# taz.de -- Proteste in Frankreich: "Unsri Sproch isch unser Schàtz!" | |
> Bretonisch, Baskisch, Korsisch, Okzitanisch, Katalanisch, Flämisch: | |
> Zehntausende Franzosen gingen für die Sprachvielfalt auf die Straße. | |
Bild: Will von der Charta für Minderheiten nicht mehr wissen: Staatspräsident… | |
PARIS taz | Tausende von Französinnen und Franzosen haben am Samstag für | |
ihr Recht demonstriert, auch anders als „nur“ auf Französisch parlieren zu | |
können. Die regionale Sprachvielfalt bleibt nämlich ein vom Pariser | |
Zentralstaat stiefmütterlich behandeltes Kulturerbe. | |
Dabei ist Frankreich besonders reich an historischen Regionalsprachen: | |
Bretonisch, Baskisch, Korsisch, Okzitanisch, Katalanisch, Flämisch, | |
Elsässerdeutsch … Trotz einer jahrhundertelangen administrativen | |
Vereinheitlichung und Unterdrückung sind diese Minderheitssprachen – im | |
Unterschied zu vielen französischen Dialekten – nicht verschwunden. In der | |
südwestlichen Region Midi-Pyrénées beispielsweise konnte sich laut einer | |
Erhebung von 2010 einer von fünf Einwohnern auf Okzitanisch verständigen. | |
Allein in Toulouse hat der Anlass mehr als 25.000 Leute mobilisiert, die | |
ihre „Langue d’Oc“ pflegen und verteidigen wollen. Besonders groß ist der | |
Stolz auf die eigene keltische Muttersprache auch in der Bretagne. In | |
Quimper waren es mehr als zehntausend, die mit ihren schwarz-weiß | |
gestreiften Fahnen, mit Trommeln und Pfeifen für den sprachlichen | |
Pluralismus auf die Straße gingen. | |
Tausende von Basken taten es ihnen in Bayonne gleich, in Perpignan galt die | |
Kundgebung dem immer noch von vielen gesprochenen Katalanisch. Auch im | |
Zentrum von Straßburg versammelten sich an die tausend Elsässer unter dem | |
Spruchband „Unsri Sproch isch unser Schàtz!“ für ihre alemannische Mundar… | |
## Für Sarkozy ist die Charta Anlaß zur Polemik | |
Gemeinsam war den Kundgebungen die Forderung, dass der Staat die | |
Europäische Charta zum Schutz der Minderheitensprachen von 1992 | |
ratifiziert. Die Regierung hat sie zwar unterschrieben, aber nicht in Kraft | |
gesetzt, weil in der Verfassung verankert ist, dass ausschließlich | |
„Französisch die Sprache der Republik“ ist. Die Charta sieht jedoch vor, | |
dass auch im Amtsverkehr, vor Gerichten sowie in den Schulen und Medien die | |
Regionalsprachen geduldet und gefördert werden müssen. | |
Hier geht ein Trennlinie quer durch die politischen Lager. Die Grüne Eva | |
Joly und der Zentrumsdemokrat François Bayrou sind für die Charta, auch der | |
Sozialist François Hollande befürwortet die Ratifizierung. Jean-Luc | |
Mélenchon von der „Linksfront“ ist ein Anhänger eines „jakobinischen“ | |
Konzept der einheitlichen und unteilbaren Republik. Er hatte 2008 sogar die | |
bretonischen „Diwan“-Schulen als eine Art „Sekte“ bezeichnet. | |
Präsident Nicolas Sarkozy hatte zwar 2007 die Ratifizierung versprochen, | |
heute ist die Charta für ihn jedoch Anlass zu Polemik: „Wer Frankreich | |
liebt, schlägt nicht eine Charta vor, deren wahres Ziel es ist, allen | |
Minderheiten sprachliche Rechte zu geben und sie der Kontrolle eines | |
europäischen Gerichtshofs zu unterstellen, der ohne Rücksicht auf unsere | |
nationale Geschichte und republikanische Tradition urteilt.“ | |
1 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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