# taz.de -- Presseverantwortung im Breivik-Prozess: „Sind wir tanzende Marion… | |
> Die Norweger debattieren über die Grenzen der Informationspflicht. Wann | |
> man Gefahr läuft, das PR-Geschäft des Attentäters zu erledigen – daran | |
> scheiden sich die Geister. | |
Bild: Norwegen kennt nur eine Schlagzeile in diesen Tagen. | |
STOCKHOLM taz | Als „Phase 3 der Operation“ bezeichnet Anders Behring | |
Breivik in seinem „Manifest“ die öffentliche Gerichtsverhandlung gegen ihn, | |
den „Tempelritter“. In dieser Phase gelte es, die „Bürgerkriegs“-Botsc… | |
zu vertiefen. 15 Prozent der Bevölkerung, so schätze er, seien potenziell | |
offen für diese Gedankengänge. | |
Seit Monaten wurde in norwegischen Medien darüber diskutiert, wie man | |
berichten solle, wenn der Terrorist denn auf dieser von ihm gewünschten | |
Bühne stehen werde. „Sind wir tanzende Marionetten oder vermitteln wir | |
etwas Wichtiges und Notwendiges?“, fragte die Journalistin Åsne Seierstad. | |
Wo genau die Grenze beginnt, in der man Gefahr läuft, das PR-Geschäft des | |
Massenmörders zu erledigen, darüber schieden sich gleich zu Prozessbeginn | |
die Geister. Das Fachorgan Journalisten konstatierte in einer ersten | |
Bilanz, die norwegischen Medien hätten sich größere Zurückhaltung auferlegt | |
als die im Ausland. | |
Tatsächlich kam keine norwegische Zeitung auf die Idee, ausgerechnet mit | |
der geballten Faust von Breiviks einstudierter „Tempelrittergruß“-Pose | |
aufzumachen, wie es in Deutschland beispielsweise Bild und Frankfurter | |
Rundschau taten. | |
Und anders als viele ausländische Fernsehsender entschieden sich die | |
norwegischen Online- und TV-Medien dagegen, das Promotionvideo Breiviks, | |
das am Montag im Gerichtssaal abgespielt worden war, auch nur | |
ausschnittsweise zu senden. „Weil er da Regie führt“, sagt | |
Dagbladet-Redakteurin Alexandra Beverfjord. „Weil wir es analysieren | |
wollten und deshalb zeigen mussten“, begründet Torry Pedersen von der | |
Boulevardkonkurrenz VG, warum man als einzige Osloer Zeitung das Video | |
online präsentierte. | |
Das sieht Erlik-Redakteur Anlov Mathiesen anders: „Informationspflicht“ und | |
„gesellschaftlicher Auftrag“, seien typische Floskeln, hinter denen sich | |
doch nur eines verberge: Kommerz. Ethik und Anständigkeit kämen dabei unter | |
die Räder. Der Blogger Bjørn Stærk warnt: Offenbar gebe es das gemeinsame | |
Interesse des Terroristen und vieler Medien, das Publikum schockieren zu | |
wollen. | |
Radikal war die linke Tageszeitung Klassekampen. Sie brachte zum | |
Prozessbeginn unter der Pünktchen-Überschrift „…“ einen Siebenzeilentex… | |
Es sei „viel, vielleicht zu viel“ gesagt und geschrieben worden. Jetzt | |
solle man alles Weitere der Justiz überlassen: Es sei Zeit „für Stille und | |
Besinnung“. | |
17 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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