# taz.de -- Najem Walis Reise mit Günter Grass: Unterwegs mit einem Moralisten | |
> Der irakische Exilschriftsteller Najem Wali reiste 2003 mit Günter Grass | |
> in den Jemen. Bis heute hat er dessen missionarische Moralpredigten im | |
> Ohr. | |
Bild: Najem Wali mit Günter Grass 2002 im Jemen. | |
Im Jahr 2002 begleitete der irakische Exilschriftsteller Najem Wali | |
Nobelpreisträger Günter Grass auf eine Reise in den Jemen. Für arabische | |
Dissidenten damals ein gefährliches Land. Als Grass 2006 seine frühere | |
SS-Mitgliedschaft bekannt gab, verfasste Wali diesen bislang | |
unveröffentlichten Text. Wir dokumentieren ihn hier exklusiv und leicht | |
gekürzt. | |
Im Dezember 2002 begleitete ich als offizieller Teilnehmer der deutschen | |
Delegation Günter Grass auf seiner ersten Reise in den Jemen zum dortigen | |
deutsch-arabischen Dialog. Zuvor hatte ich lange gezögert, dieser Reise | |
zuzustimmen, einerseits aufgrund meines Misstrauens gegen den Organisator | |
und ihren obskuren Beziehungen zum irakischen Regime, andererseits, weil es | |
sich um einen offiziellen Besuch unter der Schirmherrschaft der | |
jemenitischen Regierung handelte. | |
Die Zusammenarbeit der jemenitischen mit den irakischen Geheimdiensten | |
stand für mich außer Zweifel. Ich fürchtete, die Jemeniten könnten mich | |
geradewegs den irakischen Behörden [Saddam Hussein herrschte noch im Irak, | |
d. R.] ausliefern. | |
Als ich jedoch auf der Liste der Delegationsteilnehmer las, dass sich der | |
Literaturnobelpreisträger darunter befand, nahm ich meinen ganzen Mut | |
zusammen und sagte mir: Ich fahre, komme, was wolle. Die Delegation war, so | |
erinnere ich mich, riesig groß. Mir sind von dieser Reise voller | |
Widersprüche insbesondere zwei Dinge im Gedächtnis geblieben: ein ganz | |
persönliches Erlebnis, auf das ich abschließend zurückkommen werde, und | |
eine Begebenheit mit Grass. | |
Selbige ereignete sich am Tag nach dem Empfang durch den jemenitischen | |
Präsidenten Ali Abdullah Saleh, an dem Tag also, an dem auf den Titelseiten | |
der jemenitischen Zeitungen das Foto des Präsidenten prangte, wie er Günter | |
Grass den Verdienstorden erster Klasse verlieh. | |
In der lauen Abendluft hatten wir uns auf den Stühlen eines der | |
Kaffeehäuser in der Nähe des wuchtigen alten Hauptstadttors von Sanaa | |
niedergelassen, als sich uns ein junger Jemenit, etwa 17 bis 19 Jahre alt, | |
näherte. Er war traditionell jemenitisch gekleidet: das klassische weiße | |
Hemd, die Dischdascha, reichte bis zum Boden, im Gürtel steckte der | |
Krummdolch, und um den Kopf trug er einen Turban gewickelt. Er war | |
hochgewachsen, kräftig und wirkte sportlich. Seine Kleidung war sauber und | |
frisch gebügelt, wohl aus Leinen oder Seide. Sein ganzes Aussehen und | |
Auftreten machten deutlich, dass er nichts mit den armseligen Jugendlichen | |
gemein hatte, auf die wir im Jemen an allen Ecken und Enden stießen. | |
## Grass blickte verwirrt drein | |
Er ging auf Grass zu, doch die jemenitischen Wachleute, die Grass keinen | |
Moment aus den Augen ließen, hinderten ihn daran, näher zu kommen. Ich weiß | |
nicht, warum sich der junge Mann unter all den Anwesenden ausgerechnet an | |
mich wandte, jedenfalls bat er mich in gestochenem Hocharabisch: „Ich hätte | |
eine Frage an unseren werten Gast.“ Ich sorgte also dafür, dass er sich uns | |
nähern durfte. Zu meinem Erstaunen stellte der junge Mann seine Frage an | |
Grass in gewähltem, akzentfreiem Englisch. Grass blickte verwirrt drein. | |
Vielleicht hatte ihn dieses klare Englisch überrascht, das er nicht ebenso | |
erwidern konnte, oder aber die Frage selbst, ich weiß es nicht. Er wandte | |
sich mir zu, als suche er Hilfe bei mir, und ich übersetzte ihm prompt die | |
Frage in der Annahme, dass sein Englisch nicht ausreiche. Der junge Mann | |
hat auch mich mit seiner Frage überrascht, die da lautete: „Herr Grass, als | |
junger Mann waren sie bei den Nazis. Wie lässt sich das mit Ihren | |
vorgeblich antifaschistischen Werken vereinbaren?“ | |
Ich erinnere mich daran, dass Grass lachte, einen Zug aus seiner Pfeife | |
nahm und anschließend langsam, doch mit nur schwer zu überspielender | |
Nervosität den Rauch ausblies. Dann bat er mich, dem jungen Mann auf seine | |
Frage zu antworten, dass er, Grass, nie bei den Nazis gewesen sei, sondern | |
lediglich Flakhelfer in den letzten Kriegstagen, „bloß fehlgeleiteter | |
jugendlicher Leichtsinn, nichts weiter. Ich hatte nichts, aber auch gar | |
nichts mit den Nazis zu tun.“ So seine eindeutige Antwort. Der junge Mann | |
lachte ebenfalls und entfernte sich dann, wobei er höflich meinte: „Vielen | |
Dank, das war alles, was ich wissen wollte.“ | |
Ich weiß nicht, warum mir ausgerechnet zuallererst dieser junge Mann | |
einfiel, als ich von Grass’ Geständnis hörte, Mitglied der Waffen-SS | |
gewesen zu sein. Ich dachte bei mir, dass Grass nun diesen jungen Mann | |
suchen müsse (soweit ich weiß, pflegte Grass ja weiter seine Beziehungen zu | |
den Jemeniten oder zumindest zu deren Vermittlerin!), um ihm zu sagen: „Ja, | |
Sie haben recht!“ Gehört das etwa nicht zu den Bedingungen des „fairen | |
Dialogs“, den Grass so eifrig von seinen arabischen Partnern einforderte? | |
Ist nicht genau dies die „moralische“ Pflicht, die er auf all seinen Reisen | |
in den Jemen – deren Zahl mir nicht bekannt ist, ich war ja nur auf einer | |
dabei – wie ein katholischer Wanderprediger des Mittelalters vor sich | |
hertrug? | |
Warum hat Grass die Wahrheit vertuscht? Oder, besser gesagt: Warum hat er | |
gelogen? Vielleicht ließe sich das in seinem eigenen Land, in Deutschland, | |
noch in gewisser Hinsicht rechtfertigen, da haben es ihm ja viele andere | |
vorgemacht (die Grass selbst heftig kritisiert hat!). | |
Aber nichts rechtfertigt diese Lüge gegenüber den Einwohnern eines anderen | |
Landes, in das er sich zur Teilnahme an einem Kongress begeben hatte, der | |
offenen Dialog und Selbstkritik propagierte. Was sollten jetzt die | |
Jemeniten sagen, die ihn um die „moralische“ Stärke und Begeisterung | |
beneideten, mit denen er die anderen unermüdlich dazu aufrief, genauso | |
mutig wie er Selbstkritik und Vergangenheitsbewältigung zu betreiben? | |
## Warten auf die Plakette | |
Was sollten sie nun von seiner Forderung halten, die Kultur der | |
„Vertriebenen“ (richtiger sollte er „Exilschriftsteller“ sagen!) zu ach… | |
beispielsweise „der Iraker in unserer Delegation“, wie Grass es in seiner | |
Eröffnungsrede im Kongresssaal des jemenitischen Innenministeriums | |
erwähnte. Er verlangte von den jemenitischen Partnern, es den Deutschen | |
gleichzutun, die erkannt hätten, dass die Kultur der „Vertriebenen“ | |
untrennbarer Bestandteil der deutschen Kultur sei. | |
Die Jemeniten glaubten damals daran, dass sich im eigenen Land etwas tun | |
könne, glaubten an den Dialog zwischen dem Süden, dem Verlierer des | |
Bürgerkrieges, und seinem großen Bruder dem Norden, an den Dialog zwischen | |
den wenigen verbliebenen säkularen Kräften, zumeist aus dem Süden, einer | |
arg bedrängten, schwachen, vom Tode bedrohten Gruppierung, mit den | |
religiösen Führern und Stammesältesten, kleinen Ablegern Bin Ladens, | |
zumeist aus dem Norden, die vom Staat unterstützt werden, von ebenjenem | |
Präsidenten, der eigenhändig Grass den Orden angesteckt hatte. (Besonders | |
peinlich war übrigens noch die Tatsache, dass der Orden gar nicht | |
aufzufinden war, als der Präsident ihn überreichen wollte. Wir mussten | |
ganze zehn Minuten stehend ausharren, bevor die Plakette endlich gebracht | |
wurde!) | |
Das scheinheilige Getue des jemenitischen Staates war von Anfang an leicht | |
zu durchschauen. Den deutschen Eingeladenen wurde nämlich zur Auflage | |
gemacht, sich einen neuen Pass zu besorgen, sofern sich in ihrem | |
derzeitigen ein israelischer Stempel befand. Man teilte ihnen mit, dass der | |
Jemen Israel nicht anerkenne. Wer also einen israelischen Stempel in seinem | |
Pass habe, dem sei die Einreise verboten. | |
Ich weiß, dass der Verleger und Autor Michael Krüger den Jemeniten | |
daraufhin wortwörtlich erwiderte: „Ich habe Freunde in Israel. Würde ich | |
meinen Pass austauschen, wäre das Verrat an ihnen.“ Er stellte die | |
Jemeniten vor die Wahl: Entweder sie akzeptierten diesen Pass oder er reise | |
nicht mit. Die Jemeniten akzeptierten notgedrungen, verlangten jedoch von | |
ihm, dass er niemandem davon erzählen solle. Krüger aber tat genau das | |
Gegenteil. Mir ist leider nicht bekannt, wie Grass auf die Bedingungen | |
bezüglich der Pässe reagierte. | |
Grass predigte den Jemeniten ohne Unterlass Mut: Sie sollten ins Gespräch | |
kommen, sogar über den Islam und den Koran diskutieren, der, wie Grass es | |
in einer Rede in Taizz formulierte, „von Mohammad verfasst sei“. Einige | |
Wochen nach den Diskussionen trugen diese Früchte, aber ganz anderer Art. | |
Jarallah Omar, ein besonders couragierter Dialogteilnehmer, ein | |
Intellektueller aus dem Südjemen, wurde erschossen. Er hatte Grass’ Aufruf | |
treu verfochten. Grass hatte zuvor unmittelbar erleben dürfen, wie | |
religiöse Stimmen alle Gesprächsrunden des Dialoges dominierten. | |
Gebildete junge Leute wurden daran gehindert, zu uns zu stoßen. Unsere | |
Zusammenkünfte fanden in hermetisch abgeriegelten staatlichen | |
Räumlichkeiten statt. Ich sagte ihm das auch. Es war leicht zu erkennen, | |
dass der Staat die Fundamentalisten unterstützte. Sie konnten sich völlig | |
ungehindert bewegen und frei ihre Ideologie verkünden. | |
Wenn aber jemand so wie Jarallah Omar es wagte, seine Gedanken zu äußern, | |
beispielsweise, dass der Südjemen den Krieg verloren habe, vom Norden | |
vergewaltigt worden sei und zur Trennung von Staat und Religion aufrief | |
(wie auch Grass dies in seiner Abschlusserklärung tat), dann wurde er in | |
ebenjenem Raum ermordet, in dem unsere Treffen eröffnet worden waren. Um | |
genau zu sein: in einem öffentlichen Saal, bei einem offiziellen Kongress | |
der herrschenden Partei, der Partei ebenjenes Präsidenten, der Grass den | |
Verdienstorden verliehen hatte. | |
Auf mein Drängen und das anderer Delegationsmitglieder hin hatte Grass den | |
jemenitischen Präsidenten auch auf einen jemenitischen Schriftsteller | |
angesprochen, der vor einer Fatwa nach Damaskus geflohen war, da er sich | |
vom Tode bedroht sah. Als Grass jedoch darauf bestand, kündigte Saleh | |
schließlich eine Amnestie für den Schriftsteller an. Wir riefen ihn also | |
an, er möge kommen. | |
## Wie in Abrahams Schoß | |
Am Tag seines geplanten Fluges von Damaskus nach Sanaa wurde er dann von | |
den Syrern am Flughafen festgenommen – unter dem Vorwand, er sei seit sechs | |
Monaten ohne Aufenthaltserlaubnis in Damaskus. Der arme Schriftsteller | |
musste in Syrien bleiben, während eine Woche später seine Frau in einem | |
Krankenhaus in Sanaa bei der Geburt ihres ersten Kindes verstarb. Und was | |
tat Grass? | |
Den Rest der Reise verbrachte er damit, den „mutigen Dialog“ zu predigen. | |
Anschließend gab er dann gegenüber Ulrich Wickert in den „Tagesthemen“ den | |
berühmten Satz von sich: „Ich fühle mich sicher wie in Abrahams Schoß.“ | |
Hatte er die Sache mit dem Schriftsteller völlig vergessen, die ständige | |
Präsenz der Armee- und Polizeikohorte verdrängt, die die Delegation auf | |
Schritt und Tritt begleitete? | |
Auch waren ihm die Hunderte von Terroristen und Al-Qaida-Leute entgangen, | |
von denen es im Land nur so wimmelte und die in alle Welt exportiert | |
wurden. Er begnügte sich auch nicht mit dieser einen Reise, sondern ließ | |
ihr eine weitere folgen. | |
Und warum? Sofern dies nicht nur dem Einfluss einer gewissen, für den Jemen | |
tätigen Dame zu verdanken ist, dann doch wohl, so hieß es, um die | |
Verwendung seiner Spenden zu verfolgen und ein Zentrum zur Förderung der | |
jemenitischen Lehmbauweise in der alten Stadt Schibam einzuweihen. Ich war | |
selbst dabei, als Grass 10.000 Euro spendete. Allein die erste Reise | |
dagegen kostete den jemenitischen Staatshaushalt eine Viertelmillion | |
Dollar, ganz zu schweigen von der folgenden und weiteren Reisen und den | |
Geschenken des jemenitischen Präsidenten an Grass, deren Wert ich nicht | |
kenne. | |
Sicherlich überstiegen die Ausgaben aber die Höhe des gespendeten Betrages | |
bei Weitem. Soweit ich weiß, kosteten die Besuche den jemenitischen Staat | |
etwa eine halbe Million Dollar. Dass in einem Land, wo zerlumpte alte | |
Menschen und Kinder bettelnd durch die Straßen Sanaas ziehen und durch | |
lautes „Mister, Mister!“ auf sich aufmerksam machen. Und der „Missionar“ | |
Grass? Er nahm nicht einmal die Pfeife aus dem Mund, während seine Bewacher | |
die Bettler wie lästige Fliegen verscheuchten. | |
Wer wie ich noch all die missionarischen Moralpredigten im Ohr hat, in | |
denen Grass während der gesamten Reise tagein, tagaus eine neue Ethik für | |
die Welt forderte, dem fällt es schwer zu schweigen, wenn er erfährt, dass | |
ebenjener Mann, der sich selbst stets als leuchtendes Beispiel | |
voranstellte, nicht seinen eigenen Worten gemäß handelte! | |
Mich überkommt auch ein Schaudern, wenn ich an die empörte Reaktion eines | |
jemenitischen Scheichs und seiner Anhänger denke, als ich ihnen Grass’ | |
Bemerkungen zu seiner Novelle „Katz und Maus“ übersetzte. Grass hatte mich | |
ausdrücklich gebeten, seine Frage dem Scheich mit dem hennagesprenkelten | |
Bart, der mich an Bin Laden erinnerte, zu übersetzen. Grass’ Frage lautete, | |
ob der Scheich in den letzten Jahren trotz seines hohen Alters onaniert | |
habe. | |
## Heuchelei der Kleriker | |
Grass wollte damit die moralische Heuchelei herausstellen, die darin | |
bestehe, eine Sache anderen zu verbieten, aber sie selbst zu tun. Ganz | |
besonders ging es ihm dabei um die Heuchelei der Kleriker. Als Beweis dafür | |
galt ihm der Fall eines deutschen Priesters, der sich für das Verbot von | |
„Katz und Maus“ starkgemacht habe. Später dann sei ebendieser Priester | |
einmal in Priesterkleidung zu einer Lesung von Grass erschienen, habe ihm | |
gedankt und gestanden, dass er durch „Katz und Maus“ gelernt habe, wie man | |
onaniere! | |
Zurück zum Scheich: Ihm und seinen Begleitern missfiel diese Frage | |
sichtlich, und sie erwiderten, es sei doch wohl nicht möglich, dass ein | |
ehrenwerter älterer Herr, noch dazu Nobelpreisträger, derartige | |
Ungeheuerlichkeiten von sich gebe! Daher müsse es sich wohl um einen der | |
üblen Scherze von Najem Wali handeln, „dem irakischen Autor, der ja für | |
seine Zotigkeiten und Tabubrüche bekannt ist“. | |
Am folgenden Tag verwünschten mich die jemenitischen Zeitungen, womit ich | |
quasi für vogelfrei erklärt wurde. Ich begab mich zu Grass und bat ihn, er | |
möge die Sache klarstellen. Da hieß es dann „Wie edelmütig von Grass, sich | |
für seinen Freund einzusetzen!“ Dessen ungeachtet blieb die offizielle | |
Position: Grass, der „Freund der Araber“ konnte nicht eine solche | |
Ungeheuerlichkeit gesagt haben! | |
Grass spricht heute davon, dass er freiwillig in die SS eingetreten sei. | |
Für mich als Iraker, der die Verbrechen der SS aus Literatur, Geschichte | |
und die leidvollen Klagen der Opfer kennt, drängen sich Bilder ganz | |
ähnlicher Organisationen auf, die bei uns wüteten und mordeten. | |
Mörderbanden wie das Kommando Mai 41, das 1941 im Irak Juden tötete und | |
vertrieb, oder die Nationale Baath-Garde, die 1963 Tausende vernichtete, | |
und schließlich die Todesschwadronen zu Zeiten Saddam Husseins. | |
Bei einer dieser Mörderbanden war auch der irakische Doktor gewesen, der | |
nun an der Universität des Jemen im Fachbereich Germanistik unterrichtete | |
und der zu dem Empfang zu Ehren unserer Delegation beim deutschen | |
Botschafter in Sanaa gekommen war. Dies ist die zweite Begegnung, die mir, | |
wie eingangs erwähnt, noch deutlich im Gedächtnis ist. Jener Dozent, der | |
mich eines Tages in einem Raum der Universität Bagdad festgehalten und | |
gefoltert hatte, trat an mich heran, um mich zu bitten, ich möge mich für | |
ihn beim deutschen Botschafter für ein Deutschlandvisum verwenden! | |
„Am Anfang war das Wort“, unter diesem Motto stand der deutsch-arabische | |
Dialog im Jemen. Für die Waffen-SS und ähnliche Mörderbanden anderswo auf | |
der Welt gilt jedoch: „Am Anfang war das Morden“! Deren Opfer wissen dies | |
nur zu genau. Ich für meinen Teil verspüre keineswegs das Bedürfnis, Grass’ | |
Memoiren zu lesen, um genauestens zu erfahren, mit welchen Aufgaben er | |
betraut war. | |
Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, eine Bitte an ihn heranzutragen: | |
Bitte unterlassen Sie es ab sofort, sich als „Freund der Araber“ zu | |
bezeichnen. Verschonen Sie uns mit Ihrer Freundschaft, unser Ruf hat schon | |
genug gelitten – wir haben auch schon genug falsche Freunde. | |
Aus dem Arabischen von Nicola Ben Said | |
16 Apr 2012 | |
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Literatur | |
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