# taz.de -- Kommentar Linkspartei: Der Sonnenkönig | |
> Oskar Lafontaine will wieder an die Spitze der Linkspartei. Ist | |
> Clanwirtschaft mit Patriarch die neue Antwort auf Transparenz? Oder hat | |
> die Linke keine Wahl? | |
Oskar Lafontaine will die Linke wieder führen. Vielleicht. Wenn er lange | |
genug angebettelt worden ist. Wenn seine Partei seine Bedingungen erfüllt. | |
Wenn seine Freundin Fraktionschefin wird. Der Mann verlangt nicht weniger, | |
als dass sich seine Partei ihm Untertan macht. | |
Wohlgemerkt, es geht hier nicht um die Union, die eine Frau an der Spitze | |
hat und in der auch mächtige Männer stürzen, wenn sie Mist bauen. Nicht um | |
die SPD, in der man nach harten Niederlagen beginnen musste, in | |
Personalfragen mehr auf die Basis zu hören. Es geht nicht um die beiden | |
Parteien, denen autoritäres Gebaren wohl am ehesten zugeschrieben wird. Und | |
in denen wohl trotzdem kaum vorstellbar wäre, was derzeit in der | |
Linkspartei abläuft. | |
Die sollte sich neben allem Engagement für das Soziale auch als | |
emanzipative Kraft verstehen. Sie sollte aus ihrer Geschichte gelernt | |
haben, dass sich Gerechtigkeit künftig nur noch durchsetzen lässt, wenn es | |
zugleich ein hohes Maß an Mitbestimmung gibt. | |
Stattdessen könnte es in der Linken ein Mann zurück an die Spitze schaffen, | |
der sich selbst offenbar als eine Art Messias begreift und den ein Gutteil | |
seiner Partei tatsächlich als solchen sieht. Dieses Schauspiel mutet | |
deshalb besonders bizarr an, weil zur selben Zeit die Piraten in Landtage | |
einziehen, aus denen die Linke rausgeflogen ist. Eine Partei also, die mit | |
dem Anspruch antritt, ihr seien Köpfe weniger wichtig als das Gestalten von | |
Politik mit möglichst vielen Menschen zusammen. | |
Ist Clanwirtschaft mit Patriarch die neue linke Antwort auf Transparenz? | |
Oder hat die Linke einfach keine Wahl? Keine andere Wahl als in einer | |
Barbarossa-Logik zu verharren, nach der die Partei in höchster Not von | |
mythisch überhöhten Männern gerettet wird, die sich eigentlich schon ins | |
Exil begeben hatten. Im Jahr 2000 wollte die damalige PDS-Spitze um Lothar | |
Bisky und Gregor Gysi schon einmal die Führung abgeben – damals an Gabi | |
Zimmer. Drei Jahre später war das Experiment nach Flügelkämpfen und | |
Wahlniederlagen vorbei. Bisky und Gysi kehrten zurück. | |
Der Schock dieser Jahre wirkte so lange nach, dass die Partei seither jeden | |
ernsthaften Versuch scheut, andere als die bisher bekannten Gesichter an | |
die Spitze zu lassen. Bei der Fusion von WASG und PDS gab es darüber zwar | |
die nächste größere Diskussion. Aber da wollte die Partei nicht noch mehr | |
Aufregung, keine Experimente, es sollte erst einmal Ruhe einkehren. | |
Irgendwie war die Situation für einen Generationswechsel immer die Falsche. | |
Wahrscheinlich gibt es die richtige Gelegenheit dazu auch gar nicht. | |
Bei anderen Parteien vollziehen sich Machtübernahmen meist ebenfalls unter | |
Schmerzen und zu einem hohen Preis. Wenn die Linke sich der Herausforderung | |
eines Generationswechsels an der Spitze aber weiter entzieht, wird sie | |
diese Lektion, die alle demokratischen Parteien lernen müssen, nie | |
verinnerlichen. Ein absurdes Sonnenkönig-Ritual zu zelebrieren, während | |
ringsumher über mehr Transparenz und Beteiligung geredet wird, kann | |
langfristig nur politische Selbstaufgabe bedeuten. | |
15 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
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