# taz.de -- Konflikt um 1. Mai-Demo: Widerstand ziellos | |
> Autonome und Polizeigewerkschaft sind sich einig: Die geplante 1. | |
> Mai-Demo durch Mitte ist problematisch. Ob die Route genehmigt wird, ist | |
> weiter unklar. | |
Bild: Gibt der autonomen Szene Aufwind: Protest gegen das BMW-Guggenheim-Lab. | |
An den Plänen der linken Szene, mit der „Revolutionären 1. Mai | |
Demonstration“ von Kreuzberg aus ins Regierungsviertel zu ziehen, regt sich | |
Kritik von unterschiedlichen Seiten. Zu abseitig sei die Strecke, monieren | |
Autonome – Polizeigewerkschafter treiben vor allem Sicherheitsbedenken um. | |
„Wir halten diese Route aus politischen und taktischen Gründen für eine | |
Katastrophe“, heißt es in einem Beitrag auf einem linken Internetportal, | |
gezeichnet von einer Gruppe namens „autonome traditionalisten“. Als | |
radikale Linke dürfe man am 1. Mai Kreuzberg „nicht den Bullen und dem | |
Myfest überlassen“. Die geplante Route vom Lausitzer Platz über die | |
Oranien- und Wilhelmstraße zum Pariser Platz führe „weitgehend durch eine | |
menschenleere Gegend“, kritisieren die Schreiber. Auch gebe es bei | |
„Konfrontationen“ kein „Rückzug- und Ausweichgebiet rund um die Route“. | |
„Viele werden, genauso wie wir, keinen Bock darauf haben, durch die | |
Walachei zu latschen.“ | |
Die Kritik weist Lars Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin | |
(ALB) zurück. Die Route sei mehrheitlich im Vorbereitungsbündnis | |
beschlossen worden. Ziel sei, den antikapitalistischen Widerstand am 1. Mai | |
ins Zentrum der politischen Macht zu tragen. Und der Start der Demo liege | |
ja weiter in Kreuzberg, so Laumeyer. „Der Kiez wird uns schon nicht los. | |
Wir erwarten einen guten, erfolgreichen Tag.“ | |
Bei der Polizei wird die Route derzeit noch geprüft. Bodo Pfalzgraf, | |
Landeschef der deutschen Polizeigewerkschaft, erwartet im Fall einer | |
Genehmigung „ein echtes Problem“. „Es ist doch ausgeschlossen, dass die | |
Autonomen nur friedlich vorm Brandenburger Tor feiern wollen.“ Ein Aufruf | |
zur „1. Mai“-Demo nennt auf der Route explizit das | |
Axel-Springer-Verlagshaus, das Jobcenter Mitte, die Wohnungsbaugesellschaft | |
GSW und das Bundesfinanzministerium, die man „in den Fokus der Kritik | |
rücken“ wolle. Pfalzgraf vermutet dahinter Randaleaufrufe. „Solche Bilder | |
aus dem Stadtzentrum würden der Stadt massiv schaden.“ Er sieht daher „gute | |
Karten“, dass die Route weder bei der Versammlungsbehörde noch beim | |
Verwaltungsgericht Erfolg haben werde. | |
Bei der liberaleren Gewerkschaft der Polizei sieht man’s gelassener. Auch | |
am 1. Mai gelte die Versammlungsfreiheit, so Sprecher Klaus Eisenreich. Die | |
Route sei nicht unproblematisch, die Polizei werde sich aber darauf | |
einzustellen wissen: „Wir haben ja inzwischen jahrzehntelange Erfahrung.“ | |
Schwieriger wertet Eisenreich, dass erstmalig Berliner Beamte mit | |
fünfstelligen Ziffern gekennzeichnet sein werden. Es sei zu befürchten, | |
dass dies zu gehäuften, unberechtigten Anschuldigungen gegen die Polizisten | |
führe, so Eisenreich. | |
Die autonome Szene zeigte sich zuletzt durchaus selbstbewusst. Gefeiert | |
wurde der Rückzug des „BMW Guggenheim Labs“ von einer Kreuzberger Brache am | |
Spreeufer. Am Sonntag wurde zudem angekündigt, nun auch das von den | |
Eigentümern auf dem Gelände geplante Appartment-Bauprojekt verhindern zu | |
wollen. Mit Sorge schaut die Polizei auch auf Frankfurt am Main, wo am | |
Samstag Autonome auf einer antikapitalistischen Demonstration Randale | |
anzettelten – ein Aufzug, den auch das Berliner 1. Mai-Bündnis als Teil | |
ihrer „Protestchoreographie“ bezeichnet. Zudem rufen hiesige Autonome in | |
der Woche vor dem 1. Mai zu „insurrection days“, Tagen des Aufstands, auf. | |
Geplant seien spontane Aktionen, „mal friedlich, mal mit feuriger Wut“, | |
heißt es in einem Aufruf. In der Walpurgnisnacht ist zudem eine | |
Demonstration „gegen steigende Mieten“ im Wedding geplant. | |
Der Polizeieinsatz am 1. Mai werde auch aktuelle Entwicklungen wie in | |
Frankfurt berücksichtigen, sagte ein Polizeisprecher. Am Tag selbst soll | |
die Deeskalationsstrategie eingesetzt werden, die seit dem Amtsantritt von | |
Innensenator Frank Henkel (CDU) unter „Doppelstrategie“ firmiert: erst | |
kommunizieren, bei Straftaten zugreifen. | |
In den letzten Jahren hatte sich die Zahl der eingesetzten Beamten am 1. | |
Mai stetig erhöht. Waren 2007 noch 4.700 Polizisten auf der Straße, lag die | |
Zahl im letzten Jahr schon bei 7.400. Gleiches gilt für die Einsatzkosten: | |
Hier steigerten sich die Ausgaben im gleichen Zeitraum von 2,8 Millionen | |
Euro auf 4,8 Millionen. | |
2 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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