# taz.de -- Grass und Israel: „Widerrufen werde ich auf keinen Fall“ | |
> Im Fernsehen hat Günter Grass seine Kritik an Israel noch einmal | |
> bekräftigt. Er meint: „Ich werde hier an den Pranger gestellt“. Der | |
> Streit um die Aussagen des Schriftstellers hält an. | |
Bild: Gestenreich: Günter Grass. | |
BERLIN/JERUSALEM dapd | Literaturnobelpreisträger Günter Grass fühlt sich | |
von den Kritikern seines politischen Gedichts über Israel missverstanden | |
und an den Pranger gestellt. Den Vorwurf des Antisemitismus wies er als | |
„verletzende Gehässigkeit ohnegleichen“ zurück. | |
Einen Tag nach Veröffentlichung des Gedichts „Was gesagt werden muss“ | |
bekräftigte der deutsche Schriftsteller in diversen Fernsehsendungen seine | |
Kritik an Israel: „Widerrufen werde ich auf keinen Fall.“ | |
In seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ wirft Grass der "Atommacht | |
Israel" vor, mit seiner Iran-Politik den Weltfrieden zu gefährden. Zudem | |
kritisiert er die deutsche Haltung in der Frage und prangert | |
U-Boot-Lieferungen an Israel an. Der 84-Jährige entfachte mit seinem am | |
Mittwoch in drei Zeitungen veröffentlichten Werk eine heftige politische | |
Debatte im In- und Ausland. „Ich werde hier an den Pranger gestellt“, sagte | |
Grass am Donnerstag. | |
Wer seinen Text genau lese, der „erkennt meine Sorge um die Zukunft dieses | |
Landes, das eine Existenzberechtigung hat“, nahm der Schriftsteller in | |
einem Interview mit dem Fernsehsender 3sat zu den gegen ihn erhobenen | |
Vorwürfen Stellung. Es helfe jedoch Israel „überhaupt nicht“, bestimmte | |
Themen zu tabuisieren. Die Lieferung eines sechsten deutschen U-Bootes an | |
das Land sei nun einmal „eine falsche Form der Wiedergutmachung“. | |
## Netanjahu empört | |
Zum Thema Siedlungsbau sagte Grass in den „ARD-Tagesthemen“: „Es darf nic… | |
nur kritisiert, es muss kritisiert werden, wenn man es gut meint mit Israel | |
- und das tue ich.“ „Die Lieferung von deutscher Seite eines sechsten | |
U-Bootes, das in der Lage ist, Mittelstreckenraketen unter Umständen auch | |
mit atomaren Sprengköpfen abzufeuern...und das Auftreten der derzeitigen | |
israelischen Regierung, die dauernd mit einem Präventivschlag (gegen den | |
Iran) droht“, habe ihn zu der Veröffentlichung veranlasst. | |
Im Norddeutschen Rundfunk sagte Grass, es stehe „eine gewisse | |
Gleichschaltung der Meinung im Vordergrund“. Niemand setze sich mit dem | |
Inhalt des Gedichts auseinander. | |
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte empört auf | |
Grass' Kritik an Israel. „Die schändliche moralische Gleichstellung Israels | |
mit dem Iran - einem Regime, das den Holocaust leugnet und mit der | |
Vernichtung Israels droht - sagt wenig über Israel, aber viel über Herrn | |
Grass aus“, erklärte Netanjahu am Donnerstag. | |
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, | |
fragte in einem Gastbeitrag für Handelsblatt Online: „Wer antisemitisch | |
agitiert, wer judenfeindlich argumentiert, wer antisemitische Klischees | |
zuhauf verwendet - was wäre der denn anderes als ein Antisemit?“ Grass' | |
Gedicht sei ein Pamphlet von Hass und Hetze. „Günter Grass hat zwar die | |
Waffen-SS verlassen. Aber offenbar hat die Judenfeindschaft der Waffen-SS | |
Günter Grass doch niemals verlassen“, schrieb Graumann. | |
Auch der israelische Historiker Tom Segev kritisierte den Dichter scharf. | |
Er habe den Eindruck, dass Grass vor allem von seinem eigenen langen | |
Schweigen über seine Vergangenheit bei der Waffen-SS getrieben sei, sagte | |
Segev zu Spiegel Online. Zudem verdrehe Grass die Tatsachen. „Der | |
Unterschied ist, dass Israel im Gegensatz zu Iran noch niemals erklärt hat, | |
dass es irgendein Land von der Weltkarte streichen will“, sagte Segev in | |
Anspielung auf Aussagen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. | |
## Ex-Staatsministerin Müller attackiert den Schriftsteller | |
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, | |
warf Grass Einseitigkeit vor. „In dem Text geht die Gefahr ausschließlich | |
von der Atommacht Israel aus“, sagte Mützenich dem Kölner Stadt-Anzeiger. | |
Die Gefahren, denen sich der jüdische Staat gegenübersehe, würden hingegen | |
verschwiegen. Vor dem Vorwurf des Antisemitismus nahm der SPD-Politiker | |
Grass aber in Schutz. | |
Die frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, | |
verteidigte die israelische Haltung. Die Planungen zum iranischen | |
Atomwaffenprogramm seien höchst alarmierend. „Es ist verständlich, dass man | |
sich in Israel angesichts der antisemitischen Rhetorik Ahmadinedschads | |
große Sorgen macht“, sagte die Grünen-Politikerin. | |
Unterstützung erhielt Grass indes aus der Kulturszene. „Man muss ein klares | |
Wort sagen dürfen, ohne als Israel-Feind denunziert zu werden“, sagte der | |
Präsident der Akademie der Künste in Berlin, Klaus Staeck, der | |
Mitteldeutschen Zeitung. Die „reflexhaften Verurteilungen als Antisemit“ | |
empfinde er als nicht angemessen. | |
6 Apr 2012 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
U-Boot-Lieferung an Israel: „In der Kontinuität der Vorgänger“ | |
Die Opposition kritisiert die Lieferung von U-Booten an Israel: Es müsse | |
geklärt werden, ob diese auch mit atomar bestückt werden können. | |
Schwarz-Gelb sieht kein Problem. | |
Nobelpreisträger darf nicht nach Israel: Heftige Kritik am Grass-Einreiseverbot | |
Die Reaktionen auf Günter Grass' Gedicht reißen nicht ab. Am Sonntag | |
verhängte Israel ein Einreiseverbot. Das wirkt auf die Debatte wie ein | |
Brandbeschleuniger. | |
Grass und die Verschwörung: Alle gleichgeschaltet außer Günter | |
Der alte Autor fällt ins Denken der Nazizeit zurück und wähnt sich als | |
Opfer von Verschwörungen. Praktisch für ihn, denn dann muss er sich selbst | |
nicht in Frage zu stellen. | |
Streit zu Grass wird schriller: Das Echo des Schnäuzers | |
Israels Regierungschef stimmt in die Kritik am Gedicht von Günter Grass | |
ein. Unterstützung erhält der Nobelpreisträger von Schriftstellern – und | |
von der NPD. | |
Günter Grass wehrt sich: „Verletzend und nicht würdig“ | |
Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat nun doch auf die scharfe Kritik | |
an seinem Gedicht reagiert. Er fühlt sich missverstanden und sieht eine | |
Kampagne gegen sich. | |
Das Gedicht von Günter Grass: „Was gesagt werden muss“ | |
Aus aktuellem Anlass dokumentieren wir das umstrittene Gedicht des | |
deutschen Literaturnobelpreisträger Günter Grass „Was gesagt werden muss“ | |
in vollem Wortlaut. | |
Reaktionen auf Grass in Israel: „Seine Meinung ist bedeutungslos“ | |
Weder die Politik noch die meisten Medien in Israel schenken Günter Grass' | |
Text zu Israel und dem Iran große Beachtung. Der Historiker Tom Segev | |
äußert Kritik. | |
Kommentar Grass' Gedicht: Der alte Mann und das Stereotyp | |
Günter Grass entschuldigt mit einem Gedicht sein langes Schweigen über die | |
Furcht, als Antisemit abgestempelt werden zu können. Das aber ist falsch | |
und perfide. | |
Günter Grass über Israel: Der an seiner Schuld würgt | |
Günter Grass geht mit sich und deutscher Geschichte auf eine Weise | |
unaufrichtig um, die politisch verhängnisvoll ist. Eine Entgegnung auf den | |
apokalyptischen Dichter. |