# taz.de -- Neue Führung für Bertelsmann-Stiftung: Nicht noch ne Mohn | |
> Nicht Gründertochter Brigitte übernimmt die Spitze der | |
> Bertelsmann-Stiftung, sondern Ex-OECD-Generalsekretär Aart De Geus. So | |
> sollen Debatten vermieden werden. | |
Bild: Wird die neue Spitze von Bertelsmann: Aart Jan De Geus. | |
Vielleicht liegt es auch nur daran, dass Bertelsmann-Matriarchin Liz Mohn | |
nicht die zweite Geige hinter ihrer Tochter spielen wollte: Am Freitag hat | |
das Kuratorium der Bertelsmann Stiftung den früheren stellvertretenden | |
Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und | |
Entwicklung (OECD), Aart Jan De Geus (56), zum neuen Vorstandsvorsitzenden | |
berufen. | |
Der Niederländer ersetzt den früheren Bertelsmann-Konzernchef Gunter | |
Thielen und tritt sein Amt zum 5. August 2012 an. Liz Mohn bleibt | |
stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, die mit | |
knapp 78 Prozent die Mehrheit am gleichnamigen Medien- und Logistikkonzern | |
hält. Der Rest von Bertelsmann gehört der Familie Mohn direkt. | |
Mohn-Tochter Brigitte (47), die mit Blick auf den bald anstehenden | |
Generationswechsel – Liz Mohn wird im Juni 71 – die Führung hätte | |
übernehmen können, bleibt einfaches Vorstandsmitglied. Wahrscheinlich wäre | |
noch eine Mohn an der Spitze schlicht zu viel gewesen: Dies hätte | |
Protesten, die Familie besetze systematisch alle Führungs- und | |
Kontrollposten bei Stiftung wie Konzern, neue Nahrung gegeben und die | |
Debatte um die Gemeinnützigkeit der Bertelsmann-Stiftung befeuert. | |
Denn die Stiftung, und genauer, ihr Einfluss stehen immer wieder in der | |
Kritik. Sie macht beinahe täglich Politik – und steht in ihrem Motto dazu: | |
„Die Bertelsmann Stiftung will frühzeitig gesellschaftliche | |
Herausforderungen identifizieren sowie exemplarische Lösungsmodelle | |
entwickeln und verwirklichen“, heißt es darin. Hartz IV, Studiengebühren, | |
Bildungsreform oder die Auslagerung kommunaler Aufgaben an kommerzielle | |
Dienstleister gehören zu den Projekten, an denen die Bertelsmann Stiftung | |
nicht nur mitgearbeitet, sondern für die sie de facto die Grundlagen | |
geschaffen hat. | |
## Die Stiftung macht ihr eigenes Ding | |
Für ihre Kritiker ist die Bertelsmann Stiftung daher eine nicht | |
legitimierte Nebenregierung, die aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit dem | |
Konzern und der Familie Mohn auch noch jede Menge Steuern spart. Die Fäden | |
behält die gleich gegenüber der Gütersloher Konzernzentrale residierende | |
Stiftung dabei immer schön selbst in der Hand: Anders als andere | |
Unternehmensstiftungen arbeitet die Bertelsmann Stiftung nur operativ, das | |
heißt, sie fördert keine Projekte Dritter, sondern macht ausschließlich ihr | |
eigenes Ding. | |
Die Piraten fordern im laufenden Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen, aus | |
diesen Gründen der Bertelsmann-Stiftung den „steuerbefreiten Status der | |
Gemeinnützigkeit“ abzuerkennen und fordern eine Neufassung des | |
NRW-Stiftungsrechts. Denn auch dieses sei bereits von der | |
Bertelsmann-Stiftung beeinflusst: „Da das Stiftungsrecht in | |
Nordrhein-Westfalen und die Stiftungsaufsicht durch den | |
Regierungspräsidenten den Vertretern der Bertelsmann Stiftung nicht passte, | |
wurde es auf die Initiative der Bertelsmann Stiftung hin reformiert“, so | |
die Piraten. | |
Der neue starke Mann De Geus soll der Stiftung nun vor allem international | |
den Weg bereiten. Man habe sich bewusst für eine „erfahrene Persönlichkeit | |
mit glänzenden Kontakten in aller Welt entschieden“, sagte der scheidende | |
Stiftungs-Chef Thielen: „Aart De Geus steht mit seiner beeindruckenden Vita | |
für eine stärkere internationale Ausrichtung der Bertelsmann Stiftung.“ | |
## Lieblingsspielfelder der Stiftung | |
Zweifelsohne macht mit dem ehemaligen niederländischen Arbeitsminister, der | |
schon 2011 in den Stiftungsvorstand einrückte, jetzt jemand den Job, der | |
hundertprozentig zur hauseigenen Strategie passt. Denn De Geus war von 2007 | |
bis 2011 bei der OECD verantwortlich für die Bereiche „Beschäftigung, | |
Sozialpolitik, Renten, Gesundheit, Migration, Bildung, Öffentliche | |
Verwaltung, regionale Entwicklung, Unternehmensführung, Gleichberechtigung | |
sowie die Umsetzung von Reformen“, wie die Bertelsmann-Stiftung stolz | |
mitteilt. Es sind schließlich auch ihre Lieblingsspielfelder. | |
Und da schreckt die Stiftung vor nichts zurück: Vor zehn Tagen präsentierte | |
sie in der Debatte über die Finanzkrise und die Rolle der Rating-Agenturen | |
eine internationale, nicht gewinnorientierte neue Agentur mit dem | |
Arbeitstitel INCRA (International Non-Profit Credit Rating Agency), die den | |
internationalen Schwergewichten wie Moody's & Co. Konkurrenz machen soll. | |
Der Start der Weltbewertung durch die Bertelsmann-Stiftung ist für 2013 | |
geplant. Und auch wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem | |
Vorschlag keine Chance gibt, will die Stiftung unter den 20 führenden | |
Industrie- und Schwellenländern (G20) um Unterstützung für das Projekt | |
werben. | |
27 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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