# taz.de -- Heftiger Streit in der FDP: Wenn sich alle gegenseitig doof finden | |
> Kurz vor ihrem Bundesparteitag und zwei Landtagswahlen wird bei den | |
> Liberalen heftig über Inhalt und Führung gestritten. Nur einer schweigt | |
> lautstark. | |
Bild: „Unterirdische Kommunikation“: So denkt Vorstandsmitglied Kubicki (r.… | |
BERLIN taz | Heftig geht es derzeit bei der FDP zu. Die Regierungspartei | |
zofft sich nicht nur über aktuelle Themen wie Betreuungsgeld, Frauenquote | |
oder die Finanztransaktionssteuer. Zehn Tage vor dem Parteitag in Karlsruhe | |
und wenige Wochen vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und | |
Nordrhein-Westfalen wird ungeniert die Führungsfrage gestellt. | |
Philipp Rösler, seit einem Jahr Parteivorsitzender, ist derart geschwächt, | |
dass mittlerweile öffentlich über ihn gelästert wird. „Ab jetzt wird | |
geliefert“, hatte er auf dem Rostocker Parteitag im Mai 2011 verkündet – | |
elf Monate später dümpelt seine FDP in den Umfragen bei 4 Prozent. Offenbar | |
haben die Liberalen einen Lieferengpass. | |
Wolfgang Kubicki, FDP-Vorstandsmitglied, ätzt denn auch über die | |
„unterirdische Kommunikation“ der Parteiführung. Philipp Rösler habe es | |
geschafft, die FDP „als kaltherzig, neoliberal und nicht-mitfühlend“ | |
darzustellen. In seinen 41 Jahren Parteimitgliedschaft, so Kubicki | |
gegenüber der Bild-Zeitung, habe er noch nie erlebt, dass die FDP in den | |
Umfragen so lange unter 5 Prozent gelegen habe. | |
Kubicki führt die Liberalen im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf, | |
wo am 6. Mai gewählt wird. Eine Woche später ist Nordrhein-Westfalen an der | |
Reihe, dort ist der ehemalige FDP-Generalsekretär Christian Lindner | |
Spitzenkandidat. In beiden Ländern muss die FDP um den Einzug in die | |
Parlamente bangen. Nach den desaströsen 1,2 Prozent im Saarland gilt es als | |
ausgemacht, dass die Ergebnisse auch über Philipp Röslers Zukunft als | |
Parteichef entscheiden. | |
Der wiederum verteidigt seine Arbeit und nimmt für sich in Anspruch, die | |
FDP „inhaltlich neu ausgerichtet“ zu haben. Zuvor habe sich die Partei „zu | |
lange auf das Thema Steuersenkungen reduziert“, kritisiert er die Arbeit | |
seines Vorgängers Guido Westerwelle. Er hingegen habe mit dem Thema | |
Wachstum neue liberale Inhalte definiert. Eine Argumentation, die von | |
Kubicki mit der Bemerkung abgemeiert wird, die Wähler könnten mit diesem | |
Begriff wenig anfangen. „Was soll das denn sein? Familienwachstum? | |
Haarwachstum?“ fragt er entnervt. | |
## „Das Argument des politischen Gegners“ | |
Präsidiumsmitglied Dirk Niebel wiederum lässt nichts auf den früheren | |
Parteichef Westerwelle kommen, er nimmt ihn gegen Rösler in Schutz. Der | |
Entwicklungsminister sagt, der Vorwurf, Westerwelle habe die FDP auf das | |
Thema Steuersenkung reduziert, sei „immer das Argument des politischen | |
Gegners“ gewesen. Westerwelle habe die FDP erst für breite | |
Bevölkerungsschichten wählbar gemacht. | |
Bei so viel Gekeife melden sich nun auch noch die Jungen Liberalen zu Wort. | |
Lasse Becker, Vorsitzender des FDP-Jugendverbandes, fleht die Altvorderen | |
regelrecht an, zur Sacharbeit zurückzukehren. Dem Deutschlandfunk sagt der | |
29-Jährige, er wisse auch ohne die öffentlichen Schmähungen, „dass die | |
FDP-Führung sich teilweise gegenseitig doof findet“. Alle in der Führung | |
sollten ab jetzt „dringend zusammenarbeiten“. Die Ursache für die Schwäche | |
der FDP liege „nicht in den Personen“. Genau das sei es, „was die | |
handelnden Akteure etwas verkennen“. | |
Alles scheint von allen gesagt. Wäre da nicht dieses dröhnende Schweigen | |
aus der Fraktionsführung. Rainer Brüderle, sonst nie um einen Kommentar | |
verlegen, lässt durch einen Sprecher ausrichten, er werde sich zu den | |
lautstarken Querelen nicht äußern. Seit Wochen wird gemunkelt, der | |
66-Jährige stünde bereit, sollte die FDP einen neuen Chef brauchen. | |
10 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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