| # taz.de -- 42. St.Gallen-Symposium: Viel Angst um den Euro-Raum | |
| > In St. Gallen treffen sich Führungspersonen aus ganz Europa und solche, | |
| > die es noch werden wollen. Ihr größter Streitpunkt: Soll Griechenland | |
| > Hilfe bekommen? | |
| Bild: Ist für einen Wachstumspakt: Peer Steinbrück in St. Gallen. | |
| ST. GALLEN taz | Die Lacher bekam Peer Steinbrück prompt: „Ich bedanke mich | |
| für die Einreisegenehmigung in die Schweiz“, sagte der ehemalige | |
| Bundesfinanzminister am Freitag zu Beginn seiner Rede an der Universität im | |
| ostschweizerischen St. Gallen in Anspielung auf den lange schwelenden | |
| Streit über deutsche Steuerhinterzieher. | |
| Immerhin hatte Steinbrück einst der Schweiz mit dem Eingreifen der | |
| Kavallerie gedroht. Dann aber widmete sich der SPD-Politiker einer | |
| existenziellen Frage: der Zukunft der europäischen Gemeinschaftswährung. | |
| „Dem Risiko begegnen“ lautete schließlich das Motto des 42. St. Gallen | |
| Symposiums, eines von Studenten der Eliteuni alljährlich organisierten und | |
| von großen Unternehmen gesponserten Zusammentreffens von | |
| Führungspersönlichkeiten und denen, die es noch werden wollen. Man widmete | |
| sich folglich Themen wie den Risiken der Atomenergie, der Gentechnik in der | |
| Landwirtschaft, der Verbreitung von Atomwaffen, dem Klimawandel, der | |
| Ernährung der Weltbevölkerung. Aber im Fokus standen die hohen Risiken auf | |
| den internationalen Finanzmärkten und dabei vor allem die ungewisse Zukunft | |
| des Euro. | |
| Dass die Furcht um den Euro und die Europäische Union so großen Raum | |
| einnimmt, begründete Steinbrück so: „Ich bin ein Vertreter der ersten | |
| Generation, die nicht in einem europäischen Krieg verheizt wurde.“ Den | |
| jungen Leuten in Europa müsse man sagen: „Das ist nicht | |
| selbstverständlich.“ Sollte es zu einer monetären Trennung kommen, würde | |
| die politische folgen. Europa sei zudem mehr als ein großer Binnenmarkt. | |
| Wichtige Werte wie die der Aufklärung, der Trennung von Staat und Religion, | |
| der Sozialstaatlichkeit und der Pressefreiheit seien ebenso zentral. | |
| Hier befinde sich das kontinentaleuropäische Modell der sozialen | |
| Marktwirtschaft in Konkurrenz zum deregulierten angelsächsischen | |
| Kapitalismus und zum autokratischen Kapitalismus wie etwa in China. | |
| Dagegen müsse man sich behaupten, und daher müsse der geplante Fiskalpakt | |
| durch einen europäischen Wachstumspakt ergänzt werden, forderte Steinbrück. | |
| Eines der Hauptprobleme Europas sei die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den | |
| mediterranen Ländern. Wenn etwa in Spanien jeder zweite junge Mensch keine | |
| berufliche Perspektive habe, sei dies höchst gefährlich. | |
| ## Die Schulden der Griechen | |
| Der ehemalige slowakische Parlamentspräsident Richard Sulik wollte von | |
| Hilfen für schwache Eurostaaten wie Griechenland jedoch nichts wissen. | |
| „Griechenland sollte aus dem Euro austreten“, so Sulik. Schließlich habe | |
| das Land die Euroregeln gebrochen. Warum sollten dann die Bürger der | |
| Slowakei, die durchschnittlich halb so viel wie die Griechen verdienten, | |
| jetzt für deren Sünden zahlen? | |
| Ein Euro-Austritt Griechenlands hätte schwerwiegende ökonomische | |
| Konsequenzen, warnte dagegen die US-Ökonomin und frühere Weltbank-Managerin | |
| Anne Krueger gegenüber der taz. Europa würde seine Glaubwürdigkeit | |
| verlieren, und Portugal und Spanien wären gefährdet. Die europäische | |
| Politik, mit Deutschland als Vorreiter, müsse den geplanten Fiskalpakt | |
| vorantreiben, bei dem die Regeln dann auch eingehalten werden müssten. Denn | |
| auch in einem gemeinsamen Währungsraum gelte: „Jeder ist für seine Schulden | |
| selbst verantwortlich.“ | |
| Jean-Claude Trichet, Exchef der Europäischen Zentralbank (EZB), verwies | |
| darauf, dass es harte Einschnitte nicht nur in Euroländern wie | |
| Griechenland, sondern auch im Baltikum gebe. Der Euro sei eine stabile | |
| Währung. Schwierige Situationen zu meistern könne Staaten langfristig auch | |
| stärker machen, zeigte sich Trichet zuversichtlich. Länder, die schon große | |
| Umbrüche geschafft hätten, kämen jetzt gut durch die Krise: Deutschland | |
| etwa, das die Wiedervereinigung schultern musste, oder Schweden, das in den | |
| 1990er Jahren eine schwere Bankenkrise erlebte. | |
| 6 May 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Richard Rother | |
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