Müll hätte den Wasserdurchfluss dieses Kühlsystems im Ernstfall um 15
Prozent reduziert. Gemerkt hatte dies bei unzähligen Inspektionen über drei
Jahrzehnte lang niemand.
Die Aufsichtsbehörde fand das erstaunlich, bohrte nach und stellte fest,
dass die Drucktests der Notkühlrohre nicht mit Wasser, sondern mit
Druckluft und ohne visuelle Kontrollen erfolgten. Hindernisse der
fraglichen Art konnten damit gar nicht auffallen. Ein in der Reaktortechnik
offenbar weit verbreiteter Systemfehler, konstatiert SSM nun: Man habe
Erwartungen an Tests, die diese überhaupt nicht erfüllen könnten.
Außer für Rohre, Kühlsysteme und die Pumpenkapazität von Sprinkleranlagen
ermittelte man in den vergangenen Monaten ähnliche Probleme bei
Ventilprüfungen. „Man testet nicht mit adäquaten Mitteln“, sagt Björn
Karlsson, Professor für Energiesysteme an der Universität Linköping . Und
merke irgendwann rein zufällig, wie wenig aussagekräftig die Tests seien.
Auch beim bislang schwersten Zwischenfall in einem schwedischen
Atomreaktor, dem Beinahe-Gau im AKW Forsmark 2006, habe ein solcher
„Pseudo-Test“ eine zentrale Rolle gespielt: Die dortigen dieselgetriebenen
Notstromgeneratoren hatte man jahrzehntelang nur manuell in Gang gesetzt.
Als man sie dann wirklich brauchte, funktionierte aber eine – nicht
routinemäßig getestete – Automatikfunktion nicht, so dass der Reaktor fast
eine halbe Stunde ohne Stromversorgung blieb.
## Umweltministerin spricht über Entzug der Betriebserlaubnis
Die bisherigen Sicherheitstests decken nicht alle denkbaren Fehler und
Situationen ab, konstatiert Leif Karlsson, Abteilungschef bei der
Atomaufsicht. „Darüber sind wir wirklich ernsthaft beunruhigt. Kann man
sich auf die Sicherheit nicht verlassen, weiss man ja gar nicht, wo man mit
der Technik steht“, sagt Karlsson.
Auch die Politik ist aufgewacht. Bis Oktober muss die Aufsichtsbehörde
ihrerseits der Regierung einen Rapport über die Sicherheitslage der
schwedischen AKW’s präsentieren. „Ich bin irritiert“, kommentiert die f�…
die Reaktorsicherheit zuständige Umweltministerin Lena Ek die ständig neuen
Fehlermeldungen. „Wenn wir nicht zufrieden sind, wird das ultimative Mittel
der Entzug der Betriebserlaubnis sein.“
1 Apr 2012
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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