# taz.de -- Die Eigentumsfrage: Stadt Neudenken: "Da bleibt nur Abschalten" | |
> Florian Schmidt von der Initiative Stadt Neudenken über die Möglichkeit | |
> eines Volksbegehrens zur Liegenschaftspolitik | |
Bild: 1. Mai 2012: Kreuzberg wie es lacht und lebt. | |
taz: Herr Schmidt, seit fünf Jahren verspricht der Senat eine neue | |
Liegenschaftspolitik. Warum ist bislang nichts passiert? | |
Florian Schmidt: Die Politik sieht nicht, dass eine radikale Umstellung der | |
Stadtentwicklungspolitik dringend nötig ist. Das System Liegenschaftsfonds | |
kann nicht von heute auf morgen umstrukturiert werden. Und da bleibt nur | |
Abschalten: Wir brauchen ein Moratorium für Liegenschaftsvergaben, bis der | |
Strukturwandel da ist. Ansonsten verspielt Berlin für immer wichtige | |
Gestaltungsspielräume. | |
Was kann Stadt Neudenken, was die Politik nicht kann? | |
Wir sind unbefangen und breit vernetzt mit den Akteuren der | |
Stadtentwicklung. Regierungen arbeiten langsam und hinter verschlossenen | |
Türen. Oft bremsen interne Machtkämpfe Reformprozesse. Ein flexibles | |
Netzwerk wie wir kann eine innovative Agenda aufstellen. Dabei können wir | |
Politik sowohl beraten als auch erheblichen zivilgesellschaftlichen Druck | |
aufbauen. | |
Im Senat streiten sich Finanz- und Stadtentwicklungssenator. Was macht Sie | |
optimistisch, dass nicht weiter das höchste Gebot den Zuschlag bekommt? | |
Die Messe ist gelesen: Es gibt den Koalitionsvertrag zur Neuausrichtung der | |
Liegenschaftspolitik. Zwar geht uns dieser nicht weit genug, aber die | |
Richtung stimmt. Interessanterweise nehmen wir die Äußerungen des | |
Finanzsenators eher positiv war. Er hat sich gegen Klientelpolitik in Form | |
von Direktvergaben ausgesprochen und als Erster öffentlich Erbbau statt | |
städtebauliche Verträge gefordert. | |
Sie setzen auf Erbbau – warum? | |
Mit Erbbau kann das System von Vermarktung auf gemeinwesenorientierte | |
Regulierung umgestellt werden. Gemeinwesen bedeutet dabei sowohl höhere | |
Einnahmen für die Kommunen durch Zinsen als auch die langfristige Sicherung | |
von Freiräumen in der Stadt. Mit Erbbauverträgen können für jedes Projekt | |
exakte Konditionen und Flexibilitäten bei Konkursen festgelegt werden. | |
Welchen Vorteil hätte der Senat? | |
Beim Verkauf von Grundstücken werden einmalige Erlöse erzielt. Das ist | |
sinnvoll, wenn Grundstücke Massenware sind. Dann gibt es verschiedene | |
Preissegmente, der Gewinn ist stattlich und trägt dazu bei, an anderen | |
Stellen der Politik Gestaltungsspielraum zu haben. Da es jedoch nicht mehr | |
so viele öffentliche unbebaute Liegenschaften gibt, sollte man diese halten | |
– erstens um langfristige Zinserlöse zu erzielen, zweitens um die Vielfalt | |
der Sozialräume zu stärken und drittens um für innovative Projekte die | |
Eintrittshürde niedrig zu halten. | |
Warum treibt die Privatisierung von Wasser die Menschen mehr um als | |
öffentlicher Grund und Boden? | |
Wir erleben eigentlich das Gegenteil: Die Initiative Stadt Neudenken hat | |
enormen Zulauf, wir bekommen bundesweit Anfragen von Wissenschaft und | |
Initiativen. Das Bodenthema hat riesiges Mobilisierungspotenzial. Mit | |
unserem Liegenschaftsanzeiger, also einer Zeitung zur Liegenschaftspolitik, | |
werden wir ab sofort die Öffentlichkeit informieren und die Menschen zum | |
Mitmachen einladen. | |
Könnte es zur Liegenschaftspolitik auch ein Volksbegehren geben? | |
Gerade setzt sich die Gewissheit durch: Die progressiven Kräfte in der | |
Politik könnten die Unterstützung der Menschen gut gebrauchen. Unsere AG | |
Volksbegehren arbeitet auf Hochtouren und prüft verschiedene Szenarien. | |
INTERVIEW: UWE RADA | |
4 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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