# taz.de -- Spanien reformiert Finanzsektor: Madrid macht den Banken-Matador | |
> Iberische Geldinstitute horten 180 Milliarden Euro an faulen Krediten. | |
> Der Staat springt bei der Großbank Bankia ein, kommt aber selbst kaum an | |
> Geld. | |
Bild: Herr der Situation? Die spanische Regierung kündigte weitere Reformen de… | |
MADRID taz | Es sind Backsteine, die Spaniens Banken und Sparkassen auf die | |
Füße fallen. Die Geldinstitute finanzierten die Spekulationsblase, die | |
Spaniens Wirtschaft ein Jahrzehnt des Rekordwachstums bereitete. Jetzt | |
drohen die Immobilien in der Bilanz der Geldinstitute den gesamten | |
Finanzsektor in den Abgrund zu reisen. | |
Die konservative Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy arbeitet | |
mit Hochdruck an einer Reform, die am heutigen Freitag nach der | |
Kabinettssitzung bekanntgegeben werden soll. Zuvor musste Rajoy in letzter | |
Minute das viertgrößte Geldinstitut Bankia teilverstaatlichen. | |
Dazu wurden die 4,5 Milliarden Euro an staatlichen Unterstützungsgeldern in | |
ein Aktienpaket umgewandelt. Bankia befindet sich im freien Fall, nachdem | |
sich unabhängige Buchprüfer weigerten, den Jahresbericht abzuzeichnen: | |
Immobilien, die das Unternehmen besitzt, waren viel zu hoch bewertet. | |
Dazu kamen Beteiligung an nie fertig gestellten Wohnbauprojekten sowie | |
faule Kredite, die von Baugesellschaften und Wohnungseigentümern nicht mehr | |
bedient werden. Bankia wurde so nach dem Platzen der Spekulationsblase 2008 | |
unfreiwillig zum größten Immobilienunternehmen des Landes. | |
## Fusion half nicht | |
Der Fall ist symptomatisch für Spaniens Finanzsektor. Ausgerechnet | |
Bankia-Präsidenten José Ignacio Goirigolzarri warnte seit Längerem vor dem | |
Risiko des Immobilienbesitzes der Banken und Sparkassen. „Die Besitzer der | |
Sparkassen werden akzeptieren müssen, dass die Immobilienwerte ein ganzes | |
Stück unter dem Buchungswert in ihren Büchern liegen“, schrieb er Anfang | |
2011. | |
Weder die spanische Zentralbank vermochte das zu verhindern noch die | |
Aufsicht der spanischen Börse. Auch eine erzwungene Fusion vieler | |
Sparkassen half nicht. Die Regierung unter Rajoys Vorgänger José Luis | |
Rodríguez Zapatero erklärte immer wieder, dass Spaniens Finanzsektor zu den | |
stärksten Europas gehöre. Die Opposition hinterfragte das nicht. | |
Nun belastet die Bankenkrise die Kreditwürdigkeit Spaniens weiter. Die | |
Zinsen und Risikozuschläge für Staatsanleihen erreichen neue Rekordmarken, | |
zuletzt über 6 Prozent. Jörg Asmussen, Vorstandsmitglied der Europäischen | |
Zentralbank (EZB), verlangt von Spanien „eine vollständige Strategie“ für | |
den Finanzsektor. | |
Er fordert eine unabhängige Bewertung der Vermögenswerte der Geldinstitute | |
und eine zentrale Bad Bank. Laut spanischer Regierung halten die Banken und | |
Sparkassen Immobilienkredite in Höhe von 320 Milliarden Euro, 180 | |
Milliarden sind „giftig“, also fast wertlos. | |
## Verpflichtung zu Rücklagenbildung | |
Wirtschaftsminister Luis de Guindos will die Geldinstitute per Dekret | |
verpflichten, 23 bis 30 Prozent des Kreditvolumens als Rücklagen | |
bereitzustellen. Bisher sind es 7 Prozent. Das würde die spanischen | |
Geldinstitute mindestens 34 Milliarden Euro kosten. | |
Ohne staatliche Hilfe wäre dies kaum zu bewerkstelligen. Bisher erhielten | |
die spanischen Banken und Sparkassen 15 Milliarden aus einem staatlichen | |
Rettungsfonds. Beide Beträge zusammen entsprechen der Summe, die in den | |
letzten beiden Jahren im Sozialen, bei Bildung und Gesundheit gestrichen | |
wurden. | |
10 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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