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# taz.de -- Politologe über chinesische Machtkämpfe: „Der Triumph der Neoli…
> Neoliberale nutzen in China die Affäre Bo, um das Experiment einer
> sozialeren Gesellschaft zu diskreditieren, sagt Politiologe Wang Hui.
> „Aber die Ideen werden nicht verschwinden.“
Bild: Die Millionenmetropole Chongqing.
taz: Herr Wang, der Skandal um die Ehefrau des Spitzenpolitikers Bo Xilai
und sein Sturz erschüttern die chinesische Zentralregierung. Was macht
diese Affäre so bedeutsam?
Wang Hui: Einige Beobachter sagen, dass wir derzeit in Peking die größte
politische Krise seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem
Tiananmenplatz von 1989 erleben. Die Folgen dieser Affäre werden bestimmen,
welche Richtung China einschlagen wird: neoliberal oder mit stärkerem
Gewicht auf sozialer Gleichheit.
Das müssen Sie näher erklären.
Bo Xilai war der Parteichef der Metropole Chongqing im Südwesten Chinas.
Die Zentralregierung hat in den letzten Jahrzehnten unterschiedliche
wirtschafts- und sozialpolitische Experimente in verschiedenen Städten
zugelassen. Es gibt etwa das Wenzhou-Modell, das Canton-Modell und eben das
Chongqing-Experiment.
Und was unterscheidet das Chongqing-Experiment vom Canton-Modell?
Es gibt zwar Überschneidungen, grundsätzlich hat Canton aber auf
exportgetriebenes Wachstum gesetzt, das heißt auf Massen von
Wanderarbeitern, die für wenig Geld Produkte für die ganze Welt nähen oder
zusammenlöten. Chongqing hingegen argumentiert für Staatsbetriebe und
Umverteilung. In diesem Modell geht es um sozialen Wohnungsbau und den
Wiederaufbau eines Sozialversicherungssystems. Chongqing steht für
Staatsbetriebe und für bessere Lebensverhältnisse vor allem für die in
China nach wie vor verarmten Bauern. Es geht darum, ihnen die gleichen
Rechte zu verschaffen wie den sehr viel privilegierteren Menschen in den
Städten.
Was hat das mit den Neoliberalen zu tun?
Diese Kräfte setzten auf noch mehr Privatisierung von Agrarland,
Privatisierung der Staatsunternehmen, vor allem aber auf eine
Liberalisierung des Bankensektors, der in China noch immer weitgehend in
staatlicher Hand ist. In den vergangenen Jahren hat es viel Kritik an
Chinas Neoliberalismus der 1990er Jahre gegeben. In Experimenten wie dem
von Chongqing haben sich die Politiker und Experten um Alternativen bemüht.
Die neoliberalen Kräfte nutzen die Affäre um Bos Frau, um das
Chongqing-Experiment generell infrage zu stellen. Es ist ihr Triumph.
An Bo Xilais Agenda gibt es zu Recht auch Kritik. Sein angeblicher Kampf in
Chongqing gegen Mafia und Korruption ging selbst vielen in der autoritären
Zentralregierung zu weit. Ausgerechnet Bos Frau ist nun wegen Mord- und
Korruptionsverdacht in Haft.
Es gibt eine Reihe von Debatten und sehr viel Kritik am
Chongqing-Experiment aus unterschiedlichen Richtungen. Immerhin werden all
diese Debatten öffentlich geführt und nicht im Hinterzimmer. Zu der Affäre
um Bos Frau an sich kann ich nichts sagen. Das ist Sache der
Ermittlungsbehörden. Aber es ist ja auch in China kein Geheimnis, dass
viele Parteifunktionäre korrumpierbar und in irgendwelche Affären
involviert sind. Und genau diese Kräfte hatten Angst, bei Bos
Antimafiakampagne selbst aufzufliegen.
Ist mit dem Sturz von Bo Xilai nun das Chongqing-Experiment am Ende?
Es ist nicht abzusehen, ob es jemand anders geben wird, der sich wie Bo für
diese Positionen einsetzt. Aber die Ideen an sich werden nicht
verschwinden. Soziale Gleichheit, Umverteilung, Nachhaltigkeit und
Umweltschutz sind alles große Themen, mit denen sich die chinesische
Führung und die Gesellschaft auch künftig intensiv auseinandersetzen
werden.
26 Apr 2012
## AUTOREN
Felix Lee
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