# taz.de -- Dänenampel in Schleswig-Holstein: Ministerpräsident - oder arbeit… | |
> CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager verfehlt ein Landtagsmandat. Nur eine | |
> große Koalition oder ein Jamaika-Bündnis könnte ihm noch die Karriere | |
> retten. | |
Bild: Steht nach der Wahl plötzlich ohne Job da: Noch-Wirtschaftsminister Jost… | |
HAMBURG taz | Das dürfte ein tiefer Sturz werden: Jost de Jager steht ohne | |
Amt und Würden da. Der Spitzenkandidat der CDU bei der Landtagswahl in | |
Schleswig-Holstein am Sonntag erhält kein Abgeordnetenmandat im Kieler | |
Landtag. Zwar könnte er theoretisch, wie geplant, Ministerpräsident einer | |
von der CDU geführten Koalition auch ohne Sitz im Landtag werden. Bei einer | |
Regierungsbildung ohne die Christdemokraten indes geht der | |
Noch-Wirtschaftsminister leer aus. Dann könnte der gelernte Journalist mit | |
47 Jahren seine Memoiren vermutlich ohne Hilfe eines Ghostwriters | |
schreiben. | |
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhält die CDU mit 22 | |
Direktmandaten genauso so viele Sitze, wie ihr nach dem | |
Zweitstimmenergebnis zustehen. Deshalb kommt die von de Jager angeführte | |
Landesliste nicht zum Zuge. | |
Damit droht er zu einem späten Opfer Christian von Boettichers zu werden. | |
De Jager avancierte im Herbst vorigen Jahres kurzfristig zum | |
Spitzenkandidaten, weil der damalige Parteivorsitzende und designierte | |
Spitzenkandidat wegen seiner Affäre mit einem minderjährigen Mädchen | |
zurücktreten musste. Bis dahin hatte die CDU in Umfragen noch klar vor der | |
SPD gelegen. Damals durfte sie sich noch Hoffnungen auf ein Weiterregieren | |
an der Förde machen. | |
Danach begann der Sinkflug der Union wegen der Boetticher-Affäre. Als de | |
Jager Ende September zum neuen Parteichef gewählt wurde, waren die | |
Direktkandidaturen der CDU in den Kreisen bereits lange geklärt; der neue | |
Spitzenkandidat musste auf Platz eins der Landesliste auf ein überzähliges | |
Mandat hoffen. Der CDU war aber von Anfang an klar, dass es schief gehen | |
könnte. Das Problem ließe sich nur lösen, wenn einer der siegreichen | |
Wahlkreiskandidaten zugunsten von de Jager das Mandat zurückgäbe, gerne | |
„aus gesundheitlichen Gründen“. Dann könnte de Jager nachrücken. | |
Vielleicht tröstet ihn, dass er mit diesem Schicksal nicht alleine steht: | |
CDU-Landtagspräsident Torsten Geerdts auf Platz zwei verlor in seinem | |
Wahlkreis Neumünster gegen die SPD-Newcomerin Kirsten Eickhof-Weber und | |
scheidet nach 20 Jahren aus dem Landtag aus. | |
Unverdrossen hat de Jager dennoch am Montag seinen Anspruch auf die | |
Regierungsbildung bekräftigt. Seine Partei habe die Nase vorn: „Knapp, aber | |
vorn.“ Er wolle den anderen Parteien Gespräche anbieten. Zur Ankündigung | |
von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW), eine Koalition | |
anzustreben, sagte de Jager: „Ich kann ja nicht verhindern, dass die | |
miteinander reden.“ | |
Eine solche „Dänenampel“ hat mit 35 Mandaten nur einen Parlamentssitz mehr | |
als CDU, FDP und Piratenpartei mit zusammen 34 Sitzen. Rechnerisch möglich | |
wären auch eine große Koalition aus CDU und SPD, eine rot-grün-gelbe Ampel | |
aus SPD, Grünen und FDP sowie die schwarz-grün-gelbe Jamaika-Koalition aus | |
CDU, Grünen und FDP. | |
„Die ziehen das durch“, glaubt auch ein führender Christdemokrat an die | |
Dänenampel. Spitzenpolitiker aller drei Parteien bekräftigten am Montag | |
dieses Ziel. „Wir werden einen Koalitionsvertrag zimmern, der fünf Jahre | |
hält“, versicherte SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig. „Wir werden das ernst | |
nehmen, was wir vor der Wahl gesagt haben“, erklärte SSW-Spitzenkandidatin | |
Anke Spoorendonk. Auch Grünen-Chefin Marlene Löhr ist zuversichtlich, dass | |
es mit der Dänenampel klappen wird. Ein erstes Sondierungsgespräch findet | |
am Donnerstag statt. | |
Dabei könnte das Bündnis auch Hilfe von einigen Piraten bekommen. Da es bei | |
ihnen keinen Fraktionszwang gibt, kann jeder Abgeordnete entscheiden, wie | |
er abstimmt. Eine Unterstützung hänge davon ab, „wie weit piratige Themen | |
berücksichtigt werden“, sagt Pirat Patrick Breyer. Und die Neu-Abgeordnete | |
und ehemalige Spitzengrüne Angelika Beer sagt, wer über Sachpolitik reden | |
wolle, „findet einen Gesprächspartner bei uns“. Das gelte auch für die | |
Grünen, die sie vor drei Jahren im Zorn verließ: „Das ist kein | |
Feind-Verhältnis.“ | |
7 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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