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# taz.de -- 32 Jahre Robert Mugabe in Simbabwe: Wo der Schein trügt
> Vor 5 Jahren fürchtete die Welt einen neuen gescheiterten Staat in Afrika
> – Simbabwe. Heute lebt das Land mit einer Kulisse von Normalität.
> Dahinter liegt das Trauma.
Bild: Die 32. Unabhängigkeitsfeier Simbabwes in Harare
HARARE taz | Billigwaren aus Asien sind nicht unbedingt beliebt in
Simbabwe. Aber bezahlbar. „Little Chinatown“ boomt in der Hauptstadt
Harare. Chinesen machen Nigerianern und Kongolesen Konkurrenz, es dröhnt
Sprachgewirr und Musik aus dem roten Häuserblock der Händler in Downtown.
Das Viertel lebt. Die Stadt funktioniert. Moderne Wagen und importierte
Taxibusse mit chinesischen Schriftzeichen stauen sich auf den Straßen, es
herrscht Geschäftigkeit. Passanten tragen Lunch-Pakete aus Fast-Food-Ketten
oder treffen sich in Cafés.
Erinnerungen an Harare vor fünf Jahren zeichnen ein anderes Bild: Damals
warteten schier endlose Autoschlangen vor leeren Tankstellen, die
Benzinhähne blieben trocken. Einkäufe in den Läden erübrigten sich – es g…
nichts, die leeren Regale nahmen den Menschen die Hoffnung auf ein besseres
Leben. Mit Schubkarren voller wertloser Banknoten versuchten viele
verzweifelt, etwas Nahrung zu ergattern. Die Geldautomaten der Bank gaben
nichts her.
Das Regime von Präsident Robert Mugabe hatte das Land und die Hauptstadt in
den Ruin gewirtschaftet. Eine kaum begreifbare Geldentwertung von Schwindel
erregenden 231 Millionen Prozent schockierte die Menschen, bis sie ihre
eigene Währung nicht mehr ernst nahmen. Seit der Dollarisierung – so nennen
die Simbabwer den Untergang ihrer eigenen Währung (der Zim-Dollar) und die
Übernahme des US-Dollars im März 2009 als Ersatz – sind die Regale voller
Waren aus Südafrika.
Das Eastgate-Einkaufszentrum ist ein moderner Betonkasten auf der
Robert-Mugabe-Straße und beherbergt alle großen Ladenketten aus dem reichen
Nachbarland. Noch dieses Jahr soll eine neue, modernere Halle entstehen,
die „Mall of Zimbabwe“ im schicken Viertel Borrowdale, für 100 Millionen
US-Dollar. Auch da haben sich Geschäftsleute aus Südafrika die Mehrheit der
Ladenflächen geschnappt, obwohl Simbabwe jetzt vorschreibt, ausländische
Investoren dürften nicht mehr als 49 Prozent Unternehmensanteile besitzen.
Aber hohe Profite gehen vor.
Sogar die Luxus-Automarke Jaguar hat eine Verkaufsfiliale aus feinster
Glasarchitektur im Zentrum von Harare eröffnet. Wer Jaguar, Range Rover
oder Land Rover fährt, muss jetzt nicht mehr für Reparaturen und
Ersatzteile nach Südafrika.
## Das Leben ist teuer
Das große Nachbarland ist nach Simbabwe gekommen. Das hat für große
Erleichterung auch bei der ärmeren Bevölkerung gesorgt, aber das Leben ist
teuer. Ein Laib Brot kostet einen Dollar, Lehrer verdienen rund 300 Dollar
im Monat. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Viele Simbabwer sind auf
ausgewanderte Verwandte und ihre Geldsendungen aus Südafrika angewiesen –
eine eigene Grenzökonomie.
Oberflächlich soll alles normal aussehen. Bettler wie in Südafrika sind
nicht zu entdecken, sie werden immer wieder aus der Stadt gekarrt. In den
umliegenden Townships grassiert aber die Armut. Korruption ist
Normalzustand. Manche nehmen es mit Galgenhumor und zücken hilflos das
Schmiergeld bei den vielen Polizeikontrollen, in denen Autos auf Straßen
voller Schlaglöcher grundlos angehalten werden.
Ein paar Häuserblocks von Chinatown entfernt ragt der zwanzig Jahre alte
Betonklotz des Rainbow Towers Hotel in die Höhe. Das Foyer ist leer,
verstaubte Läden stellen wenige Kuriositäten aus. Verblasst ist der Moment
vor knapp vier Jahren, als hier hinter verschlossenen Türen die
Machtteilung zwischen Präsident Robert Mugabe und Oppositionsführer Morgan
Tsvangirai ausgehandelt wurde. Im Scheinwerferlicht verkündeten damals die
verfeindeten Politiker nach einer von Gewalt überschatteten Wahl eine
Regierung der nationalen Einheit. Wie die Aufbruchstimmung von 2008 wirkt
das Hotel in der Hauptstadt heute abgestanden und tot.
Geht es nach dem Willen Mugabes, sollen dieses Jahr neue Präsidentschafts-
und Parlamentswahlen stattfinden. Seine Gegner und Koalitionspartner um
Tsvangirai, seit 2008 Premierminister, weigern sich. Sie verweisen darauf,
dass vor vier Jahren eine neue demokratische Verfassung für das Land
vereinbart wurde, als Vorbedingung für Wahlen 2013.
## Freie Presse unerwünscht
Die Verfassung gibt es aber noch nicht. Sie entsteht im Schneckentempo im
Crown Plaza Hotel von Harare, in schier endlosen Sitzungen von
Parlamentariern. „Die Abgeordneten bezahlen nicht einmal ihre Zeche“,
flüstert der Portier des ansonsten leer stehenden Luxushotels und kichert
kopfschüttelnd.
Recherchen in diesem Polizeistaat sind mühselig, drakonische Mediengesetze
sollen unabhängige Meinungen ersticken. Ausländische Journalisten, die vor
Ort mit den Menschen sprechen wollen, erhalten nur selten eine offizielle
Akkreditierung. Politische Gespräche mit Oppositionellen sind besonders
brisant. Wer auf eigene Faust – ohne Arbeitserlaubnis der simbabwischen
Behörden – einreist, läuft Gefahr, bespitzelt und verhaftet zu werden.
Kurz vor Wahlen steigt die Anspannung. Das journalistische Geschäft wird
noch schwieriger – auch für die einheimischen Medien, obwohl die sich unter
der Regierung der nationalen Einheit etwas von den Verboten und Schikanen
durch das alte Regime befreit haben. Am Straßenrand werden ebenfalls
nichtstaatliche Blätter feilgeboten, doch die Propagandamaschine Mugabes
läuft gut.
Simbabwes Bürgerrechtler sind frustriert. Sie waren schon skeptisch über
die Machtteilung Mugabe/Tsvangirai. Jetzt sehen viele ihre Zweifel
bestätigt – und setzen darauf, die Verfassungsreform auf eigene Faust
voranzubringen. „Wir machen weiter, und das Volk soll in einem Referendum
in der zweiten Jahreshälfte abstimmen“, sagt McDonald Lewanika, Direktor
des Netzwerks Crisis in Zimbabwe Coalition, in dem sich kritische Anwälte,
Kirchengruppen und andere Bürgerinitiativen zusammengeschlossen haben.
## Zuma soll vermitteln
Der rundliche junge Mann sitzt in einer Kneipe bei einem Glas Bier und
raucht Kette. Jahrelang verfolgt von Polizeispitzeln zu arbeiten ist
anstrengend. Lewanika hofft jetzt, dass die Nachbarn Simbabwes sich
einschalten, um den politischen Stillstand in seinem Land zu beenden.
Südafrikas Präsident Jacob Zuma solle vermitteln. Lewanikas Organisation
wolle nun „nicht mehr bei ausländischen Regierungen um Hilfe bitten,
sondern mit einer populären Persönlichkeit als Leitfigur arbeiten“, sagt
er.
Vor fünf Jahren sorgte sich die Welt um einen neuen gescheiterten Staat in
Afrika. Schien Simbabwe zwischen 2007 und den von brutaler Gewalt
überschatteten Präsidentschaftswahlen 2008 kurz vor der Explosion, arbeiten
die Kontrahenten von damals heute zwar gemeinsam in der Regierung, doch
nicht wirklich zusammen. Politischer Stillstand mit einem 88-jährigen
Despoten an der Spitze lässt wenig Fortschritt zu. Auf den Straßen ist die
politische Krise zwar nicht mehr direkt sichtbar. Hinter den Fassaden
stecken die Menschen und das Land jedoch immer noch im Trauma.
Die Infrastruktur ist vernachlässigt, nicht selten bleiben fließendes
Wasser und Strom aus. Typhus hat sich in der Stadt ausgebreitet. Das
Nachbarland Mosambik hatte gerade die Zufuhr an Elektrizität aus dem
Cabora-Bassa-Damm eingestellt. Simbabwe schuldet Mosambik 75 Millionen
Dollar.
## Elite füllt sich die Taschen
Mit Weltbankgeldern sollen jetzt marode Wasserleitungen und Anlagen
repariert werden, verkündete kürzlich Finanzminister Tendai Biti, der zu
Tsvangirais ehemaliger Oppositionspartei MDC (Bewegung für demokratischen
Wandel) gehört. Eigenes Geld hat er nicht. Regierungsangestellte streiken
wegen ungezahlter Gehälter.
Lukrative Einnahmen aus dem Diamantenexport fließen derweil an der
Staatskasse vorbei in die Taschen von Militär und Mugabe-Elite. Seinem
Ministerium seien für dieses Jahr 600 Millionen US-Dollar aus
Diamantenverkäufen versprochen worden, erhalten habe er bisher nur 19
Millionen, so Biti.
Die Diamantenhändler nutzen Privatjets. Die staatliche Fluglinie Air
Zimbabwe ist pleite, ihre acht Maschinen sind am Flughafen von Harare
geparkt. Die Fluglinie hat 140 Millionen US-Dollar Schulden. Eine
chinesische Rettungsaktion scheiterte, nun durften die Vereinigten
Arabischen Emirate eine Route übernehmen. Ansonsten beherrschen
Südafrikaner den Flughimmel über Harare.
Im Flughafenladen wird afrikanischer Kitsch angeboten, Parfüm und Alkohol.
Ein Verkäufer taucht neben dem leeren Regal hervor und zieht einen sauberen
„Ein-Trillion-Dollar-Schein“ hervor, aus dem Hyperinflationsjahr 2008.
„Hier, Madam“, sagt er. „Ein Souvenir.“
19 Apr 2012
## AUTOREN
Martina Schwikowski
Martina Schwikowski
## TAGS
Recherchefonds Ausland
Morgan Tsvangirai
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