# taz.de -- Die Eigentumsfrage: Der Schokoladen: Gegen den Strom | |
> Anja Gerlich ist dem Schokoladen seit zwölf Jahren treu - und konnte | |
> diese Kulturinstitution trotz Clubsterbens retten. | |
Bild: Hat die Gentrifizierung in Mitte überlebt: der Schokoladen in der Ackers… | |
Groß gefeiert wurde bisher noch nicht. „Bevor die Tinte unter den Verträgen | |
nicht getrocknet ist, warten wir lieber ab“, sagt Anja Gerlich, Sprecherin | |
des Kulturprojekts Schokoladen, das nur knapp der Räumung entgangen ist. | |
Ende März haben sich der Eigentümer, das Land Berlin und der Verein | |
geeinigt: Der Schokoladen darf in der Ackerstraße 169 in Mitte bleiben. Der | |
Eigentümer bekommt dafür ein Grundstück aus dem Liegenschaftsfonds nur | |
wenige Straßenzüge weiter. | |
Drei Jahre Verhandlungen gingen der Einigung voraus, zwei davon hat | |
Gerlich, eine lebhafte Frau mit rotgefärbten Haaren, als Sprecherin | |
miterlebt. Gerade die letzten Monate waren „purer Stress“, sagt sie. Nun | |
sitzt sie im sonnigen, grünen Innenhof des Schokoladens und plaudert mit | |
einer Hausbewohnerin – die anstrengenden Monate scheinen gerade weit weg zu | |
sein. Bis zu acht Stunden täglich haben Gerlich und ihre MitstreiterInnen | |
in den Wochen vor der Einigung für den Schokoladen gearbeitet, sagt Gerlich | |
– neben ihren eigentlichen Berufen. Sie entwarfen Kampagnen, warben um | |
UnterstützerInnen, gaben Interviews und führten unzählige Gespräche mit | |
AnwältInnen, PolitikerInnen und anderen Beteiligten. | |
Am Ende stand der Erfolg, und wenn Anja Gerlich den zu erklären versucht, | |
fällt immer wieder ein Satz: „Wir hatten Glück.“ Glück, weil sowohl der | |
Eigentümer als auch das Land Berlin gesprächs- und kooperationsbereit | |
waren. Glück, weil sie auf ein seit Jahrzehnten bestehendes Netzwerk von | |
UnterstützerInnen zählen konnten, auch in der eigenen Nachbarschaft. Glück, | |
weil Themen wie Verdrängung durch hohe Mieten oder Clubsterben in der Stadt | |
gerade Konjunktur haben. Und Glück, weil der Schokoladen durch sein Kultur- | |
und Konzertprogramm auch über die linke Szene hinaus als Institution | |
wahrgenommen wird. | |
Dass Gerlich dieses Glück so betont, hat wohl auch mit Bescheidenheit zu | |
tun. Denn im Gespräch wird schnell deutlich, dass es doch mehr als Glück | |
brauchte, um den Schokoladen zu retten: harte Arbeit und Hartnäckigkeit, | |
ein hohes Maß an Professionalität in Verhandlungen und der | |
Öffentlichkeitsarbeit – und konkrete Vorstellungen, wie eine Einigung | |
gefunden werden könnte. | |
## Die eigene Kneipe nebenan | |
Gerlich, die selbst eine Kneipe um die Ecke betreibt, ist dem Schokoladen | |
seit zwölf Jahren verbunden. Sie hat hier Veranstaltungen organisiert, | |
zeitweise hatte sie in den Räumen im Hinterhaus ein Atelier. Durch die | |
Arbeit als Sprecherin habe sie viel gelernt, sagt sie: „Wir sind hier alle | |
mehr oder weniger Berufsdilettanten und haben auch mal Fehler gemacht.“ | |
Doch auch aus diesen Erfahrungen habe sie gelernt. | |
Besonders wichtig sei der Aufbau von Netzwerken gewesen, um sich Beratung | |
und Unterstützung holen zu können – von Kulturinstitutionen und | |
Hausprojekten, von KommunikationsexpertInnen und Politprofis. „Man braucht | |
diese Netzwerke und gleichzeitig eine genaue Vorstellung, was man will“, | |
beschreibt Gerlich das Erfolgskonzept des Schokoladens. Zwar sei die | |
Zusammenarbeit mit einer Stiftung, anstatt das Projekt privat zu | |
finanzieren, nicht eins zu eins auf beliebige Projekte übertragbar – ebenso | |
wenig der Grundstückstausch oder der Erfolg, „das Land in die Pflicht zu | |
nehmen“, wie Gerlich sagt. Dennoch: Das Modell habe Vorbildcharakter. | |
Deshalb seien die MitarbeiterInnen gerade dabei, ihre Erfahrungen zu | |
ordnen, um sie an andere Projekte weitergeben zu können. Denn der | |
Schokoladen will keine gentrifizierungsfreie Insel sein, sondern zu einer | |
Stadt beitragen, „in der öffentliche Grundstücke auch das bleiben: Teil des | |
öffentlichen Lebens statt private Investitionsobjekte“. | |
Mitte Juni, schätzt Gerlich, seien die Details der Verträge zwischen dem | |
Projekt, der Stiftung, dem Land und dem Eigentümer endgültig geklärt. „Und | |
dann gibt es auch endlich eine riesengroße Party.“ | |
4 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
## TAGS | |
Linke Szene | |
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