# taz.de -- Stadtmarketing: Hamburg - Stadt der Untertitel | |
> Hamburg gibt sich gern neue Leitbilder. Dieses Jahr ist es die "Stadt für | |
> alle Generationen". Was wurde aus Sport- und Musikstadt, Umwelt- und | |
> Windkrafthauptstadt? | |
Bild: So schön kann altern sein: Mehrgenerationen-Haus in Harburg-Land. | |
Wenn in Hamburg ein Thema auf die Tagesordnung gehievt werden soll, muss | |
ein klingender Name her. Seht her, wir kümmern uns um die siechende | |
Club-Szene, um den internationalen Spitzensport, um die mangelhafte | |
Barrierefreiheit auf Gehwegen, so die Botschaft der immer wieder | |
wechselnden Stadtbeinamen von Hamburg – von Stadt der Musik bis | |
Umwelthauptstadt. | |
2012 orientiert man sich an Europa und dem sperrigen Titel „Europäisches | |
Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen“. Denn | |
auch wenn Hamburg langsamer altert als andere Städte, werden hier 2030 etwa | |
30 Prozent der Einwohner über 60 Jahre alt sein, schon heute ist es knapp | |
ein Viertel. Am Wochenende findet der Deutsche Seniorentag in Hamburg | |
statt. Gründe genug für den neuen Titel: Hamburg – Stadt für alle | |
Generationen. | |
„Zu CDU-Zeiten hieß es seniorengerechtes Hamburg, dann seniorenfreundliches | |
Hamburg und nun generationenfreundliches Hamburg“, sagt Inge Lüders, | |
Vorsitzende des Landes-Seniorenbeirates Hamburg. Die Themen blieben aber | |
gleich: In der Stadt fehlen barrierefreie Gehwege oder altengerechte | |
Wohnungen, es braucht ein besseres Pflegesystem und mehr Mitbestimmung für | |
Ältere. Zu diesem Schluss kommt auch die nun vorgelegte Studie der | |
Gesundheitsbehörde „Älter werden in Hamburg“ – und macht ein paar konkr… | |
Vorschläge: Beispielsweise sollen bis 2022 alle Wohn- und | |
Betreuungsangebote für Senioren und bis 2015 20 U-Bahn-Haltestellen | |
barrierefrei sein. | |
Außerdem wurde ein Mitbestimmungsgesetz für SeniorInnen auf den Weg | |
gebracht. „Das Gesetz schreibt im Prinzip fest, was wir mit den | |
Seniorenbeiräten seit 30 Jahren machen“, sagt Lüders. Das hört sich bei | |
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks auf der Vorstellung des | |
Gesetzes etwas aufregender an: „Wir schaffen einen modernen Rahmen, um die | |
vielfältigen Erfahrungen der Älteren für das Gemeinwohl zu nutzen. Das ist | |
eine Chance für ein gelungenes Zusammenleben der Generationen.“ Eine Chance | |
nennt es auch Lüders, aber es komme darauf an, ob sich die Leute wirklich | |
mehr beteiligen. Sonst verpufft alles – zusammen mit der „Stadt für alle | |
Generationen“. | |
Und was wurde aus Sport- und Musikstadt, Umwelt- und Windkrafthauptstadt? | |
## Sportstadt Hamburg | |
Am schönsten formuliert es die Handelskammer: "Erst mit der 2001 | |
einsetzenden Olympia-Bewerbung für 2012 ist die Sportstadt erwacht." Den | |
Zuschlag für 2012 bekam dann doch London, aber die Sache mit der Sportstadt | |
ist Hamburg nicht mehr losgeworden. Sicher auch deswegen, weil viele | |
Akteure in der Stadt vom Wunschtraum einer Olympiade in Hamburg nicht | |
loslassen wollen. Die politische Realität aber sieht anders aus. Sie heißt | |
"Dekadenstrategie Sport" und enthält den Satz: "Aus der Dekadenstrategie | |
ergeben sich keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen." Im Klartext: | |
Sportstadt: Ja. Dafür Extra-Geld ausgeben: Nein. | |
## European Green Capital 2011 | |
"Umwelthauptstadt" ist einer der Titel, den die Europäische Kommission | |
vergibt, um dem örtlichen Stadtmarketing unter die Arme zu greifen. Für das | |
Jahr 2011 bekam Hamburg den Titel: Die Jury lobte unter anderem den | |
öffentlichen Nahverkehr und die Ziele zur CO2-Reduktion in Hamburg. Es | |
hätte so schön sein können, wären da nicht die Wahlen im Februar 2011 | |
gewesen. Der neue Bürgermeister Olaf Scholz kassierte erst mal Stadtbahn, | |
City-Maut und Umweltzone. Was den Klimaschutz betrifft, so soll der dafür | |
vorgesehene Etat von zurzeit 23,5 Millionen Euro pro Jahr auf maximal 13 | |
Millionen Euro zusammengestrichen werden. | |
## Musikstadt Hamburg | |
Im großen Stil auf dem "Weg zur Musikmetropole" sah sich der Hamburger | |
Senat 2009. Damals explodierten die Kosten für die Elbphilharmonie zwar | |
auch schon, dennoch hatte die damalige Kultursenatorin Karin von Welck die | |
Nerven, an der Idee "Musikstadt Hamburg" zu arbeiten. Die Symphoniker | |
bekamen 900.000 Euro mehr, die Förderung des Vereins Rockcity wurde auf | |
125.000 Euro verdoppelt, der Verband für aktuelle Musik wurde in die | |
strukturelle Förderung aufgenommen. In der Kulturbehörde bleibt man | |
bescheiden: "Hamburg hat die ersten Schritte zu einer Musikstadt | |
erfolgreich absolviert", sagt Staatsrat Nikolas Hill. | |
## Hauptstadt der Windkraft | |
"Durch das Cluster Erneuerbare Energien wollen wir Hamburg zur Hauptstadt | |
der Windkraft in Deutschland entwickeln", heißt es im Arbeitsprogramm des | |
Senats. Geschehen soll das "gemeinsam mit den norddeutschen Ländern" - und | |
trotzdem war Schleswig-Holstein not amused, als die Hamburger Pläne für | |
eine eigene Windenergiemesse öffentlich wurden. Die Hamburger Messe sollte | |
2014 ausgerechnet an jenen Tagen stattfinden, an denen in | |
Schleswig-Holstein die gut etablierte Husumer Windenergiemesse angesetzt | |
ist. Ob nun wirklich gegeneinander gearbeitet wird, ist noch offen: Derzeit | |
wird hinter den Kulissen verhandelt. | |
2 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
Ilka Kreutzträger | |
## TAGS | |
Marathon | |
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