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# taz.de -- Nach dem Röttgen-Debakel: Kraft, die Kümmerin
> Hannelore Kraft prägt einen problematischen Politikstil, sagt der
> Göttinger Politologe Franz Walter: Ihre Art des Umsorgens sei
> depolitisierend. Profitiert habe sie von Röttgens Schwäche.
Bild: Hannlore Kraft hatte am Wahlsonntag schon kurz nach ihrer Stimmabgabe gut…
taz: Herr Walter, heißt das Machtbündnis der Zukunft Rot-Grün?
Franz Walter: Bei der NRW-Landtagswahl 1985 bekamen Rote und Grüne zusammen
57 Prozent, also mehr als heute – auf der Bundesebene hat es trotzdem nicht
gereicht: Helmut Kohl hat weiterregiert.
Was lernen Berliner Parteizentralen dann – Hannelore Kraft muss für die
Bundes-SPD in den Wahlkampf ziehen?
1985 holte Johannes Rau 52,1 Prozent der NRW-Stimmen, wurde Kanzlerkandidat
und bekam im Bund nur 37 Prozent. Ziehen Sie die Differenz auch bei
Hannelore Kraft ab, sind sie ungefähr bei den 23 Prozent, die die SPD bei
der letzten Bundestagswahl bekommen hat. Eine Frau, die mit „hömma“, „da…
und „watt“ in NRW funktioniert, kommt im Bund nicht unbedingt an.
Hat Kraft ihre Art oder prägt sie einen neuen Politikstil?
Derzeit bekommen zwei Frauen eine Menge Punkte: Angela Merkel, die alles
regelnde „Mutti“. Und Hannelore Kraft, die Kümmerin. Während die
Feuilletons seit Monaten von Partizipation reden, setzen die beiden im
Gegenteil aufs Umsorgen – und damit auf Depolitisierung.
Die Wähler interessieren sich nicht für Inhalte?
Der Wähler hat einfach nicht das Gefühl, selber die Eurokrise regeln zu
können. Trotzdem bleibt ja der Erfolg der beiden Frauen bescheiden. Kraft
hat vor allem von dem denkbar unprofessionellen CDU-Kontrahenten Norbert
Röttgen profitiert. Und Merkel hilft ihrer Partei nichts.
Merkel ist schuld am Röttgen-Debakel?
Röttgen wollte nur Chef des NRW-Landesverbands sein, um die Hausmacht in
der Union zu haben und bundespolitisch voranzukommen. Das war viel zu
offensichtlich – zumal sich Röttgen ein Rückkehrrecht nach Berlin
offenhielt.
Die Kanzlerin ist fein raus?
Das Problem: Die CDU ist zum Kanzlerinnenwählverein verkommen. Wenn Merkel
nicht selber zur Wahl steht, ist kaum noch was da in der Partei. Es ist
Merkels Schwäche, dass sie aufgrund der matriarchalischen Rolle gut
dasteht, aber nicht politisch in ihre Partei hineinwirkt.
Röttgen steht für Schwarz-Grün. Das ist jetzt vom Tisch?
Atomausstieg, Abschaffung der Wehrpflicht – Merkel geht mit großen
Schritten auf die Grünen zu. Aber für die ist die Gefahr zu groß, dass sie
wie FDP und SPD mickrig aus der Koalition rausgehen.
Noch vor wenigen Monaten träumten manche Grüne davon, den Kanzler zu
stellen. Wieso schwanken die Präferenzen der Wähler so stark?
Das, was die Grünen jetzt haben, ist ein „ehrliches Ergebnis“. Die rund 12
Prozent haben sie sich in den letzten Jahr hart erarbeitet – und die
bleiben. Die Volkspartei sollten sich die Grünen abschminken. Sie gelten
nicht mehr als hip genug. Es gibt bei vielen Wählern ein Bedürfnis, bei
denen zu sein, die in Mode sind. Das sind jetzt die Piraten.
Sind die Piraten gekommen, um zu bleiben?
Bislang schon. Aber wenn es mal ernsthaft politisch zur Sache gehen würde,
wären sie weg.
Wie jetzt die Linke im Westen – Systemkritik ist out?
Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger boykottieren mittlerweile die Wahlen. Denn
die Linkspartei ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Das ist
wirklich gefährlich. Die sozialen Ungerechtigkeiten sind ja nicht weg. Und
es waren nicht die Rot-Grünen, die den Mindestlohn und die
Finanztransaktionssteuer in die politische Debatte eingebracht haben.
Zumindest die FDP ist vorerst gerettet – hat das etwas Gutes?
Wenn es die FDP nicht mehr gäbe, sähe sich der Mittelstand nicht mehr
repräsentiert. Fehlt ihm das Ventil, droht aber ein Populismus der Mitte.
Die Unternehmer, zumeist Exporteure, könnten sich zwar keinen tumben
nationalistischen Ton leisten, sie würden aber die parlamentarischen
Institutionen anzweifeln. Motto: „Schaut euch mal China an, da geht es
zack, zack voran.“ Das kann niemand wollen.
13 May 2012
## AUTOREN
Hanna Gersmann
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