# taz.de -- 52. - 54. Tag Ruanda-Völkermordprozess: Zu müde um weiter zu töt… | |
> Weitere Zeugenaussagen von Überlebenden bringen den Horror von Kiziguro | |
> nach Frankfurt und belasten den Angeklagten. Der Richter sorgt sich um | |
> mögliche Manipulationen. | |
Bild: Der angeklagte Ex-Bürgermeister mit der Rechtsanwältin Natalie von Wist… | |
FRANKFURT taz | Seitdem das Gericht im Dezember den Tatvorwurf auf Antrag | |
der Staatsanwaltschaft einschränkte, konzentriert sich die Beweisaufnahme | |
ganz auf das Kirchenmassaker von Kiziguro am 11. April 1994. Das | |
Belastungsmaterial zu den ursprünglich mitangeklagten Massentötungen in | |
Kabarondo und im Ekonomat Kibungo erschien zu dünn. | |
Bei Kiziguro scheint man sich sicherer zu sein. Zumindest so sicher, dass | |
der Senat bereits im Herbst vergangenen Jahres als Zwischenergebnis | |
erklärte, dass man gegenwärtig davon ausgehe, der Angeklagte habe sich | |
zumindest der Beihilfe schuldig gemacht. Vor diesem Hintergrund drängte der | |
Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel den 52 jährigen Ruander dazu, dessen | |
Schweigen zu brechen. Er solle es als „Chance“ begreifen, denn man wisse | |
schließlich nicht, ob sich das mit der Befragung weiterer Zeugen zu seinem | |
Nachteil ändere, so der Vorsitzende weiter. | |
Der Angeklagte zog es jedoch vor weiterhin zu schweigen. Seit | |
Prozessauftakt im Januar vergangenen Jahres ist Onesphore Rwabukombe | |
sichtlich gealtert. Seine Haare sind merklich grauer geworden. Vielleicht | |
auch deshalb, weil immer wieder Zeugen übereinstimmend berichteten, ihn am | |
Tage des Massakers auf dem Gelände des Kirchenareals gesehen zu haben. Als | |
einer der Anführer, der dazu aufrief die „Arbeit“ zu verrichten. Das Töten | |
zu beginnen. | |
Zu den Zeugen gehören auch zwei Überlebende des 11. April, die noch im | |
Januar aussagten. Auch sie berichteten Rwabukombe sei gemeinsam mit dem | |
bereits oft im Verfahren genannten Jean-Baptiste Gatete in einer Gruppe mit | |
anderen Offiziellen schon am Vortag des Massakers zum Kirchenareal | |
gekommen. Sie schilderten dem Senat, dass es zwischen den „Verwaltern“ und | |
den Priestern der Gemeinde Kiziguro zu einem Gespräch gekommen sei, | |
woraufhin die Kirchenmänner ihre Sachen packten und davonfuhren. Mit ihnen | |
fuhr auch die Hoffnung. Was blieb, war die Angst. | |
## Schutzsuchende wurden aus der Kirche geholt | |
Übereinstimmend berichten beide, wie das Tor zur Anlage geöffnet wurde und | |
mit Gewehren bewaffnete Soldaten die Anlage innerhalb der Mauern | |
umstellten, gefolgt von den Milizionären der Interahamwe. Da sei an eine | |
Flucht nicht mehr zu denken gewesen. Sie berichteten, wie man die | |
Schutzsuchenden aus der Kirche und den angrenzenden Gebäuden holte. | |
Mit Hilfe der Passpapiere, in die schon die belgischen Kolonialisten 1939 | |
die ethnische Zugehörigkeit festschrieben, habe man dann zunächst Hutu von | |
Tutsi getrennt. Zuerst tötete man die Intellektuellen, die man anhand | |
vorbereiteter Namenslisten ausfindig gemacht habe. Dann erst seien die | |
anderen „abgeschlachtet“ worden, erklärte einer der Zeugen. | |
Was in den Aussagen der zwei Zeugen folgte, sind erneut Zeugnisse der | |
Barbarei. Einer gab an, dass Mitglieder der Interahamwe die Männer zwangen, | |
eigenhändig ihre Frauen und Töchter zu töten, weil sie selbst „zu müde“ | |
wurden. Mit dem Motorrad sei einer über die Leichen gefahren. Die zweite | |
Zeugin sagte aus, Menschen seien in einer Reihe stehend enthauptet worden. | |
Ihre eigene Mutter habe man gepfählt. Richter Sagebiel unterbrach sie | |
zunächst nicht. Er sagte, er wolle ihr die Gelegenheit geben, ihre | |
Geschichte zu erzählen, diese „schreckliche Geschichte“. | |
Beide überlebten das Massaker nur, weil man sie für tot hielt und in ein | |
„Loch“ stieß. Das Loch, das einst ein Brunnen werden sollte, „so tief, d… | |
wenn man lebend hineingeworfen wurde, man tot unten ankam“ erinnerte sich | |
der Zeuge am 53. Prozesstag. Eine Machete habe ihn am Kopf getroffen bevor | |
man ihn in die Dunkelheit stieß. Nachdem er auf die Leichen fiel, habe er | |
immer wieder versucht auf diejenigen zu klettern, die nach ihm kamen. | |
Mehrere Tage harrten er und ein paar Andere zwischen den Sterbenden und | |
Toten aus, ehe die vorrückenden Truppen der Tutsi-Rebellen der FPR sie | |
fanden. | |
Auch die beiden neuen Zeugen geben an, dass bei Alledem der Angeklagte | |
Rwabukombe gemeinsam mit Gatete die Befehlsgewalt über die Interahamwe | |
gehabt hätten. Über die Milizen, die mit ihren Macheten, Knüppeln und Äxten | |
für die meisten Opfer verantwortlich gemacht werden. In Kiziguro, so einer | |
der Zeugen, seien es zwei verschiedene Gruppen gewesen. Zum einen die | |
Einwohner Murambis unter dem Kommando Gatetes. Zum anderen eine Gruppe aus | |
den umliegenden Lagern der Flüchtlinge aus Muvumba, der Heimatgemeinde | |
Rwabukombes. Diese habe er selbst töten sehen, „wütend“ darüber, von den | |
Tutsi-Kämpfern der FPR aus ihrer Heimat im Norden vertrieben worden zu | |
sein. „Wer kein Hutu ist, sei ihr Feind“, sollen sie gesagt haben. | |
## Sorge vor manipulierten Zeugen | |
Doch gab der Angeklagte hierbei auch den Befehl zum Töten? Einer der Zeugen | |
gab an, zwar nicht ihn aber doch Getötete dabei gehört zu haben, wie dieser | |
die Mörder anwies. Rwabukombe habe immerhin daneben gestanden. Nicht weiter | |
von ihm entfernt, als er nun von der Aktentasche des Staatsanwalts sitzt. | |
Und auch sonst hätten beide doch zusammengearbeitet, sagt er. Ob eine | |
solche Aussage die fünf Frankfurter Richter überzeugen kann, ist eher | |
fraglich. Zudem stimmen viele der Schilderungen beider Zeugen bemerkenswert | |
nah überein. Das gab es bislang so nicht. Dies macht auch Richter Sagebiel | |
stutzig. Offenbar schließt er eine mögliche Absprache während der | |
gemeinsamen Anreise oder der Unterbringung nicht aus. | |
Manipulationen scheinen überhaupt eine der größten Ängste des Vorsitzenden | |
zu sein. Schon als zu Beginn der Vernehmungen ruandischer Zeugen im Raum | |
stand, dass jene durch ruandische Beamte begleitet werden sollten, drohte | |
er kurzerhand mit Verfahrensabbruch, sollte sich dies bewahrheiten. Am 53. | |
Verhandlungstag ermahnte er nun einen der Zuschauer, anscheinend ein | |
Bekannter des Angeklagten, dass er die Zeugen „nicht so böse anschauen“ | |
solle. | |
Auch das nun gleich beide Verteidigerinnen ihre seit längerem geplante | |
Ermittlungsreise nach Ruanda antreten wollen, stößt beim Vorsitzenden auf | |
Unbehagen. Ob es nicht genüge, dass eine der beiden allein reise, fragte er | |
und begründete dies damit, dass das Verfahren unnötig in die Länge gezogen | |
werden würde, sollten gleich beide dort verhaftet werden. Beide gaben an, | |
dennoch gemeinsam fliegen zu wollen. | |
2 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Sascha Hörmann | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
Ruanda | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil im Ruanda-Völkermordprozess: Ein grenzwertiges Urteil | |
Das Frankfurter Gericht verurteilt den ehemaligen ruandischen Bürgermeister | |
Onesphore Rwabukombe wegen „Beihilfe“ zum Völkermord zu 14 Jahren. | |
72.-73. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Handys und Schweine-Hutu | |
Warum verlassen FDLR-Kämpfer die ruandische Miliz im Kongo und gehen nach | |
Ruanda zurück? Die FDLR-Führung sagt: Das ist eine „Krankheit“ und das | |
Mobiltelefon ist schuld. | |
48.-51. Tag Ruanda-Völkermordprozess: Patriotische Folklore im Autoradio | |
Der Einsatz von Hightech bringt die Kirche von Kiziguro in den Frankfurter | |
Gerichtssaal. Bekannte des Angeklagten verfolgen einen „göttlichen Auftrag“ | |
– er sei ein Opfer. | |
66.-69. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Erinnerungen eines Kriegers | |
Der ehemalige FDLR-Soldat D liefert im Laufe seiner Vernehmung die bisher | |
genaueste historische Schilderung des langen Kampfes der ruandischen | |
Hutu-Exilanten im Kongo. | |
Debatte Internationaler Strafgerichtshof: Dämpfer in Den Haag | |
Nach neun Jahren erlebt der Internationale Strafgerichtshof seinen ersten | |
Schuldspruch. Er ist damit auf dem Boden der Tatsachen gelandet – was | |
heilsam und gut ist. | |
1. Urteil des Internationalen Strafgerichtshof: Schuldspruch liefert Stoff für… | |
Der ehemalige kongolesische Milizenchef Lubanga ist schuldig gesprochen, | |
Kinder als Soldaten rekrutiert zu haben. Das Gericht kritisierte | |
Chefankläger Moreno-Ocampo scharf. |