# taz.de -- Eishockey-WM 2014: Powerplay gegen den Diktator | |
> Politiker und Aktivisten wollen verhindern, dass 2014 die Eishockey-WM im | |
> Folterstaat Weißrussland stattfindet. Der deutsche Verbandschef findet | |
> das falsch. | |
Bild: Schatten über dem Turnier: Die Vergabe der Eishockey-WM 2014 an Weißrus… | |
Am Samstag wird es ganz ernst für die Deutsche Eishockeynationalmannschaft. | |
Nach der 2:5-Niederlage im WM-Gruppenspiel gegen Schweden muss die Auswahl | |
des Deutschen Eishockeybundes DEB unbedingt gegen Dänemark gewinnen, will | |
sie ihr Ziel, die Viertelfinalteilnahme, noch erreichen. | |
Auch im politischen Berlin werden derzeit alle ganz ernst, wenn es um das | |
Thema Eishockey geht. Die Ergebnisse des laufenden WM-Turniers in Schweden | |
und Finnland spielen dabei indes keine Rolle. Es geht um die | |
Eishockey-Weltmeisterschaft 2014, die in Weißrussland stattfinden soll. | |
Der Weltverband IIHF hat dem Verband aus dem Lande des Autokraten Alexander | |
Lukaschenko vor drei Jahren den Zuschlag für die Ausrichtung erteilt. Ein | |
Unding, meinen die Fraktionen von Grünen und SPD. Gestern stand im | |
Bundestag ein gemeinsamer Antrag der beiden Fraktionen zur Abstimmung (nach | |
Redaktionsschluss). | |
Die Bundesregierung soll dazu aufgefordert werden, sich beim DEB und der | |
IIHF „nachdrücklich dafür einzusetzen, die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 | |
nicht in Belarus austragen zu lassen“. Uwe Harnos, der Präsident des DEB, | |
meinte gestern dazu: „Wenn die Politik meint, dem Sport Vorschriften machen | |
zu müssen, sehe ich das kritisch.“ Natürlich hat sich Harnos mit der | |
Situation in Weißrussland beschäftigt. | |
## Unmöglicher Ausrichter | |
Er kennt auch den Antrag, in dem ein paar der Dinge aufgelistet sind, die | |
in den Augen vieler Weißrussland als Ausrichter der WM 2014 unmöglich | |
machen. Das Verschwinden von vier Oppositionspolitikern Anfang des | |
Jahrtausends ist ebenso aufgeführt wie die Todesurteile gegen die in einem | |
wahren Schauprozess verurteilten Männer, die angeblich das Attentat auf die | |
Minsker U-Bahn im Jahr 2011 zu verantworten waren. | |
„Das Todesurteil beruhte auf Geständnissen, die durch Folter erpresst | |
worden waren“, heißt es in dem Antrag. Harnos weiß auch aus einem Gespräch | |
mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung im Auswärtigen Amt, | |
Markus Löning, wie es um die Menschenrechte in Weißrussland bestellt ist. | |
Einen Boykott lehnt er persönlich aber ab. | |
„Damit stiehlt man sich in gewisser Weise auch aus der Verantwortung“, | |
meint er. Da sei es doch viel besser, wenn das Event in Weißrussland | |
stattfinde, wenn Medienvertreter anreisen würden und über die Situation im | |
Ausrichterland berichten würden, wenn sich Spieler und Betreuer vor Ort | |
kritisch äußern würden. Vorschreiben will er indes keinem, was er zu sagen | |
hat. | |
Ende nächster Woche tritt der IIHF-Kongress in Helsinki zusammen. Die | |
Vergabe der WM an Weißrussland soll da noch einmal diskutiert werden. | |
Harnos weiß noch nicht, in welche Richtung das laufen wird. Seine | |
offizielle Haltung hat er jedenfalls schon mit dem Deutschen Olympischen | |
Sportbund abgestimmt. | |
## Gegen jeglich Boykottideen | |
Er sieht sich auf einer Wellenlänge mit DOSB-Präsident Thomas Bach, der in | |
der vergangenen Woche den deutschen Sport gegen jegliche Boykottideen in | |
Stellung gebracht hatte, als er gesagt hat: „Sport kann und muss politisch | |
sein, muss dabei immer neutral bleiben. Nur dann kann er verbindend wirken | |
und mithelfen, Brücken zu bauen, anstatt Mauern zu errichten.“ | |
Harnos steht voll hinter dieser Aussage. „Wir müssen uns immer fragen, was | |
der Sport wirklich erreichen kann“, sagt er. Vielleicht gelinge es ja, alle | |
Teilnehmer zu kritischen Äußerungen zu bewegen. Auch die Sportler selbst | |
sollten nicht daran gehindert werden, ihre Meinung zur Schau zu stellen. | |
Harnos erinnerte an die Olympischen Spiele 2008 in Peking, vor denen es | |
eine Diskussion gegeben hat, ob Sportler durch das Tragen von Pins oder | |
farbigen Bändchen im Wettkampf ihren Protest gegen die chinesische | |
Tibetpolitik zeigen dürfen. Was damals nicht möglich war, kann sich Harnos | |
bei er WM 2014 durchaus vorstellen. | |
Dass es zu der WM gar nicht erst kommt, wollen Parlamentarier und | |
Menschenrechtsgruppen aus ganz Europa unbedingt verhindern. Druck auf die | |
IIHF möchten sie auch mit einer Onlinepetition aufbauen, auf die die | |
Kampagne „Don’t play with the Dictator“ auf der Website [1][minsk2014.no] | |
verweist. Bis gestern Nachmittag hatte diese noch keine 900 Unterzeichner. | |
11 May 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.minsk2014.no/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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Schwerpunkt Eurovision Song Contest | |
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