# taz.de -- Kommentar Linkspartei: Die Sprechverbote brechen | |
> Schuld an der Niederlage in NRW ist nicht die Selbstbeschäftigung mit | |
> sich selbt. Eine offene Diskussion darüber, was eine linke Partei heute | |
> leisten kann, wäre sinnvoll gewesen. | |
Um eine schnelle Erklärung für die Wahlniederlage war Klaus Ernst am | |
Sonntagabend nicht verlegen. „Es lag meines Erachtens nicht an den Themen, | |
die Themen waren richtig gesetzt“, erklärte der Linkenchef. Angesichts der | |
fortwährenden Selbstbeschäftigung glaubte aber kaum noch jemand, dass die | |
Partei etwas für sie tun könne. „Das ist unser Hauptproblem.“ | |
Ist es das? Was der Linken zuletzt geschadet hat, war nicht zu viel | |
Selbstbeschäftigung – sondern zu wenig von der richtigen Art. Die Partei | |
scheint wie fixiert auf personelle Erlösung, die einen wollen mit Oskar | |
Lafontaine „Kurs halten“, die anderen mit Dietmar Bartsch einen „Neuanfan… | |
wagen. Eine auch nach außen attraktive Debatte darüber, was eine linke | |
Partei im Deutschland der großen Krisenzeit in Parlamenten und auf der | |
Straße leisten kann, fand vor lauter Sprechverboten jedoch kaum statt. | |
Allein mit dem Hinweis auf ihr Erfurter Programm wird die Linke den | |
Anschluss an frühere Stärken nicht finden. Die Partei hat es in den fünf | |
Jahren ihrer Existenz vermocht, die politische Agenda auf beachtliche Weise | |
mitzubestimmen. Vom Mindestlohn über die Aussetzung von Hartz-Sanktionen | |
bis zur Finanztransaktionssteuer – es war nicht selten die Linkspartei, die | |
solche Forderungen als erste stellte, sie hatte ein Sensorium dafür und | |
nutze Gelegenheiten. | |
Das hat auch SPD und Grüne dazu gebracht, sich zu bewegen – vorerst ist das | |
aber bloß eine rhetorische Korrektur. Weder die vergleichsweise stabile | |
Konjunktur noch die Wiederentdeckung des Sozialen durch andere Parteien | |
haben an der Realität von Niedriglöhnern, Alleinerziehenden und | |
Erwerbslosen wirklich etwas geändert. Hier liegt der eigentliche Knackpunkt | |
der Linken: Angetreten, sozialen Themen in Zeiten ihrer rot-grünen | |
Vernachlässigung eine Stimme zu geben, sind die meisten Probleme noch da – | |
nur die Linke droht langsam zu verschwinden. | |
Gibt es Rettung? Niemand in der Linkspartei sollte sich Hoffnungen machen, | |
dass irgendeine starke Figur allein sie aus der Krise führen kann. Dazu ist | |
mehr nötig als bloß ein personeller Wechsel an der Spitze – vor allem | |
Selbstbeschäftigung. Was der Partei fehlt, ist eine ausstrahlende Debatte | |
die auch unabhängige Linke mitnimmt und jene wieder anspricht, die vor ein | |
paar Jahren die Partei wählten und es heute nicht mehr tun. | |
Nur so kann die Linke wieder eine politische Erzählung formulieren – eine, | |
die den Graben der innerparteilichen Widersprüche überwindet und nach außen | |
signalisiert: Wir sind wichtig für Euch, nicht aus parteipolitischem | |
Eigeninteresse, sondern weil Veränderungen immer noch dringend nötig sind. | |
14 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Strohschneider | |
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