# taz.de -- Rücktritt von Gesine Lötzsch: In guten wie in schlechten Zeiten | |
> Gesine Lötzsch gibt ihre politische Karriere auf – für ihren Mann Ronald. | |
> Der Sprachwissenschaftler saß in der DDR im Knast und wurde dann IM. Ein | |
> Doppelporträt. | |
Bild: Gesine Lötzsch verfolgte zunächst eine akademische Laufbahn. | |
BERLIN taz | Als Gesine Lötzsch am Mittwoch doch noch vor die Presse trat, | |
um sich zu ihrem Rücktritt zu erklären, stand eine zweite Person im | |
Mittelpunkt: ihr Ehemann Ronald. Vor ein paar Tagen hatte die | |
Linken-Politikerin den 80-Jährigen in die Notaufnahme eines Krankenhauses | |
bringen müssen, Wahlkampftermine in Schleswig-Holstein waren zuvor wegen | |
dessen „altersbedingter Erkrankung“ abgesagt worden. | |
Lötzsch ist seit Ende der 1980er Jahre mit Ehemann Ronald verheiratet. In | |
ihrer Karriere als Politikerin, die 1989 als PDS-Bezirksverordnete in | |
Berlin begann, hatte sie ihn stets aus dem Rampenlicht herausgehalten. Dass | |
er vor ein paar Jahren dennoch für Schlagzeilen sorgte, hat mit seiner | |
Biografie zu tun: 1957 war Ronald Lötzsch in der DDR wegen angeblicher | |
Beihilfe zum Staatsverrat verurteilt worden, er saß bis zu einer Amnestie | |
drei Jahre im Gefängnis Bautzen. Kurz darauf führte ihn die Stasi dann als | |
Inoffiziellen Mitarbeiter „Heinz“. Lötzsch konnte promovieren und machte | |
als Sprachwissenschaftler Karriere. | |
Auch die 1961 in Berlin geborene Gesine Lötzsch verfolgte zunächst eine | |
akademische Laufbahn. 1988 promovierte sie im Fach Niederlandistik und | |
wurde wissenschaftliche Assistentin an der Humboldt-Universität. Bald aber | |
begann ihr politischer Aufstieg: 1991 zog sie ins Abgeordnetenhaus ein, war | |
dort Vorsitzende der PDS-Fraktion und zog seit 2002 dreimal als direkt | |
gewählte Abgeordnete in den Bundestag ein. Neben Petra Pau hielt sie dort | |
bis 2005 allein die Stellung für die PDS, die an der Fünfprozenthürde | |
gescheitert war. | |
Der Anerkennung jener Jahre als parlamentarische Einzelkämpferin verdankt | |
die Haushaltsexpertin, dass sie im Januar 2010 in einer turbulenten | |
Nachtsitzung als künftige Parteivorsitzende vorgeschlagen wurde. Im | |
Hintergrund ihrer Nominierung liefen jedoch jene innerparteilichen | |
Konflikte, die dann auch ihre Amtszeit prägten: Wahlerfolge blieben aus, | |
die Diskussion über den Parteiaufbau wurde heftiger – ihrer gemeinsamen | |
Doppelspitze mit Klaus Ernst gelang es kaum, die widerstreitenden Flügel zu | |
integrieren. | |
Lötzsch hat zum Ende ihrer Amtszeit hin versucht, noch konstruktive Spuren | |
auf dem innerlinken Minenfeld zu hinterlassen. Auch das neue Parteiprogramm | |
im letzten Jahr wird intern anerkannt. In Erinnerung bleibt die 50-Jährige | |
aber vor allem mit anderem: 2011 sorgte ihr Aufsatz „Wege zum Kommunismus“ | |
für Aufregung, später geriet sie wegen Äußerungen zur Rolle des Westens | |
beim Mauerbau und einem Glückwunschschreiben an den kubanischen | |
Exstaatschef Fidel Castro in die Dauerkritik. | |
Eine eigene Bilanz ihrer Amtszeit wollte Lötzsch am Mittwoch noch nicht | |
ziehen – dazu sei auf dem Göttinger Parteitag Gelegenheit. Ursprünglich | |
wollte sie im Juni wieder für den Vorsitz kandidieren. Doch großen Rückhalt | |
hatte Lötzsch im Apparat der Linkspartei zuletzt nicht mehr. | |
11 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Strohschneider | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Genossen machen die taz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit der Woche: Sind Doppelspitzen stumpf? | |
Mehrere Köche verderben den Brei. Oder: Vier Augen sehen mehr als zwei. Was | |
stimmt? Kann es nur einen Chef geben? Oder ist geteilte Verantwortung das | |
Zukunftsmodell? | |
Parteispitze der Linkspartei: Machtkampf vertagt | |
Klaus Ernst hat sich durchgesetzt. Die Linkspartei verschiebt die | |
Personaldebatte nach Gesine Lötzschs Rücktritt zunächst. Das beharrliche | |
Schweigen von Lafontaine kommt derweil nicht gut an. | |
Nach dem Rücktritt von Gesine Lötzsch: Landeschefs fordern neue Spitze | |
Obwohl Parteichef Klaus Ernst auf die Bremse drückt, nimmt die | |
Personaldebatte in der Linken Fahrt auf. Zwei Landeschefs fordern | |
Entscheidungen noch vor der wichtigen NRW-Wahl. | |
Nach dem Rücktritt von Gesine Lötzsch: Dialektik des Aufhörens | |
Die Öffentlichkeit vermutet SpitzenpolitikerInnen seien Maschinen, | |
Machtmaschinen eben. Solche aber können ja gar nicht aus privaten Gründen | |
aufhören zu funktionieren. | |
Verbindungsspiele in der Linkspartei: Wer mit wem? | |
Nach dem Rücktritt von Gesine Lötzsch vom Linkspartei-Vorsitz warten alle | |
auf ein Wort von Oskar Lafontaine. Doch der ist im Urlaub. Zeit für | |
Gerüchte. | |
Kommentar Gesine Lötzsch: Wenn das Private politisch wird | |
Gesine Lötzsch ist als Linken-Chefin zurückgetreten – wegen ihres | |
erkrankten Ehemannes. Die Entscheidung verdient Respekt, ihr Zeitpunkt | |
wirft aber ein paar Fragen auf. |