# taz.de -- Externe Mitarbeiter in Ministerien: Lobbyisten im Hause Bahr | |
> Die Zahl externer Mitarbeiter in Ministerien steigt. Nicht ausgewiesen | |
> werden sie im Gesundheitsministerium. Selbst Rechtsverstöße bleiben | |
> folgenlos. | |
Bild: Von Lobbyisten umringt? Daniel Bahr. | |
HEIDELBERG taz | In den Bundesministerien arbeiten mehr Interessenvertreter | |
als bisher bekannt. Nach Informationen der taz sind im | |
Gesundheitsministerium zurzeit eine Angestellte des GKV-Spitzenverbands der | |
Krankenkassen und zwei Mitarbeiter der AOK tätig. | |
Diese externen Mitarbeiter tauchen in einem internen Lobbyisten-Bericht, | |
welcher der taz vorliegt, nicht auf. Lobbyismus-Experten kritisieren diese | |
intransparente Praxis. | |
Durch einen Bericht des Innenministeriums „über den Einsatz externer | |
Personen in der Bundesverwaltung“ ist bekannt geworden, dass in mehreren | |
Ministerien weiterhin Lobbyisten arbeiten. In den Häusern von Außenminister | |
Guido Westerwelle und Gesundheitsminister Daniel Bahr (beide FDP) bereiten | |
Interessenvertreter auch Reden für die Hausleitung vor. | |
Welche Aufgaben die Mitarbeiter des GKV-Spitzenverbands und der AOK | |
erfüllen, nennt das Gesundheitsministerium nicht. Es schließt aber die | |
Mitarbeit an Gesetzesentwürfen nicht aus. Eine Sprecherin des Ministeriums | |
sagt, das Sozialgesetzbuch erlaube den Krankenkassen, die Ministerien | |
personell zu unterstützen. Da für Krankenkassen als Körperschaften des | |
öffentlichen Rechts besondere Regeln gelten, sind deren Mitarbeiter im | |
Bericht des Innenministeriums nicht aufgeführt. | |
## Vor allem FDP-geführte Ministerien betroffen | |
„Wir fordern, dass auch Vertreter der Krankenkassen aufgelistet werden“, | |
sagt Ulrich Müller, Vorstand der Initiative LobbyControl. In der | |
Vergangenheit hätten ebenso Mitarbeiter der staatlichen KfW-Förderbank und | |
anderer Einrichtungen in Ministerien gearbeitet. „Der aktuelle Bericht | |
erfasst nur einen Teil der externen Mitarbeiter“, bemängelt Müller. Deshalb | |
schaffe der Bericht, der ohnehin nicht-öffentlich ist, keine wirkliche | |
Transparenz über die Aktivitäten von Unternehmens- und Verbandsmitarbeitern | |
in der Bundesregierung. | |
Laut dem Bericht waren im zweiten Halbjahr 2011 in der Bundesverwaltung 70 | |
externe Mitarbeiter beschäftigt. Obwohl der Einsatz externer Mitarbeiter in | |
Ministerien seit Jahren kritisiert wird, hat ihre Anzahl damit einen neuen | |
Höchststand erreicht. Dabei sind zum Beispiel die drei | |
Krankenkassen-Mitarbeiter offensichtlich gar nicht mitgezählt. | |
Nachdem 2006 ein „Monitor“-Bericht darauf aufmerksam gemacht hatte, wird | |
seit 2008 auf Drängen des Bundesrechnungshofes und des Bundestags die | |
Beschäftigung solcher „Leiharbeiter“ in Ministerien reguliert und erfasst. | |
Auffällig ist, dass aktuell vor allem die FDP-geführten Ministerien | |
betroffen sind. Im Auswärtigen Amt soll seit Oktober ein Angestellter des | |
Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) mithelfen, Reden für die | |
Leitung des Hauses zu schreiben. | |
## „Grundsätzlich nicht zulässig“ | |
Im Gesundheitsministerium arbeitete 2011 sogar ein Mitarbeiter des Verbands | |
der Ersatzkassen (vdek) am Entwurf des Versorgungsgesetzes. Dabei ist laut | |
der einschlägigen Verwaltungsvorschrift der Einsatz externen Personals bei | |
der Formulierung von Gesetzesentwürfen und anderen Rechtsetzungsakten | |
„grundsätzlich nicht zulässig“. | |
Lobbyismus-Experten kritisieren diesen Fall deshalb scharf. „Die Mitarbeit | |
des vdek-Angestellten an einem Gesetzentwurf verstößt gegen die | |
Vorschriften der Bundesregierung“, sagt Ulrich Müller von LobbyControl. Die | |
Vorschriften „müssen streng eingehalten werden.“ | |
Auch der umtriebige Berliner Staats- und Verwaltungsrechtler Ulrich Battis | |
sieht in der Beteiligung des vdek-Mitarbeiters einen Verstoß gegen die | |
Verwaltungsvorschrift. „Dies hat allerdings keine rechtlichen Folgen“, | |
erklärt Battis – Strafen irgendwelcher Art sind also nicht vorgesehen. Dies | |
ist für Müller das Hauptproblem. „Die Ministerien halten ihre eigenen | |
Vorschriften nicht ein – und keine Sanktionen dafür sind möglich.“ | |
19 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Maisch | |
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